Strategie & Management

Bundestag verabschiedet EnWG-Novelle, wichtige Regelungen im Überblick

18.01.2012 -

Neue Kosten für Industrieparks? - Am 4. August 2011 ist das Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftlicher Vorschriften in Kraft getreten. Konnten die Betreiber von Industrieparks zuvor noch von einer Sonderregelung im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) profitieren, die sie von vielen Regulierungsmaßnahmen dieses Gesetzes ausnahm, sehen sie sich nun einer Vielzahl neuer Pflichten gegenüber. Es drohen erhebliche Kosten.

Mit dem EnWG verfolgt der Gesetzgeber u.a. das Ziel, natürliche Monopole im Bereich der Energieversorgung aufzuspalten und den Wettbewerb zu fördern. Der Betrieb von Energieversorgungsnetzen auf der einen und z.B. die Erzeugung und der Vertrieb von Strom auf der anderen Seite sollen wirtschaftlich getrennt („entflochten") werden. Zu diesem Zweck wurden Energieversorgungsunternehmen bereits unter Geltung des EnWG alter Fassung zur informationellen und buchhalterischen Trennung unterschiedlicher Bereiche verpflichtet. Dabei war und ist der Begriff des Energieversorgungsunternehmens weiter gefasst, als man auf den ersten Blick meinen mag.

Definition Energieversorgungsunternehmen

Firmen sind bereits dann Energieversorgungsunternehmen, wenn sie Energie an andere liefern oder ein Energieversorgungsnetz betreiben oder besitzen. Das EnWG alter Fassung verpflichtete Energieversorgungsunternehmen dazu, den Jahresabschluss unabhängig von der Rechtsform nach den für Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften des HGB aufzustellen, prüfen zu lassen und offenzulegen.

Nicht weniger bedeutsam - aufwändig und kostenintensiv mussten vertikal integrierte Energieversorgungsunternehmen in ihrer internen Rechnungslegung jeweils getrennte Konten für die Verteilung und Übertragung von Elektrizität oder Gas vorsehen.

Von derlei Unbill blieben die Inhaber von Industrie- bzw. Chemieparks jedoch bisher oft verschont. Deren Netze wurden häufig als sogenannte „Objektnetze" betrieben wodurch sie von den Pflichten von Teil 2 und 3 des EnWG ausgenommen waren.

Gesetzesänderungen und Folgen

Aus der am 4. August 2011 in Kraft getretenen Gesetzesänderung ergeben sich für die Betreiber von bisherigen „Objektnetzen" tiefgreifende Konsequenzen. Zwar kritisierte der Verband der chemischen Industrie (VCI) das gesetzgeberische Vorhaben im Vorfeld in Bezug auf die Objektnetze als unverhältnismäßig. Der VCI bemängelte insbesondere, dass Chemieparks aller Voraussicht nach der Pflicht zur Entflechtung unterliegen würden und dass Unternehmen unbillig zur Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gezwungen werden könnten.

Zum Leidwesen vieler Betreiber betroffener Netze zeigte sich der Gesetzgeber davon aber unbeeindruckt. Auch eine Sonderreglung, welche eine Privilegierung zugunsten der Betreiber „geschlossener Verteilernetze" vorsieht, ist insoweit wenig hilfreich. Denn selbst wenn ein Netz als geschlossenes Verteilernetz behandelt wird, folgt daraus nur wenig Erleichterung. Grundsätzlich sind die Teile 2 und 3 des EnWG nämlich auch auf geschlossene Verteilernetze anwendbar. Damit sind deren Betreiber nunmehr grundsätzlich auch zur Entflechtung verpflichtet.

Vertikal integrierte Energieversorgungsunternehmen müssen in der internen Rechnungslegung getrennte Konten für die Bereiche der Energieübertragung und Energieverteilung führen. Darüber hinaus sind sie zur eigentumsrechtlichen Entflechtung verpflichtet. Danach dürfen - vereinfacht ausgedrückt - nicht dieselben Entscheidungsträger zugleich Kontrolle auf den Netzbetrieb auf der einen Seite und die Erzeugung und den Vertrieb von Energie auf der anderen Seite ausüben.

Rettungsanker Kundenanlagen?

Im Zuge der Gesetzesnovelle ebenfalls neu in das EnWG eingefügt worden ist der Begriff der „Kundenanlage". Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen diese von der Regulierung ausgenommen werden und so dürfte insbesondere die „Kundenanlage zur betrieblichen Eigenversorgung" die Hoffnung einiger Chemieparkbetreiber geweckt haben.

Vereinfach dargestellt dürften Kundenanlagen Netze auf dem Betriebsgebiet darstellen, die mit einem Energieversorgungsnetz oder einer Erzeugungsanlage verbunden sind und fast ausschließlich dem betriebsnotwendigen Transport von Energie im eigenen Unternehmen oder zu verbundenen Unternehmen dienen. Dabei soll es laut der Gesetzesbegründung bei der Frage, ob eine Kundenanlage in diesem Sinne vorliegt, nicht auf die Menge der durchgeleiteten Energie ankommen.

Ferner kann sich eine solche Kundenanlage auch über weite Flächen erstrecken. Vergegenwärtigt man sich jedoch die gesetzgeberischen Definitionen der Kundenanlage und des geschlossenen Verteilernetzes und hält sich die Historie der Gesetzgebung vor Augen, ist fraglich, ob für die meisten Chemieparkbetreiber Grund zum Optimismus besteht. Der VCI jedenfalls hat sich während des Gesetzgebungsverfahrens in Bezug auf die Möglichkeit der Einstufung eines früheren „Objektnetzes" als Kundenanlage überaus kritisch geäußert.

Rechtsunsicherheit und Kosten

Wie bereits angemerkt, ist die Befolgung der dargestellten Pflichten naturgemäß mit erheblichen Kosten und großem Aufwand verbunden und zieht gerade für die Betreiber von kleineren Netzen gravierende wirtschaftliche Folgen nach sich. Darüber hinaus dürfte die Pflicht zur Offenlegung sensibler Daten den meisten betroffenen Netzbetreibern ein Dorn im Auge sein. Umso unglücklicher ist es, dass in Bezug auf den Kreis der Betroffenen wenig Rechtssicherheit besteht.

Viele der Begriffe, die der Gesetzgeber im fraglichen Zusammenhang verwendet und die über die Pflichten der Betroffenen entscheiden, sind unklar. Die Gesetzesbegründung ist in vielerlei Hinsicht dürftig und lässt viele Fragen offen. Auch sieht das Gesetz bedauerlicherweise ein Statusfeststellungsverfahren für Kundenanlagen nicht vor. Dabei besteht ein hoher Bedarf, zeitnah Gewissheit zu erlangen. Das vorgesehene Ordnungsgeld trägt insoweit nicht zur Beruhigung bei.

Ebenfalls nicht in der wünschenswerten Deutlichkeit kann dem Gesetz entnommen werden, ab welchem Zeitpunkt die Unternehmen den neuen Pflichten nachkommen müssen. Gerade in Bezug auf die anstehenden Jahresabschlüsse besteht insoweit erhebliche Unsicherheit auf Seiten des Management.

Ohne an dieser Stelle einer genauen Untersuchung vorgreifen zu wollen - es sprechen gute Gründe, wie etwa der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dafür, dass eine buchhalterische Entflechtung von den betroffenen Unternehmen erst für das nächste Geschäftsjahr vorzunehmen ist. Auch insoweit sollten sich betroffene Entscheidungsträger allerdings schnellstmöglich Klarheit verschaffen.

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