Chemiekonjunktur
Deutsche Chemieindustrie erwartet anhaltenden, aber gebremsten Aufschwung
Die deutsche Chemieindustrie kann auf ein gutes Geschäftsjahr 2010 zurückblicken. Die Weltwirtschaft erholte sich nach der Krise schneller als erwartet. In allen Regionen und in fast allen Ländern stieg die Industrieproduktion kräftig. Von dieser Entwicklung konnten die deutschen Chemieunternehmen frühzeitig profitieren. Bereits im Jahresverlauf 2009 hatte sich angedeutet, dass sie die Krise rascher überwinden werden als zunächst angenommen. Nach dem zunächst die Nachfrage aus dem Ausland wieder anzog, trug zunehmend auch die Inlandsnachfrage zur Erholung der Branche bei. Bereits im Sommer 2010 erreichte die Kapazitätsauslastung wieder ihr normales Niveau. Die Unternehmen hatten zu Beginn der Krise rasch reagiert. Der Lagerabbau, die vorübergehende Stilllegung einzelner Produktionsanlagen, umfangreiche Kostensenkungsprogramme und nicht zuletzt die Kurzarbeit zeigten nun Wirkung. Mit der Erholung des Chemiegeschäftes im Jahr 2010 sprudelten die Gewinne der Branche. Die Unternehmen gaben daher ihre Investitionszurückhaltung auf. Sie dehnten ihre Forschungsetats aus und investierten verstärkt in neue Produktionsanlagen.
Für das Gesamtjahr 2010 konnte die Branche mit einem Produktionsplus von 11 % ein Rekordergebnis verbuchen (Grafik 1). Dies war der stärkste Zuwachs der Branche seit 1976. Die Chemieproduktion hat damit das Niveau vor der Krise schon fast wieder erreicht. Mit der wachsenden Nachfrage nach Chemikalien zogen auch die Preise kräftig an. Höhere Preise und größere Mengen führten zu einem deutlichen Umsatzplus. Das Geschäft mit Kunden im Ausland lief dabei besser als das Inlandsgeschäft.
Chemieproduktion nähert sich Vorkrisenniveau
Zur Jahreswende 2008/2009 war die deutsche Chemieproduktion um fast 20 % eingebrochen. Sie fiel damit auf das Niveau von 2004 zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2009 setzte jedoch die Erholung ein. Von Quartal zu Quartal verbesserte sich die Lage rasant. Ein Trend, der sich im gesamten Jahresverlauf 2010 fortsetzte (Grafik 2). Allerdings schwächten sich die Auftriebskräfte in der zweiten Jahreshälfte bereits wieder ab. Dennoch war zum Ende des Jahres das Produktionsniveau von 2007 bereits wieder fast erreicht. Auch die Produktionskapazitäten waren wieder normal ausgelastet. Die Branche hat die Krise damit weitgehend überwunden.
Chemikalienpreise steigen um 3 %
Seit der zweiten Jahreshälfte 2009 kletterten die Erzeugerpreise der Branche von Quartal zu Quartal. Zum Jahresende waren Chemikalien wieder genauso teuer, wie vor der Krise (Grafik 3). Angesichts der wieder erstarkten Nachfrage nach Chemikalien fiel es den Chemieunternehmen zunehmend leichter die hohen Rohstoffkosten an die Kunden weiterzugeben. Bei einigen Chemikalien war die Nachfrage sogar so groß, dass die Produktionskapazitäten zeitweise nicht ausreichten, um alle Kundenwünsche zu befriedigen. Das verstärkte den Preisauftrieb zusätzlich. Chemikalien und Pharmazeutika waren daher im Jahr 2010 durchschnittlich 3 % teurer als ein Jahr zuvor. Insbesondere die rohstoffnahen Sparten konnten Preiszuwächse verbuchen. Im Jahresverlauf legten die Preise aber in allen Chemiesparten zu.
Auslandsumsatz übersteigt Niveau von 2007
Mit der Wirtschaftskrise war die Nachfrage nach Chemikalien weltweit stark zurückgegangen. Dies war jedoch nur ein vorübergehender Effekt. Sobald die Industrie ihre Läger geräumt hatte und die Industrieproduktion wieder anzog, häuften sich bei den Chemieunternehmen die Bestellungen. Da auch die Preise zulegten, kletterte der Umsatz von Quartal zu Quartal kräftig. Erst in der zweiten Jahreshälfte 2010 schwächte sich das Wachstum wieder ab (Grafik 4). Die Wareneingangsläger der Kunden sind weitgehend gefüllt. Im Gesamtjahr 2010 legten die Umsätze um 17,5 % zu. Sie erreichten ein Volumen von insgesamt 170,6 Mrd. €. Das Geschäft mit Kunden im Ausland lief dabei besser als das Inlandsgeschäft. Der Auslandsumsatz stieg um 20 % auf 99,6 Mrd. € und lag damit bereits wieder höher als im Jahr 2007. Der Inlandsumsatz stieg um 14 % auf 71,0 Mrd. €.
Stabile Beschäftigungszahlen
Die Zahl der Arbeitsplätze in der Branche ging im Verlauf des Jahres 2009 um 3 % zurück. Dieser krisenbedingte Beschäftigungsabbau konnte 2010 gestoppt werden. Die deutsche Chemieindustrie beschäftigte 2010 durchschnittlich 414.200 Mitarbeiter. Das sind 0,5 % weniger als ein Jahr zuvor. Die Sozialpartnerschaft hat sich bewährt. Insgesamt hat die deutsche Chemie seit 2008 mehr Arbeitsplätze erhalten können als die Chemie in den europäischen Nachbarländern (-8%) oder in anderen Industriezweigen hierzulande (-6%).
Branche erwartet Umsatzplus von 4 % für 2011
Mit dem bisher erreichten kann die Branche mehr als zufrieden sein. Die Stimmung ist gut. Der Blick nach vorne ist aber nicht mehr so optimistisch wie noch vor einigen Monaten. Zwar rechnet kaum jemand mit einem konjunkturellen Rückschlag oder gar dem Abgleiten in eine erneute Rezession. Die Unternehmen wissen aber, dass sich das Tempo der Erholung in den kommenden Monaten weiter verlangsamen wird.
Das weltwirtschaftliche Umfeld bleibt 2011 schwierig: Angesichts der anhaltenden Schuldenkrise in vielen Ländern kann von einem selbsttragenden Aufschwung der Weltwirtschaft noch nicht die Rede sein. Erst in den kommenden Monaten, wenn in vielen Ländern die Konjunkturprogramme auslaufen und das Sparen beginnt, wird sich zeigen, wie stark die Auftriebskräfte wirklich sind. Vor diesem Hintergrund sind die Wachstumsaussichten der Industrieländer begrenzt. Dagegen dürfte sich der Aufwärtstrend in den Schwellenländern mit hoher Dynamik fortsetzen. Insgesamt sind aber große Zuwächse für das Chemiegeschäft in den kommenden Monaten nicht mehr zu erwarten. Schließlich bleibt die Europäische Union für die deutsche Chemie der mit Abstand wichtigste Exportmarkt. Knapp 62 % der Ausfuhren gehen dorthin. Und in den anderen EU-Ländern ist die Erholung bei weitem nicht so vorangeschritten wie in Deutschland. Dank einer guten Auftragslage und leerer Fertigwarenlager wird die Industrieproduktion hierzulande weiter zulegen. Allerdings wird sich auch hier die Erholung verlangsamen. Zudem verschiebt sich das Wachstum zunehmend in weniger chemieintensive Wirtschaftszweige.
Die Wachstumsraten im deutschen Chemiegeschäft werden sich daher normalisieren und dem langfristigen Trend anpassen. Das bedeutet konkret: Im Gesamtjahr 2011 steigt die deutsche Chemieproduktion nur noch um 2,5 %. Die Chemikalienpreise werden voraussichtlich um 1,5 % zulegen. Der Gesamtumsatz der Branche steigt demnach um 4 %.
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