Materialwissenschaft trifft auf KI
Wie 3M künstliche Intelligenz und Digitalisierung für den Erfolg nutzt
Der Technologiekonzern 3M produziert mehr als 55.000 verschiedene Produkte auf der Basis von 49 Technologieplattformen und über 133.000 Patenten. Das Unternehmen mit Hauptsitz in St. Paul im US-Bundesstaat Minnesota betrachtet Innovation als Treiber unternehmerischen Handelns, bei der Produktentwicklung steht die Verantwortung für heutige und kommende Generationen im Vordergrund. Gleichzeitig werden die Kunden dabei unterstützt, ihre eigenen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Im Rahmen der CHEManager-Serie über Digitalisierungsstrategien namhafter Unternehmen sprach Stefan Guertzgen mit John Banovetz, Chief Technology Officer bei 3M, über die Rolle der digitalen Transformation bei der Umsetzung der Unternehmensziele.
CHEManager: Was bedeutet Digitalisierung für die zukünftige Strategie und Wettbewerbsfähigkeit Ihres Unternehmens?
John Banovetz: Die Digitalisierung ist ein wichtiger Aspekt der zukünftigen Strategie und Wettbewerbsfähigkeit von 3M – insbesondere KI. KI hilft unseren Mitarbeitenden, sich auf sinnvolle Arbeit zu konzentrieren, und hat das Potenzial, fast alle unsere Tätigkeiten zu beeinflussen. Wir werden die Art und Weise unserer Forschung und Entwicklung mit Tools wie generativer KI und digitalen Zwillingen weiterentwickeln, um die Modellierung und die Vorhersage der Materialleistung zu verbessern.
3M bedient ein umfangreiches Produkt- und Lösungsportfolio. Wo sehen Sie die größten Potenziale?
J. Banovetz: Bei 3M sehen wir erhebliches Potenzial in den Bereichen Fertigungsprozesse, Produktentwicklung, Marketing und Kundenservice. Ich bin voreingenommen, aber ich denke, dass Forschung & Entwicklung das größte Potenzial hat. Dabei sehen wir nicht nur in der Art und Weise, wie wir F&E betreiben, sondern auch in der Beschleunigung der Skalierung von der Klein- zur Großproduktion und der Verkürzung der Zeit vom Labor bis zur Fabrik großes Potenzial. Unsere F&E-Teams arbeiten auch daran, KI, maschinelles Lernen und Mustererkennung einzusetzen, um die Qualität zu verbessern und die Kosten zu senken. In der Produktentwicklung nutzen wir Modellierung und Simulationen für neue Materialien und Ergebnisvorhersagen in der Produktnutzung und -anwendung.
KI scheint ein wesentlicher Treiber Ihrer Innovationen zu sein. Gibt es weitere Technologien, die von besonderer Bedeutung sind – zum Beispiel Blockchain, VR/AR, IIoT oder Quantencomputing?
J. Banovetz: KI ist für 3M besonders relevant, aber alle der genannten Technologien sind wichtig. Wir nutzen KI und Modellierung schon seit Jahren und entwickeln nun weitere und bessere Tools, um Innovationen voranzutreiben und Ergebnisse zu verbessern. Zu unseren KI-Fähigkeiten gehören maschinelles Lernen, Computer Vision und Visual Attention Software. Wir verfügen auch über generative KI-Chatunterstützung für Aufgaben wie Zusammenfassungen, Dokumentenprüfung und Brainstorming, damit sich unsere Teams auf die kreativen Aufgaben der Innovation konzentrieren können. Wir entwickeln auch Produktlösungen, die AR/VR-Headsets dünner, komfortabler und leistungsfähiger machen können. Wir nutzen VR/AR auch für Sicherheitsschulungen, bei denen die Mitarbeitenden praktische Fertigkeiten in einer sicheren Umgebung üben können.
Wo steht Ihr Unternehmen in Bezug auf die Umsetzung der digitalen Strategie?
J. Banovetz: Wie die meisten Unternehmen stehen wir noch am Anfang unserer Reise und man kann immer mehr machen, wenn es um digitale Lösungen geht – aber wir machen Fortschritte und kommen schnell voran. Unsere Wissenschaftler haben PIMLAD entwickelt, was für Physics-Informed Machine Learning & Accelerated Design steht, einen KI-Algorithmus, der Physikmodellierung und maschinelles Lernen kombiniert. Dieser Algorithmus zeigt das Potenzial der generativen KI auf und kann oft nicht-intuitive Ideen für das Design neuer Produkte vorgeben. Durch die Nutzung von PIMLAD und anderen KI-Fortschritten können die Wissenschaftler von 3M wochenlange Arbeit in Sekundenschnelle erledigen, die Entwicklung neuer Produkte beschleunigen und innovative, differenzierte Lösungen entwickeln. In Zusammenarbeit mit unseren Kunden führen wir einen Hub für Materialdatenkarten ein, der es den Kunden ermöglicht, 3M-Materialien in ihren Systemen digital zu bewerten und zu verstehen. So können sie ihren Produktzyklus beschleunigen.
Was sind für Sie wesentliche Erfolgsfaktoren um den Erfolg Ihrer Digitalisierungsstrategie zu gewährleisten?
J. Banovetz: Ein überzeugender Business Case ist unerlässlich, um sicherzustellen, dass KI effektiv eingesetzt wird und sich die Investition für alle Anwendungsfälle lohnt. Zu den wichtigsten Bereichen gehören die Produktivität der Mitarbeitenden und die Beschleunigung von Problemlösungen. Es ist entscheidend, das Bewusstsein, das Verständnis und den Zugang zu KI für alle Mitarbeitenden zu verbessern, damit die Tools effektiv eingesetzt und bei der Arbeit genutzt werden können. Daher sind Schulungen unerlässlich. Sie helfen den Mitarbeitenden, die Vorteile und Grenzen der digitalen Tools zu verstehen und zu lernen, wie sie KI und digitale Tools effektiv und effizient nutzen können. Es muss sichergestellt werden, dass jeder sicher und angemessen mit KI umgehen kann.
In welcher Rolle sehen Sie Ihr Unternehmen in Zukunft?
J. Banovetz: 3M wird weiterhin das weltweit führende Unternehmen in der Materialwissenschaft sein. Wir werden in der vordersten Reihe der Innovation mit unseren Kunden stehen und eines der innovativsten Industrieunternehmen weltweit sein. Wir werden uns darauf konzentrieren, unsere Kunden bei der Lösung dringender und komplexer Herausforderungen in wachstumsstarken Märkten wie der E-Mobilität, der Arbeitssicherheit, der Klimatechnik, der Unterhaltungselektronik, der Heimwerkertechnik, der Industrieautomation, der Halbleitertechnik und der Rechenzentren zu unterstützen. In drei bis fünf Jahren werden wir die Art und Weise, wie wir Forschung und Entwicklung betreiben, wie wir Produkte entwickeln und Kundenprobleme lösen, weiterentwickelt haben und KI nutzen, um Innovationen voranzutreiben und die Produktivität zu steigern.
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Zur Person
John Banovetz ist Chief Technology Officer (CTO) von 3M. In dieser Funktion leitet er u. a. die Forschungs- und Entwicklungsarbeit und Investitionen in aufstrebende Wachstumsunternehmen. Banovetz hat einen Doktortitel in anorganischer Chemie von der Stanford University und begann seine Karriere 1995 in der F&E-Abteilung von 3M. Nach vier Jahren bei McKinsey leitete er ab 2007 wieder bei 3M den Bereich Strategie. Anschließend übernahm er als Global Business Director die Verantwortung für den Geschäftsbereich Industrieklebstoffe und Klebebänder, leitete das Corporate Research Lab und wurde Geschäftsführer der DACH-Region. 2017 wurde er zum CTO und Senior Vice President für Forschung & Entwicklung ernannt und übernahm anschließend zusätzlich die Verantwortung für den Umweltschutz.
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