Nachgedacht
Neue Materialien – Treiber für Innovation und Wachstum
Wenn wir uns heute mit neuen Materialien beschäftigen, dann geht es nicht allein um die Synthese traditioneller Stoffe. Es geht auch um die Verschmelzung traditioneller Forschungs- und Anwendungsgebiete. Das Thema „Neue Materialien" ist bei Lichte betrachtet gar nicht so neu. Die Substitution und Kombination von Materialien ist Teil der menschlichen Entwicklungsgeschichte. Uns Menschen ging es schon immer um Alternativen zum Bekannten:
Dem Werkstoff Holz wurden Metalle und Kunststoffe zur Seite gestellt.
Der gebrannte Ziegel wurde um Mörtel, Zement und Stahlbeton ergänzt.
Aus natürlichem Kautschuk wurde Gummi und im weiteren Verlauf der Forschung und Entwicklung entstanden dann synthetisches Latex, Neopren und Silikon.
Die Reihe der Prozessketten von alten zu neuen Materialien ist schon ziemlich lang. Und sie wird täglich länger. Stets geht es dabei um die Verbesserung von Aufwand und Nutzen, Leistung, Gewicht und Volumen, Nachhaltigkeit und Preis.
Und im Rückblick auf unsere Industrialisierung erkennen wir: Die Entwicklung verläuft von der Primitiv- zur Schwer- und weiter zur Leichtindustrie. Aus singulären Techniken werden komplexe Technologien.
So wird die Elektromobilität nur dann Realität, wenn nicht nur die Leistung der Batterien signifikant gesteigert, sondern auch alle Werkstoffe für den Fahrzeugbau deutlich leichter werden.
Ich bin von Folgendem fest überzeugt:
Nach der ersten und zweiten industriellen Revolution sowie der Digitalisierung und Globalisierung erleben wir jetzt eine neue Dimension an Fortschritt: Die Strukturrevolution von Materialien und Produkten. Hierfür gibt es meines Erachtens noch mindestens drei triftige Gründe:
Ein erster Grund besteht darin, dass Politik, Wissenschaft und Industrie eine Konstellation bilden, deren Zusammenspiel man mit „pull", „push" und „put in action" bezeichnen kann:
- Pull: Die Politik fordert technologische Veränderungen, indem sie straffe Vorgaben setzt, z.B. für die Energiebilanz eines Produktes über alle Produktionsstufen und Gebrauchszyklen hinweg.
- Push: Die Wissenschaft fördert bahnbrechende Innovationen zutage, indem sie zunehmend interdisziplinär arbeitet. So werden aus eindimensionalen Fortschritten mehrdimensionale Fort-Sprünge.
- Put in Action: Die Industrie setzt die Vorgaben der Politik und die Vorschläge der Forschung zügig und produktiv um. Nicht zuletzt, weil die Dynamik des internationalen Wettbewerbs sie dazu treibt.
Ein zweiter Grund für den spürbaren Fortschritt in der Materialwirtschaft besteht darin, dass Wissenschaft und Wirtschaft immer besser zueinander finden und immer enger kooperieren. Das Sensorium der Wissenschaft ist industrieller geworden - und das der Industrie wissenschaftlicher.
Vom Elfenbeinturm der Wissenschaft kann jedenfalls schon lange keine Rede mehr sein. Jeder weiß, dass „Wissen schafft" - und zwar Optionen und Chancen für unsere Wirtschaft und Gesellschaft.
Damit bin ich beim dritten Grund, der den Fortschritt von Materialien und Produkten geradezu erzwingt. Unser Globus ist mit immer mehr Menschen an Bord ja keinesfalls ein Hort des materiellen Überflusses, sondern eher ein Ort des materiellen Mangels. Diesem Mangel können wir nur mit intelligentem Wachstum begegnen. Also nicht mit einer überholten Tonnenideologie, sondern mit einer nachhaltigen Effizienzstrategie.