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Chemiekonjunktur – Afrikas Wirtschaft im Griff der Coronakrise

Die afrikanischen Volkswirtschaften zeichnen sich tendenziell durch einen kleinen Industriesektor aus

18.08.2021 - Die Voraussetzungen für ein dynamisches Industriwachstum in Afrika sind gut, doch viele Länder leiden immer wieder unter Korruption, politischer Instabilität und Naturkatastrophen.

Bereits nach der Finanzkrise hatte Afrika Schwierigkeiten an die hohen Wachstumsraten der 2000er Jahre anzuknüpfen. Konnte der Kontinent in den Nullerjahren noch mit rund 4 % pro Jahr wachsen, schwächte sich das jährliche Wachstum danach auf nur noch rund 2 % ab. Neben strukturellen Problemen (Korruption, politische Instabilität) leiden viele Länder in Süd- und Ostafrika immer wieder unter schweren Dürren oder Überschwemmungen. Auch regelmäßige Ebola-Ausbrüche hemmen das Wachstum. Afrika ist mit der Wachstumsschwäche allerdings nicht allein. Auch andere Schwellenländer leiden seit einiger Zeit unter einer verringerten Wachstumsdynamik.

 

Neben strukturellen Problemen,
wie Korruption und politische Instabilität,
leiden viele Länder in Süd- und Ostafrika immer wieder
unter schweren Dürren oder Überschwemmungen.



Im Jahr 2020 setzte die Covid-19-Pandemie dem Wachstums­trend ein Ende. Die Wirtschaftsleistung des Kontinents schrumpfte um 1,7 % (Grafik 1). Verglichen mit den Einbrüchen in anderen Ländern und Regionen dieser Welt ist dies wenig. Man darf allerdings nicht vergessen, dass Afrika aus über 50 Ländern besteht und große Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten bestehen. In Südafrika brach das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 7 % ein, in Tunesien – einem stark durch Tourismus geprägten Land – um 8 %. Auch in Algerien, dessen Exporte zu 95 % aus Öl- und Gasverkäufen bestehen, schrumpfte die Wirtschaftsleistung um 8 %. Hier schlugen die im Zuge der ersten Welle der Pandemie stark gesunkenen Preise für Rohstoffe durch

Afrikas Industrie stark getroffen

Die afrikanischen Volkswirtschaften zeichnen sich tendenziell durch einen kleinen Industriesektor aus. In Südafrika, dem am stärksten industrialisierte Land Afrikas, trägt das verarbeitende Gewerbe nur rund 13 % zum BIP bei. Der Bergbausektor steht dabei für knapp 9 %. Damit liegt der Industrieanteil Südafrikas deutlich unter Durchschnitt anderer Schwellenländer (rund 18 %). Im restlichen Afrika hat der industrielle Sektor eine noch geringere volkswirtschaftliche Bedeutung. Darüber hinaus leidet die Indus­trie auf dem Kontinent unter einer generellen Wachstumsschwäche. Konnte die Industrieproduktion im Zeitraum 2000-2010 um 1,8 % zulegen, schrumpfte sie danach. Hieran hat allerdings auch die Coronakrise einen signifikanten Anteil.

Im Jahr 2020 brach die Industrieproduktion um 14 % ein. Allerdings ergäbe sich auch ohne Einbruch nur ein jährliches Wachstum von mageren 0,5 %. Hauptgrund für das schwache Wachstum ist, dass Afrika außer Rohstoffen am Weltmarkt kaum wettbewerbsfähige Produkte anbieten kann. Obwohl Arbeit in Afrika günstig ist, rechnet sich die Fertigung vor Ort oft nicht. Die schlechte Infrastruktur und die Korruption verteuern die Produktion stark. Importe sind häufig günstiger. Hinzu kommt die mangelhafte Versorgung mit Strom. Stromausfälle auf Grund von Lastabwürfen (Load Shedding) zwingen Unternehmen immer wieder zu Produktionsunterbrechungen. Zwar sind Projekte zur Verbesserung der Energieversorgung angestoßen (z. B. Südafrika). Mit einer raschen Lösung ist allerdings nicht zu rechnen. Hinzu kommt, dass der Ausbau (erneuerbarer) Energiekapazitäten in den letzten Jahren deutlich hinter der Nachfrage zurückblieb. Ebenso sind die Investitionsbedingungen allgemein weiterhin schwierig: Investoren berichten häufig von Korruption und Missmanagement.

Coronakrise dämpft Chemienachfrage

Im Zuge der Coronakrise und dem damit verbundenen Rückgang der Industrieproduktion sank die Nachfrage nach Chemikalien. Der Verbrauch von Chemieprodukten brach im Jahr 2020 um 11,3 % ein. Der Trend war allerdings auch in den Jahren davor rückläufig (Grafik 2). Der Umsatz sank ebenfalls kräftig, aber nicht so stark wie der Verbrauch (- 7,7 %). Zu den Rückgängen trugen allerdings auch rückläufige Preise bei.

Auch die Chemieproduktion (inkl. Pharma) des Kontinents weist in den zurückliegenden Jahren einen rückläufigen Trend auf. Zwar stand 2020 ein leichtes Plus von 0,1 % in den Büchern. Dies war allerdings ausschließlich dem Pharmageschäft zu verdanken, das kräftig ausgedehnt wurde (+ 3,1 %). Die Branche kommt auch in Afrika vergleichsweise glimpflich durch die Krise.

Die lokalen Produktionskapazitäten reichen allerdings nicht aus, um die afrikanische Nachfrage nach Chemikalien zu decken. Bei Chemikalien und Pharmazeutika ist der Kontinent daher ein Nettoimporteur (Grafik 3). Das wachsende Außenhandelsdefizit im Chemikalienhandel verdeutlicht, dass auch der Chemiesektor mit den für Afrika typischen Problemen zu kämpfen hat: schlechte Infrastruktur, Bürokratie und Korruption.

Aufgrund seiner Rohstoffvorkommen produziert Afrikas Chemieindustrie hauptsächlich Grundstoffe. Der Anteil der Basischemie liegt bei rund 40 % (Grafik 4). Mehr als die Hälfte entfallen hierbei auf die Anorganika – die einzige Chemiesparte mit einem nennenswerten Außenhandelsüberschuss. Positiv hat sich der Pharmasektor entwickelt. Lag der Umsatzanteil im Jahr 2010 noch bei rund 17 % hat er in den letzten Jahren knapp 10 Prozentpunkte hinzugewonnen. Die Verluste der anderen Sektoren waren in etwa gleichverteilt. Nur der Anteil der Konsumchemikalien blieb nahezu stabil.

eiburg.

Dynamischer Exportmarkt für die deutsche Chemie

Seit Anfang der 2000er Jahre konnte Afrika als Exportmarkt an Bedeutung gewinnen. Die Ausfuhren deutscher Chemie- und Pharmaprodukte legten seit 2000 um durchschnittlich 5,4 % zu. Dennoch ist die Bedeutung des afrikanischen Kontinents insgesamt gering: Nur 1,7 % der gesamten deutschen Chemieexporte gingen im Jahr 2020 nach Afrika. Dies entspricht Waren im Wert von rund 3,4 Mrd. EUR. Der Dämpfer durch die Coronakrise fiel gering aus. Für das Jahr 2021 erwartet der VCI einen moderaten Anstieg der Ausfuhren (Grafik 5). Vor allem Pharmazeutika sind in Afrika gefragt. Sie stehen für knapp ein Drittel der deutschen Chemie- und Pharmaexporte. Auch als Investitionsstandort ist Afrika von Interesse. Allerdings sind die deutschen Chemieunternehmen immer noch zurückhaltend. Nur rund 1 % aller getätigten Direktinvestitionen wurde 2019 in Afrika getätigt. Insgesamt waren 79 Tochtergesellschaften deutscher Chemie­unternehmen in Afrika aktiv. Sie erwirtschafteten einen Umsatz von rund 2,6 Mrd. EUR und beschäftigten 9.000 Mitarbeiter.

Ausblick: Moderate Erholung

Die Coronakrise ist auch an Afrika nicht spurlos vorbeigegangen. Zuletzt entwickelten sich die Infektionszahlen in einigen afrikanischen Ländern dynamisch, so dass mit temporären und lokalen Rückschlägen zu rechnen ist. Die Impfquoten sind im Vergleich zu den Industrieländern gering. Nur rund 1 % der Afrikaner sind vollständig geimpft. Immerhin sind in mehr und mehr Ländern Impfkampagnen gestartet, wobei auch die Impfstoffverfügbarkeit eine große Rolle spielt. Mit einer besseren Verfügbarkeit an Impfstoffen dürften die Kampagnen an Fahrt aufnehmen. Die WHO-Initiative COVAX (Covid-19 Vaccines Global Access) ist hierbei ein zentraler Hebel. Wir erwarten daher für die wichtigsten Wirtschaftsindikatoren im Jahr 2021 eine moderate Erholung. Besonders kräftig dürfte das Wachstum in der Industrie ausfallen (+ 11,9 %), allerdings wird das Vorkrisenniveau auch im Jahr 2021 noch nicht wieder erreicht. Von der Erholung in der Industrie profitiert ebenfalls das Chemiegeschäft, das nach drei Jahren schwacher Entwicklung voraussichtlich um rund 3 % zulegen kann. Zudem dürfte die Pharmaproduktion davon profitieren, dass zunehmend Impfstoffe vor Ort abgefüllt bzw. produziert werden.

 

Die Voraussetzungen für ein
dynamisches Wachstum sind gut:
große Rohstoffvorkommen, eine junge und
wachsende Bevölkerung sowie eine größer werdende Mittelschicht.


Angesichts der strukturellen Probleme fällt die Erholung allerdings nur schwach aus. Mittelfristig muss Afrika diese Themen lösen, um seine Attraktivität als Investitions­standort und Absatzmarkt weiter zu steigern. Denn die Voraussetzungen für ein dynamisches Wachstum sind gut: große Rohstoffvorkommen, eine junge und wachsende Bevölkerung sowie eine größer werdende Mittelschicht.

Henrik Meincke, Chefvolkswirt, Verband der Chemischen Indus­trie e.V., Frankfurt am Main

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ZUR PERSON

Henrik Meincke ist Chefvolkswirt beim Verband der Chemischen Industrie. Er ist seit dem Jahr 2000 für den Branchenverband tätig. Meincke begann seine berufliche Laufbahn am Freiburger Materialforschungszentrum. Der promovierte Chemiker und Diplom-Volkswirt studierte an der Albert-Ludwigs-Universität in Fr

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