Neues aus dem VAA
Wertewandel beim Führungskräftenachwuchs
Bei der Arbeitgeberwahl orientiert sich der Führungskräftenachwuchs vor allem an weichen Faktoren: An vorderster Stelle steht die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Karriere. Das ist eines der zentralen Ergebnisse der vom VAA initiierten Studie zum Employee Branding und zugleich der Hauptpunkt der erstmaligen Präsentation der Studie gegenüber der Öffentlichkeit am 30. März.
In Potsdam diskutierten Personalleiter von zahlreichen Firmen der chemischen Industrie in Ostdeutschland auf Einladung des Brandenburger Arbeitsministeriums mit Staatssekretär Prof. Dr. Wolfgang Schröder und Dr. Thomas Fischer, 1. Vorsitzender des VAA, über die Schlussfolgerungen, die Politik und Wirtschaft aus der Befragung von über 600 Studenten und Absolventen ziehen können.
Schwindende Bereitschaft zur Mobilität
Das Potenzial der erwerbstätigen Personen werde in Brandenburg nach aktuellen Prognosen im Zeitraum bis zum Jahr 2030 um rund 30 % schrumpfen, verdeutlichte Schröder die Dramatik des demografischen Wandels auf dem Arbeitsmarkt. Es gelte daher, den regionalen Arbeitsmarkt zu stärken. Die Unternehmen stünden vor gewaltigen Herausforderungen. Allein könnten sie allerdings „an der Nahtstelle des Zyklus des Personalüberflusses zum Zyklus des Personalmangels" nicht bestehen.
Es bedürfe einer Reform der Unternehmensstrukturen, der öffentlichen Infrastruktur von Kinderbetreuungseinrichtungen, Bildungsangeboten und des Gesundheitswesens und einer neuen Kooperationsstruktur zwischen Unternehmen und Politik, fasste Schröder zusammen. Dabei betonte er, dass das erkennbare Bedürfnis nach dem unbefristeten Normalarbeitsverhältnis als Voraussetzung der Innovationsfähigkeit unbedingt ernst genommen werden müsse. Für nicht unbedenklich hält er in einer modernen, offenen Gesellschaft die erkennbare schwindende Bereitschaft zur Mobilität. „Das können auch Anzeichen einer saturierten Gesellschaft sein", so Schröder.
Familie wichtiger als Statussymbole
In Beiträgen der Personalleiter wurde deutlich: Selbst bei gegebener Umzugsbereitschaft der gesuchten Führungskräfte können diese immer öfter dennoch nicht angestellt werden, weil der ebenfalls berufstätige Partner vor allem in strukturschwächeren Gebieten keine adäquate Stelle findet. Der VAA-Vorsitzende Dr. Thomas Fischer fasste seine Schlussfolgerungen zusammen:
„Es hat ein Wertewandel stattgefunden, da hat sich etwas gedreht." Er gehöre zur Generation der Babyboomer, für die der Dienstwagen noch ein wichtiges Statussymbol und Incentive war. Heute stünden dagegen die Betreuungsangebote für Kinder im Vordergrund. Bettina Wiener und Christina Buchwald vom Zentrum für Sozialforschung Halle bestärkten als Autorinnen der Studie: „Uns hat es sehr überrascht, wie eindeutig sich das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch die gesamte Studie hinweg als ganz zentral herausgestellt hat. Selbst junge Studenten und Studentinnen, die weder Kinder haben noch in nächster Zeit bekommen, messen diesem Thema die größte Bedeutung bei."
Die Sozialwissenschaftlerinnen machten im Zusammenhang mit der Vereinbarkeit des Berufs mit dem Privatleben auf weitere Aspekte aufmerksam. Kinderbetreuungsangebote in Randbereichen seien unzureichend. Gerade wenn man an die in der Chemie verbreiteten vollkontinuierlichen Schichten denke. Außerdem würde infolge der kurzen Generationenfolge als ostdeutsches Spezifikum auch die Enkelgeneration in wachsendem Maße Pflegeverantwortung übernehmen. Das dürfe man als wachsendes Problem nicht unterschätzen. Eindringlich mahnte Wiener:
„Wir dürfen das Thema von Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht zerreden, sondern müssen es ermöglichen." Dazu forderte sie insbesondere mit Blick auf die Männer auf, die zusehends in die Familienrolle hineinwollten. Als weiteres Ergebnis zeigte sich, dass die überwiegende Mehrzahl der Absolventen entweder in ihrem Heimatbundesland oder im Umkreis des Studienstandorts ihre erste Beschäftigung sucht und aufnimmt. Deshalb sei es wichtig, bereits frühzeitig die Studenten für ein Unternehmen zu gewinnen. Dieser Befund deckte sich mit Trendbeobachtungen der Personalleiter.