Abbott: Wissenschaftliche Innovationen
12.10.2011 -
Wissenschaftliche Innovationen. Abbott hat im Oktober 2008 ein neues Entwicklungslabor und ein Technikum eröffnet. Dort sollen zukunftsweisende Technologien erforscht und die Produktion neu entwickelter Arzneimittelformulierungen im großen Maßstab getestet werden. Dieser Ausbau ist Teil von Soliqs, der weltweit tätigen Drug Delivery Einheit des Unternehmens. Der Tätigkeitsschwerpunkt dieser Einheit liegt auf der Verbesserung der oralen Bioverfügbarkeit von schwer löslichen Substanzen und der Entwicklung von Arzneiformen mit maßgeschneiderter Wirkstofffreisetzung.
Soliqs hat seinen Sitz in Ludwigshafen und arbeitet auch für Drittkunden. In der Anlage sollen neue Verfahren analysiert werden als Ergänzung der bereits etablierten patentgeschützten Technologien, die sich mit der Löslichkeit komplexer pharmazeutischer Substanzen befassen. Die Notwendigkeit dafür erlklärt Dr. Jörg Breitenbach, Senior Director of Drug Product Development und Leiter von Soliqs: „Fast 40 % aller pharmazeutischen Substanzen erreichen nie die klinische Phase, da sie vom menschlichen Körper nicht aufgenommen werden können. Der Ausbau von Soliqs ergänzt das Know-how von Abbott im Bereich der Wirkstofffreisetzung und wird der steigenden Nachfrage nach innovativen patientenorientierten Formulierungen gerecht.“
Die Melt-Extrusion-Technologie
Als Beispiel konnte Abbott mithilfe der sog. Melt-Extrusion-Technologie (Meltrex) eine neue Tablettenformulierung seines führenden HIV-Medikaments entwickeln. Die Technologie beruht auf einem ca. 80 Jahre alten thermoplastischen Verfahren, das auch heute noch vorwiegend zur Herstellung von Kunststoff- oder Gummiteilen eingesetzt wird. Für die Arzneimittelherstellung ist das Verfahren allerdings relativ neu und dient der Entwicklung und Herstellung von Formulierungen von löslichen und schwerlöslichen Wirkstoffen mit maßgeschneiderten Freisetzungsprofilen und verbesserter Bioverfügbarkeit.
Die wesentliche Herausforderung bestand zu Beginn darin, Polymere, zu finden, die mehrere Eigenschaften erfüllen mussten: Beim Herstellungsprozess sollten sie rasch und bei nicht allzu hohen Temperaturen elastisch verformbar sein, damit die zugesetzten Wirkstoffe durch die Hitze nicht zerstört werden. Für die Lagerung musste die Formulierung wiederum physikalisch so stabil sein, dass der Wirkstoff auch bei Raumtemperatur nicht auskristallisiert.
Die Wirkstoffe werden bei der Herstellung zunächst zusammen mit dem Polymer sehr fein gemischt. Das Mischgut wird anschließend kontinuierlich in den sog. Extruder gefüllt und durch ein Schneckengewinde langsam befördert. Dabei werden die Substanzen weiter vermischt und moderat erwärmt, sodass das Polymer elastisch verformbar wird und sich die Wirkstoffpartikel in der Polymermatrix verteilen können. Diese Verteilung ist so fein, dass der Wirkstoff in dem fest werdenden Polymer gelöst vorliegen kann. Nach dem Abkühlen kann das Produkt beispielsweise in Tablettenform gepresst werden. Zurzeit gibt es nur wenige Produkte, die mit diesem Verfahren hergestellt werden. Ein Beispiel ist das Abbott- HIV-Medikament Lopinavir/Ritonavir. Es handelt sich um den ersten Proteasehemmer mit einer Wirkstoffkombination, der nicht kühl gelagert und nicht zu den Mahlzeiten eingenommen werden muss – zwei entscheidende Vorteile für die Bereitstellung von HIV-Medikamenten, insbesondere in Entwicklungsländern, in denen die Krankheit am verbreitetsten ist. Die Tablettenformulierung bietet darüber hinaus den Vorteil einer einfacheren Dosierung aufgrund der geringeren Tablettenzahl (die gesamte Tagesdosis beträgt vier Tabletten, anstelle von sechs Weichgelatinekapseln).
Forschungspipeline erweitert
Seit 2001 hat Abbott mehr als 100 Mio. € in die Forschung und Entwicklung am Standort Ludwigshafen investiert. Zusammen mit dem Formulation Development Center, das vor einigen Monaten am Hauptsitz in Lake County, USA, eröffnet wurde, ist der Ausbau von Soliqs Bestandteil einer Reihe von umfangreichen Investitionen in Einrichtungen und Ressourcen, mit dem Ziel, die Forschungspipeline von Abbott zu erweitern. Durch den Ausbau wurden 30 neue Arbeitsplätze geschaffen.