Chemiekonjunktur – Chinas Chemie wächst langsamer
15.07.2014 -
Die konjunkturelle Dynamik der Schwellenländer hat an Schwung verloren. Auch in China hat sich das Wachstum abgeschwächt. Nach teils zweistelligen Wachstumsraten des Bruttoninlandsprodukts (BIP) in den vergangenen Jahren weist die amtliche Statistik für das Gesamtjahr 2013 „nur" noch ein reales Wachstum von 7,7 % aus. Im ersten Quartal 2014 ging das Wachstum auf 7,5 % zurück. Zu schaffen macht dem Land der niedrige Anteil des Konsums am Bruttoinlandsprodukt. Hinzu kommen Instabilitäten im Finanzsektor, die immer noch nicht gelöst sind. Wenngleich eine Finanzkrise unwahrscheinlich ist, belasten diese beiden Faktoren die wirtschaftliche Entwicklung. Die Konjunkturabschwächung erfasste auch den industriellen Sektor. Die Industrieproduktion steigt zwar immer noch dynamisch, eine Verlangsamung der Dynamik ist allerdings auch hier sichtbar. Im Gesamtjahr 2013 wuchs die Industrie um 10,2 %. Zwei Jahre vorher konnte das Verarbeitende Gewerbe in China noch um 14,2 % zulegen. Auch die Nachfrage nach chemischen Produkten wuchs nicht mehr so dynamisch wie in den Vorjahren.
Nachdem viele Jahre das Wachstum der Chemieproduktion bei rd. 15 % lag, konnte die Chemie ihre Ausbringungsmenge im Jahr 2013 nur noch um 12,4 % erhöhen. Im ersten Quartal dieses Jahres stieg die Produktion um 11,8 %. Die Aussichten für den weiteren Jahresverlauf bleiben gedämpft. Das Bruttoinlandsprodukt wird um 7 % zulegen. Auch für die Industrie bleiben die Wachstumsperspektiven mit rd. 9,5 % hinter den Vorjahren zurück. Ebenso wächst das Chemiegeschäft nur noch im einstelligen Bereich. Die Chemieproduktion steigt im Gesamtjahr um rd. 9 % (Grafik 1).
Chemiegeschäft bleibt auf Wachstumskurs
Im vergangenen Jahrzehnt war die chinesische Chemieproduktion mit durchschnittlich 15 % pro Jahr kräftig ausgedehnt worden. Selbst in der Krise wuchs die Branche kräftig. Die hohe Dynamik hielt aber nach 2012 nicht an. Die schwache Weltkonjunktur hinterließ auch im chinesischen Chemiegeschäft ihre Spuren. Die Dynamik blieb unter der der vergangenen Dekade. Der Start ins Jahr 2014 verlief für chinesische Maßstäbe verhalten. Die Produktion lag im ersten Quartal 11,8 % über Vorjahr (Grafik 2). Die Abschwächung erfasste hauptsächlich das Auslandsgeschäft. Zwar stieg die Nachfrage der inländischen Kunden langsamer als in den Vorjahren, der Aufwärtstrend bleibt aber intakt. Dieser Trend wird sich in den kommenden Monaten fortsetzen. Für das Jahr 2014 erwartet der Verband der Chemischen Industrie (VCI) ein Produktionswachstum von 9 %. Im kommenden Jahr wird die Chemie um voraussichtlich 8,5 % zulegen können. Damit wächst die Chemie immer noch schneller als das BIP Chinas.
China ist Chemieproduzent Nr. 1
Im Jahr 2009 hat China die USA als weltgrößten Chemieproduzent abgelöst und den Vorsprung Jahr für Jahr ausgebaut. 2013 setzte das Land der Mitte Chemikalien im Wert von knapp 1,3 Bio. € um und hielt damit rd. 30 % des Weltmarktanteils. Trotz der zuletzt geringeren Dynamik wird der Weltmarktanteil weiter steigen. Innerhalb des Landes gehört die Chemie- und Pharmaindustrie zu den wichtigsten Industriesektoren.
Mit einem Umsatzanteil von 11 % liegt die Branche nach der Metallerzeugung und der Elektrotechnik auf Platz 3 der Industrie. Innerhalb der Chemie dominiert die Grundstoffchemie (Anorganika, Petrochemikalien und Polymere), die insgesamt auf einen Anteil von 47 % kommt. Davon entfallen rd. 21 % auf die rohstoffnahe Petrochemie (Grafik 3). Zunehmend wichtiger wird aber auch die Produktion von Fein- und Spezialchemikalien. Lag der Anteil dieser Sparte im Jahr 2000 noch unter 25 % stieg er bis 2013 auf 31 %. Hier zeigen sich die steigenden Anforderungen einer dynamisch wachsenden heimischen Industrie, die neben Grundstoffen auch höherwertige Chemikalien benötigt. Die Konsumchemikalien spielen mit einem Anteil von nur 3 % eine im internationalen Vergleich untergeordnete Rolle. Die Pharmaproduktion liegt mit einem Anteil von 19 % an dritter Stelle. Für das hohe Pharmawachstum ist u.a. auch der demografische Wandel verantwortlich. Chinas Bevölkerung altert schneller als in anderen Schwellenländern. Dies ist eine Folge der Ein-Kind-Politik.
Deutsche Chemieindustrie als Handelspartner und Investor
Trotz aller Erfolge kann die chinesische Produktion nicht mit dem raschen Wachstum der Chemienachfrage Schritt halten. Folglich muss China Chemikalien im großen Stil importieren. Die Handelsbilanz mit Chemikalien weist mittlerweile ein Defizit von 96,3 Mrd. € aus (Grafik 4). Das hohe Marktwachstum weckt auch das Interesse ausländischer Konzerne an China. Deutschland exportierte 2013 chemische Erzeugnisse im Wert von knapp 5,6 Mrd. € nach China - Tendenz stark steigend. Zunehmend ist das Land aber auch für Direktinvestitionen interessant. Viele deutsche Chemieunternehmen investieren vor Ort in Produktions- und Vertriebsstätten. Jährlich produzieren chinesische Tochterunternehmen deutscher Chemiekonzerne mit 52.000 Beschäftigten Chemikalien im Wert von 16,4 Mrd. €. Mit ihrem Engagement haben die Chemieunternehmen aber nicht nur den Binnenmarkt im Blick. Zunehmend bauen sie die Standorte im Land der Mitte zu einer Drehscheibe für die gesamte Region aus.
Langfristige Perspektiven sind gut
Die Perspektiven für das Chemiegeschäft in China sind gut. China ist immer noch der größte Wachstumsmarkt. Dies gilt besonders für das Chemiegeschäft, denn steigender Wohlstand führt in der Regel zu einer höheren Nachfrage nach Chemikalien. Nachfrageimpulse kommen u.a. von einer sich vergrößernden Mittelschicht und einer anhaltenden Verstädterung. Daher ist davon auszugehen, dass auch im kommenden Jahrzehnt die Chemienachfrage und -produktion schneller wachsen als das BIP. Bis zum Jahr 2030 wird Chinas Anteil am Weltchemiemarkt auf 47 % steigen.
Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Zeiten ungebremsten Wachstums auch in China vorbei sind. China steht vor der großen Herausforderung die Wirtschaft zu einem stärker konsum- und dienstleistungsorientierten System umzubauen. Die Zentralregierung wird alles tun, um dieses Problem anzugehen und einen Ausgleich zwischen dem für die Stabilität notwendigen Wachstum und den einzuleitenden Reformschritten zu finden. Neben dem Wachstumsmodell muss auch eine Lösung für den Finanzsektor gefunden werden. Umstrukturierung tut Not, um den Schattenbanksektor in den Griff zu bekommen, damit das Finanzsystem stabilisiert wird. Angesichts von Devisenreserven von 2,8 Bio. € stehen dem Land aber ausreichend Finanzmittel für Reformen zur Verfügung.
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