Afrika - Chemiemarkt mit Zukunft
Die über 50 Länder des Kontinents bieten Chancen für Investoren mit langem Atem
Die Vielfalt und Dynamik des afrikanischen Kontinents ist enorm. Von den Nationen des „Arabischen Frühlings" über Zentralafrika bis zu rohstoffreichen Ländern im südlichen Afrika. In allen Teilen des Kontinents finden sich wachstumsstarke Staaten. Einer neuen Mittelschicht eröffnen sich neue Konsummöglichkeiten, ein Bürgertum vernetzt sich global und drängt auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Erste Unternehmen der deutschen Chemie entwickeln derzeit Afrika-Strategien, entdecken Afrika als Markt und Investitionsstandort. Dr. Andrea Gruß befragte dazu Dr. Henrik Meincke, Chefvolkswirt beim Verband der Chemischen Industrie.
CHEManager: Noch zur Jahrtausendwende bezeichneten führende US-Wirtschaftsmedien Afrika als „hopeless continent". Was hat sich seitdem verändert?
Dr. Henrik Meincke: Die Wahrnehmung Afrikas hat sich stark gewandelt. Zwar gibt es in der Region immer noch zum Teil große Probleme, es werden nun aber auch die Chancen gesehen, die der Kontinent bietet. In den letzten 10-15 Jahren ist in vielen Staaten einiges passiert. Allerdings muss man hier differenzieren. Es gibt in Afrika über 50 Ländern, die man nicht alle über einen Kamm scheren kann.
Wie groß die Unterschiede zwischen den einzelnen Nationen sind, wird deutlich, wenn man einen Blick auf den „Ease of Doing Business"-Index der Weltbank wirft. Länder wie beispielsweise Süd-Afrika und Mauritius sind unter den top 40 der Welt. Dabei liegt Mauritius nur knapp hinter Deutschland. Im Mittelfeld finden sich zahlreiche Staaten auf Augenhöhe mit den BRIC-Staaten oder vielen europäischen Ländern.
Wo Licht ist, ist aber auch Schatten. Gerade im unteren Viertel des Rankings findet man viele Länder Afrikas. Die Republik Kongo, die zentralafrikanische Republik und der Tschad landen dabei auf den letzten Plätzen von insgesamt 183 Staaten.
Insgesamt muss man aber feststellen, dass viele Länder Strukturreformen in Angriff genommen haben. Dies sieht man auch an den Wachstumsraten des Bruttoinlandsproduktes. Hier gehört Afrika mit einer Wachstumsrate von 5 % im Jahr 2012 zu den wachstumsstärksten Regionen. Nur Indien und China verzeichneten im vergangenen Jahr eine höhere Dynamik.
Geben Sie uns ein Bild der afrikanischen Chemieindustrie. Wie ist sie strukturiert?
Dr. Henrik Meincke: Der afrikanische Kontinent spielt mit einem Anteil von rund 1,5 % am globalen Chemieverbrauch bislang nur eine untergeordnete Rolle. Der Verbrauch von chemischen Produkten belief sich im Jahr 2011 auf rund 55 Mrd. €. Damit ist der Chemiemarkt Afrika in etwa so groß wie Großbritannien oder Mexiko. Doch die Wachstumsraten sind zweistellig.
Auch die Produktion wächst dynamisch. Aufgrund seiner Rohstoffvorkommen produziert Afrikas Chemieindustrie hauptsächlich Grundstoffe. Der Anteil der Basischemie liegt bei rund 50 %. Rund ein Drittel des Umsatzes entfallen dabei auf Anorganika. In den letzten fünf Jahren konnten die Petrochemikalien ihren Umsatzanteil - auch aufgrund gestiegener Preise - weiter ausbauen. Der Anteil der Fein- und Spezialchemikalien ging dagegen zurück, wenngleich diese Sparte ebenfalls kräftig gewachsen ist.
Als Exportmarkt spielt Afrika für die deutsche Chemie eine noch untergeordnete Rolle Die deutsche Chemieindustrie exportierte 2011 Chemikalien im Wert von 2,6 Mrd. € in die Region. Dies waren rund 1,8 % der deutschen Chemieexporte. Trotzdem gewinnt Afrika als Exportmarkt zunehmend an Bedeutung. In den letzten fünf Jahren stiegen die deutschen Exporte nach Afrika um durchschnittlich 10 % pro Jahr.
Welche Chancen bietet Afrika als Markt für die Chemieindustrie?
Dr. Henrik Meincke: Der Kontinent bietet große Chancen für die Chemieindustrie. Die Urbanisierung schreitet schnell voran. Die in vielen Teilen immer noch mangelhafte Infrastruktur wird sukzessive ausgebaut. Auch die industrielle Nachfrage nach Chemikalien steigt kräftig, denn die Industrieproduktion wächst vielerorts dynamisch. Beispielsweise hat die Bergbauindustrie großes Wachstumspotential bewiesen. Auch die Herstellung von Konsumgütern nimmt mehr und mehr zu. All dies erhöht die Nachfrage nach Chemikalien.
Gleichzeitig wird die Mittelschicht größer. Die Pro-Kopf-Einkommen steigen in Ländern wie Nigeria, Kenia und Süd-Afrika sogar schneller als in Deutschland oder den USA. Dies eröffnet neue Konsummöglichkeiten, von denen auch indirekt die Nachfrage nach Chemikalien profitiert.
Auch stehen in einigen Ländern Afrikas motivierte und qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung. Wenn die bestehenden Probleme sukzessive angegangen werden, wird es für Unternehmen zunehmend interessanter Niederlassungen vor Ort zu eröffnen.
Wo liegen die Risiken bei Investments in Afrika?
Dr. Henrik Meincke: In einigen Staaten ist die politische Instabilität sehr hoch. Dies kann ein Risiko für Investitionen darstellen. Auch ist das Demokratieverständnis nicht überall so ausgeprägt wie dies in Europa der Fall ist. Hieraus können ebenfalls Konflikte entstehen.
Zusätzlich ist die Gefahr in die Korruptionsfalle zu geraten sicherlich sehr groß. Im „Corruption Perceptions Index" von Transparency International belegen viele afrikanische Staaten die hintersten Plätze.
Korruption muss aber nicht immer offensichtlich sein. Die Grenzen sind dabei fließend. Der kleine Gefallen kann schon ausreichen, um die Falle zuschnappen zu lassen. Die Konsequenzen sind in vielen Fällen gravierend - wenngleich nicht immer sofort sichtbar. Viele Unternehmen implementieren deshalb Programme, um Korruption von Anfang an zu unterbinden.
Für welche Segmente der afrikanischen Chemie sehen Sie künftig das größte Potential?
Dr. Henrik Meincke: An erster Stelle ist sicherlich der Markt für Agrochemikalien zu nennen. Aktuell liegt das geschätzte Marktvolumen für Pflanzenschutz und Saatgut in Afrika bei rund 2,5 Mrd. €. Dabei repräsentieren die top 10 rund 70 % des Marktes.
In der Zukunft wird die Bedeutung dieses Sektors aber noch zunehmen. Über 40 % des weltweit ungenutzten Ackerlands befindet sich in Afrika. Der Kontinent kann somit dazu beitragen die Welternährung zu sichern. Hieraus ergeben sich auch für die Chemie signifikante Wachstumsmöglichkeiten.
Potentiale bietet aber auch der Pharmamarkt. Aktuell reicht die lokale Produktion nicht aus, um den hohen Bedarf nach Medikamenten zu befriedigen. Mit zunehmender politischer Stabilität wird es sicherlich interessanter die lokale Produktion auszubauen, um am Wachstum des Arzneimittelmarktes noch stärker zu partizipieren.
Nutzen Ihrer Meinung nach deutsche Chemieunternehmen ihre Chancen in dieser Region?
Dr. Henrik Meincke: Die deutsche Chemieindustrie ist in Afrika erfolgreich. Neben dynamisch steigenden Exporten sind die Unternehmen vor Ort aktiv und planen, ihre Aktivitäten noch weiter auszudehnen. Deutsche Unternehmen betreiben aktuell über 50 Tochtergesellschaften in Afrika. Dabei erwirtschafteten sie einen Umsatz von rund 2,7 Mrd. € und beschäftigten 11.000 Mitarbeiter.
Das Interesse der Branche an der Region wächst. Dies zeigt u.a. unser gut besuchter Workshop zu Afrika, der im April beim VCI stattgefunden hat. In der Diskussion zeigte sich aber, dass Afrika kein Markt des schnellen Erfolges ist. Unternehmen brauchen einen langen Atem, wenn sie in diesem komplexen Markt Erfolg haben möchten. Dass dies funktioniert, zeigt das Engagement der Chemieindustrie - nicht nur der deutschen.▪
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