Strategie & Management

Arbeit 2025: Fit und flexibel

Wie KI die Verfügbarkeit von Fachkräften in der Prozessindustrie verbessert

19.02.2025 - Trotz aller Unkenrufe: Laut der Boston Consulting Group bestehen für den Chemie- und Pharmastandort Deutschland weiterhin gute Zukunfts­chancen – vorausgesetzt, die Branche adressiert ihre zentralen Probleme.

Eines davon ist, die Verfügbarkeit von Fachkräften sicherzustellen. Dabei kann künstliche Intelligenz (KI) eine entscheidende Rolle spielen. Im Folgenden soll gezeigt werden, wo innovative Lösungen ansetzen.
Die Jahrgänge 1963 und 1964 waren die geburtenstärksten in Deutschland. Nun scheiden sie nach und nach aus dem Erwerbsleben aus. Gerade in Produktion und Instandhaltung hinterlassen sie eine schwer zu füllende Lücke. Das zwingt Unternehmen, die verbleibenden, erfahrenen Mitarbeitenden flexibler einzusetzen. Gleichzeitig müssen neue Kräfte „schleunig ran“: Kostbare Zeit mit Onboarding-Prozessen zu verlieren, ist nicht mehr drin. Damit Ein- und Umsteiger dennoch gut gerüstet an ihre neuen Aufgaben gehen, braucht es punktgenaue Schulung und Unterstützung.

Mit ‚Training on the Job‘ schneller durchstarten

Exakt hier setzen KI-basierte Connected-Worker-Plattformen an. Denn statt das Personal abseits des Betriebs lang und ausführlich zu schulen, erhält jede Arbeitskraft ‚On the Job‘ genau die Anleitung, die sie für ihre jeweilige Aufgabe braucht. Dabei muss sie sich nicht länger durch dicke Ordner oder Benutzerhandbücher quälen. Stattdessen zeigen ihr Smartphone, Tablet oder ihre Augmented-Reality-­Brille, was zu tun ist: mittels bebilderter Bedienungsanleitung, digitaler Checkliste oder Videoguide. So lassen sich selbst Anfänger rasch für ein neues Einsatzgebiet fit machen. Bei erfahrenen Kräften erkennt die KI am Verhalten, ob es zusätzliche Schulung braucht oder nicht. Zögert ein Techniker bei der Inspektion einer Anlage bspw. mehrfach für längere Zeit, bietet sie ihm detaillierteres Trainingsmaterial an. Dasselbe gilt, wenn er in einer digitalen Anleitung des Öfteren zwischen verschiedenen Schritten hin- und herspringt.

Dank personalisierter Schulung komplexe Abläufe beherrschen

Um wettbewerbsfähig zu bleiben, braucht die Prozessindustrie in Deutschland stetige Innovation. Damit geht einher, dass sich Mitarbeitende laufend an veränderte Verfahren und Abläufe anpassen müssen, seien es nun neue Syntheseverfahren oder modulare Anlagen. Hier bieten KI-gestützte Systeme Vorteile, indem sie die nötigen Weiterbildungsmaßnahmen auf die jeweilige Person zuschneiden und damit so schlank wie möglich halten. Mithilfe eines digitalen Skill Managements analysieren sie zunächst den individuellen Wissensstand. Anschließend liefern sie darauf abgestimmte Instruktionen und Trainingsmodule auf einen Industrie-PC oder ein mobiles Gerät. Ob Standardarbeitsanweisungen (SOPs), Video-Tutorial oder interaktives Quiz – die Inhalte passen sich dynamisch der bisherigen Arbeitspraxis und dem Lernfortschritt des Users an. Wer das Vorgängermodell einer Anlage bereits kannte, bekommt lediglich ein „Was-ist-neu“-Training. Wer dagegen weniger Vorwissen mitbringt oder lange nicht mehr in einem Bereich tätig war, wird mit ausführlicher Unterstützung wieder auf Stand gebracht. So kommt komplexes Wissen auf den Punkt dort an, wo es gebraucht wird – genau dann, wenn nötig.

 

Generative KI: Kollege Computer hilft

Was aber, wenn doch einmal eine Information zur letzten technischen Neuerung oder zu einem Verfahrensschritt fehlt? Mit KI-basierten Assistenten können Mitarbeitende ihre Fragen wie in einem Kollegengespräch formulieren – und erhalten die Antwort in Echtzeit, jenseits aller Sprachbarrieren. Das erleichtert auch die Fehlerdiagnose, wie das folgende Beispiel zeigt: Eine Fachkraft bemerkt eine heiße Stelle an einer neuen, computergesteuerten Anlage und fragt einen KI-Copiloten nach möglichen Ursachen. Dieser durchsucht Handbücher, Wartungsprotokolle sowie Servicechats und liefert sekundenschnell eine Analyse, bezogen auf den Kontext der jeweiligen Arbeitssituation. Anschließend zeigt er, wie das Problem zu beheben ist. Im Falle von sehr komplexen oder nicht dokumentierten Sachverhalten hat das System die Möglichkeit, einen verfügbaren, erfahrenen Techniker direkt hinzuzuziehen. Wichtig dabei: Industrietaugliche KI-Copiloten schöpfen ihr Wissen ausschließlich aus Inhalten, die vom Unternehmen als relevant und richtig eingestuft sind. Zudem ist über Rollen geregelt, welche Mitarbeitenden Zugriff auf welchen Content erhalten.

Demografischer Wandel: Erfahrungswissen bewahren

Mit dem Ausscheiden der Boomer-Generation droht in vielen Betrieben ein wertvoller Erfahrungsschatz verloren zu gehen. Auch hier besteht die Chance, durch den rechtzeitigen Einsatz KI-gestützter Lösungen einiges abzufedern. So lassen sich etwa die Kenntnisse routinierter Fachkräfte kollaborativ erfassen und in Unternehmenscontent umwandeln. Werden bspw. erfahrene Mentoren per App um Rat gefragt, kann das System die Antworten zusammenfassen und speichern. Nach einem geregelten Freigabeprozess finden diese Informationen dann Platz in einer immerwährenden, kontextbezogenen Wissensdatenbank. Und mittels KI lassen sich daraus sogar weitere, interaktive Schulungsmodule generieren.

Aus Daten lernen

Strenge Vorschriften und häufige Änderungen im regulatorischen Umfeld prägen die Chemie- und Pharmaindustrie wie kaum eine andere Branche. KI-basierte Connected-Worker-Lösungen helfen hier, standardisierte Arbeitsabläufe nicht nur lückenlos einzuhalten, sondern die Compliance auch simultan zu dokumentieren. So stellen Unternehmen die konsequente Umsetzung regulatorischer Anforderungen sicher und protokollieren Arbeitsschritte nebst Messwerten gleichzeitig mit. Durch die Auswertung dieser Betriebsdaten lassen sich Zusammenhänge zwischen Schulungsmaßnahmen und Qualitätsverbesserungen aufspüren. Indem Unternehmen erkennen, was sich lohnt und was nicht, können sie planvoll und gezielt in Weiterbildungen investieren. Sie optimieren so stetig Qualität und Arbeitsschutz. Darüber hinaus fließen die Daten in die Einsatzplanung ein. Ein Beispiel aus der Praxis: Einige Zeit vor der Umstellung einer Anlage auf ein neues Produkt oder einen anderen Behältnistyp erkennt das System, dass es dafür an qualifizierten Mitarbeitenden fehlt. Will oder kann das Management nicht umdisponieren, besteht alternativ die Chance, rechtzeitig gezielte Schulungen einzuleiten – bevor Engpässe auftreten.

Fazit

KI-gestützte Connected-Worker-Plattformen ermöglichen es Industriebetrieben, neue Mitarbeiterpotenziale zu heben, ihre Belegschaft individuell zu fördern und effizient einzusetzen. Die Kombination aus Mensch und KI steht damit für mehr Flexibilität und Sicherheit. Zugleich schafft sie entscheidende Wettbewerbsvorteile: Indem jedes Teammitglied sein Bestes geben kann, stärken Unternehmen ihre personelle Zukunft in einer sich ständig wandelnden Branche.

Autor: Carsten Hunfeld, Director EMEA, Augmentir, Horsham, PA, USA

 

„Um wettbewerbsfähig zu bleiben, braucht die Prozessindustrie in Deutschland stetige Innovation.“

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Zur Person

Carsten Hunfeld ist Director EMEA der DACH-Region bei Augmentir. Hunfeld ist Experte für die Entwicklung und den Einsatz von KI-basierten Lösungen, mit denen Industrieunternehmen ihre Arbeitsprozesse verbessern, Mitarbeiter unterstützen sowie die Erfassung und Analyse von Unternehmensdaten optimieren. Vor seinem Start bei Augmentir war der Di­plominformatiker u.a. bei Unternehmen im Bereich Connected Work, Content Management und Business Process Management in leitenden Positionen beschäftigt, darunter EMC (Documentum), Hyland (Alfresco) und Oracle (Plumtree).

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