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Mit Produkten Emotionen wecken

Bei der Markenpositionierung können andere Industriebranchen als Vorbilder dienen

08.02.2010 -

Defizite, die in guten Zeiten nicht weiter ins Gewicht fallen, können sich in schlechten Zeiten zu einer Achillesferse entwickeln. Auch vielen Unternehmen der chemischen Industrie geht es derzeit so. Strukturelle Schwachpunkte der Branche wie eine zunehmende Kommoditisierung in vielen Segmenten oder auch eine stark abnehmende Kundenloyalität wirken jetzt in der Krise als Beschleunigungsgeber für einen Margendruck und einen Preiskampf, wie ihn die Unternehmen bislang selten erlebt haben.

Natürlich sind gerade jetzt das Marketing und der Vertrieb gefordert. Es gilt, Marktanteile zu sichern und das Preisniveau zu halten; und dazu ist vor allem eine erfolgreiche Platzierung des Produktprogramms im Markt gefragt. Doch dies ist gerade in der chemischen Industrie einfacher gesagt als getan, denn diese Unternehmen verfügen in der Regel über komplexe Produkt- und Kundenportfolios in einem oftmals technisch geprägten Umfeld.
Theoretisch ist klar, was zu tun ist: Benötigt wird eine, auf den Gesamtauftritt des Unternehmens abgestimmte, differenzierte Markenpositionierung, gestützt durch eine stringente, zielgerichtete Kommunikation. Ziel muss es sein, eine positive emotionale Bindung an das Produkt zu erzeugen, was eben gerade dann besonders wichtig ist, wenn über die technischen Produkteigenschaften keine echte Differenzierung möglich ist. All dies sind Kernaufgaben des strategischen Marketings - und zwar nicht nur in wirtschaftlich schwierigen Zeiten.

Nachholbedarf beim strategischen Produktmarketing

Doch bislang hat diese Disziplin in der Chemieindustrie noch nicht den Stellenwert wie beispielsweise in der Pharma- oder der Konsumgüterindustrie. Dort werden seit Jahrzehnten bis zu 45% des Umsatzes für die Vermarktung der Produkte ausgegeben. In der Chemie hingegen sind es zumeist nur zwischen 5 und 10%.
Sicherlich, hier dominiert das B2B-Geschäft mit einer überschaubaren Anzahl an Kundenbeziehungen. Allein dies ist aber kein Grund dafür, warum man in der Chemieindustrie weniger auf ausgeprägte Produktmarken, sondern vielfach auf profilschwache Produkte mit alphanumerischer Bezeichnung trifft. Auch die hohe Wertigkeit der produktbegleitenden Dienstleistungen wird oftmals nicht überzeugend kommuniziert. Deutlich intensiver - auch vom finanziellen Aufwand her - sind hingegen die Bemühungen um eine aufmerksamkeitsstarke Positionierung der Unternehmensmarke.
Doch allein eine simple Budgetanhebung auch für das Produktmarketing wäre - gerade in Zeiten wie diesen - nicht zielführend. Vielmehr lohnt ein Blick auf die gleichermaßen erfolgreichen wie effizienten Marketingansätze anderer Branchen wie etwa der Pharmaindustrie. Das Beispiel Aspirin zeigt, wie ein Produkt ohne funktionale Differenzierung so positioniert werden kann, dass es, trotz eines erheblichen Preisnachteils, einen hohen Marktanteil erzielen und halten kann. Überdies gelingt es sogar, die Marke zu dehnen und noch weitere Produkte erfolgreich in die Aspirin-Familie zu integrieren (Aspirin Complex, Aspirin Cardio etc.).

Das Spielfeld abstecken

Ein systematischer Prozess zur Entwicklung der Markenpositionierung verläuft in den drei Phasen „Spielfeld abstecken", „Konzept entwickeln" und nicht zuletzt „erfolgreich und flexibel in der Umsetzung agieren".
Beim „Abstecken des Spielfeldes" gilt es, den Gesamtmarkt detailliert zu analysieren, um die Größe, Segmente, Marktanteile, Dynamik und Potenziale zu verstehen und dabei auch die Positionierung möglicher Wettbewerber einzuordnen. Zudem müssen potenzielle Kunden identifiziert und ihre typischen Verhaltensmuster charakterisiert werden.
Damit ist der Grundstein gelegt für eine Segmentierung, in der Kunden mit ähnlichem Verhalten zusammengefasst werden. Über ein solches Vorgehen, welches auf der Grundlage von Daten aus der primären und sekundären Marktforschung erfolgen kann, werden erste Potenziale zur Umsatz- und Margensteigerung sichtbar. Aber welche dieser Marktsegmente sind für das Unternehmen besonders lohnend?
Um diese Frage zu beantworten, werden die Marktsegmente anhand von quantitativen Kriterien, wie zum Beispiel Größe und Wachstum, bewertet. Daneben entscheiden jedoch auch qualitative Aussagen zum Wettbewerbsumfeld, zur eigenen Markenstärke und zu möglichen Markteintrittsbarrieren über die Auswahl der künftigen Zielsegmente. Danach werden die Zielkunden - oder vielmehr deren Verhalten - genau beschrieben. Was beeinflusst ihre Kaufentscheidung positiv, was negativ? Mit diesen Erkenntnissen ist der Marketeer gewappnet für die zweite Phase - nämlich die der Entwicklung des Positionierungskonzeptes.

Produkte emotional aufladen

Dass der Mensch sich emotionale Botschaften besser merkt als technische, ist allgemein bekannt und gilt für alle Branchen. So erinnert sich zum Beispiel fast jeder noch an das „Grüne Band der Sympathie", nicht aber an den Finanzierungszinssatz, der von der Dresdner Bank damit beworben wurde. Somit stellt sich die Frage, wie aus rein technischen Produkteigenschaften relevante und emotional behaftete Produktvorteile abgeleitet werden können. Der Ansatz der Nutzenhierarchiebildung (Brand Benefit Ladder) ist hier hilfreich (siehe Abb. 1).
Die wichtigste Herausforderung besteht darin, aus den technischen Produktattributen funktionale Vorteile für den Kunden abzuleiten und diese auch emotional fühlbar zu machen. Die Kernfrage lautet: „Was hat der Kunde davon?" Hierzu ein Beispiel: Ein nanopartikuläres Additiv in technischen Kunststoffen führt dazu, dass sich die Fließfähigkeit der Kunststoffschmelze erhöht. Dies erlaubt dem Automobilzulieferer eine Verarbeitung bei geringeren Temperaturen. Dadurch können Energie gespart und Ressourcen geschont werden. Der daraus abgeleitete emotionale Vorteil des Kunden könnte lauten: „Verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen". Dieses Vorgehen wird für alle relevanten Produkteigenschaften wiederholt, bis eine ausreichende Zahl an funktionalen und emotionalen Vorteilen herausgearbeitet ist.
Hierbei gilt es, auch den Wettbewerb im Auge zu behalten. Das heißt, auch für die Produkte der Konkurrenz wird eine Brand Benefit Ladder entwickelt. Durch Abgleich der eigenen mit den funktionalen und emotionalen Vorteilen der Wettbewerber wird schnell klar, mit welcher Positionierung das eigene Produkt eine Alleinstellung in den Zielsegmenten beanspruchen kann.
Die Positionierung des Produktes kann dann in eine Reihe von Kernbotschaften übersetzt werden, welche die Positionierung stützen. Diese Botschaften bilden die inhaltliche Grundlage der globalen Markenkommunikation.

Flexibel und effizient reagieren

In der dritten Phase folgt die Aktivierung der Markenpositionierung im Markt. Dazu werden - unter Berücksichtigung der Marketing Spend Effectiveness - Maßnahmen entwickelt, die dann teils global, überwiegend aber lokal ausgeführt werden. Das Erfolgsmonitoring spielt hierbei eine wesentliche Rolle, denn in einem dynamischen Umfeld kann sich die Effektivität der Kommunikationskanäle schnell ändern. So hat beispielsweise die Automobilindustrie ihr Werbebudget seit der Krise im TV-Bereich stark heruntergefahren, während gleichzeitig die Budgets für Radiowerbung weit mehr als verdoppelt wurden.

Fazit

Eine aus der potenzialorientierten Auswahl des Zielmarktes emotional aufgeladene Markenkommunikation erhöht die Kundenbindung und erlaubt Preisvorteile auch ohne objektiven Produktvorteil gegenüber dem Wettbewerb. Speziell in einem wettbewerbsintensiven Umfeld können dadurch Umsatz und Profitabilität erhöht werden. Dies erfordert eine systematische Entwicklung und Pflege der Positionierung. Dafür werden neben einem entsprechenden Budget vor allem auch Marketeers benötigt, die über das entsprechende Know-how verfügen und die zugleich den notwendigen Freiraum bei der Umsetzung erhalten. Gelingt es dann noch, die Maßnahmen über die Marketing Spend Effectiveness zu steuern, steht einem nachhaltigen Erfolg der Marke nichts mehr im Wege.