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Startphase entscheidet über Projekterfolg

Jedes dritte Projekt scheitert an Managementfehlern, Experten identifizieren „Top-Projektkiller“

30.06.2010 -

Drei von vier Top-Managern stimmen Lobeshymnen auf ihre Projektteams an. Die Teams stehen in fabelhaftem Ruf; sie lösen Probleme, arbeiten selbständig und fühlen sich ihren Zielen verpflichtet. Doch räumen die Entscheider auch ein: Viele Projekte scheitern. Nach Schätzung von Insidern bleibt mindestens jedes dritte Projekt hinter den Erwartungen zurück. „Unzureichendes Projektmanagement" nennt jeder zweite Top-Manager als Ursache für diese Malaise, wie eine zu Jahresbeginn vorgestellte Studie des Instituts für Beschäftigung und Employability (IBE) ergeben hat.

Das hochgelobte Projektmanagement scheint auf den ersten Blick störanfällig wie kaum eine andere Managementdisziplin. Fachleute jedoch führen Projektpannen zumeist auf methodische Fehler zurück - auf mitunter unglaubliche Nachlässigkeiten beim Planen und Steuern von Projekten. „Viele Teams haben sich in der Vergangenheit mit Improvisation durch ihre Projekte mogeln können", weiß Professor Heinz Schelle (Universität der Bundeswehr, München). Dieses hemdsärmelige „Management-by-Durchwursteln" funktioniert heute nicht mehr. Zwischenzeitlich sind die Vorhaben größer und komplexer geworden. Bereits geringfügige Methodikfehler verteuern Projekte oder werfen sie im Zeitplan zurück. „Ohne hochprofessionelles Projektmanagement kommt man nicht mehr aus", mahnt der süddeutsche Experte. Zumal die Wirtschaft immer mehr Projekte durchführt: Allein für die kommenden zwei Jahre steigt laut IBE-Studie die Projektarbeit in der Wirtschaft von derzeit 37 auf 45%. Diese Erwartung entspricht einem Wachstum um über 20%.

Drei wesentliche „Projektkiller" machen die Vorteile der Projektarbeit häufig wieder zunichte. Auf Platz eins der Pannenstatistik steht schlechte Kommunikation, auf Platz zwei folgen Probleme, die sich aus unklaren Anforderungen und Zielen ergeben. An dritter Stelle der Statistik stehen Konflikte mit der Umgebung des Projektteams. Das Schlusslicht auf der Liste: Zu hohe technische Hürden bringen die allerwenigsten Projekte um den Erfolg („Projektmanagement Studie 2008" der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V. und PA Consulting).

Projektkiller Nr. 1 - Informationen fließen nicht

In Projekten müssen Informationen über den Stand der Arbeiten, über Hemmnisse oder zu Entscheidungen schnell fließen. Projekt-Profis erstellen deshalb präzise Kommunikationspläne - mit ähnlicher Akribie, mit der sie auch Termine vorausberechnen oder ihr Budget kalkulieren. Diese Kommunikationspläne verzeichnen alle Informationspartner, auch Personen außerhalb des Projektteams. Festgelegt wird beispielsweise, wer wann wen über Zwischenergebnisse aus laufenden Arbeiten informiert. Wem welche Einladungen zu welchen Meetings zugehen. Oder wie das Top-Management und andere „Interessengruppen" über Projektfortschritte in Kenntnis gesetzt werden.

„Bei der Entwicklung unseres Kommunikationsplans haben wir strikt darauf geachtet, dass Fragen und Probleme schnellstmöglich in die Gremien gebracht werden können, in denen über sie entschieden werden kann", erklärt Projekt-Profi Claudius Schweickert, der den Bau des 2008 eröffneten DHL-Frachtknotenpunkts am Leipziger Flughafen geleitet hat. Wolfram Ott, Projektmanager und Unternehmensberater aus Hemmingen, ergänzt: „Der Projektleiter muss die Regeln unmissverständlich fassen und auch jene Punkte präzisieren, die ihm selbst nicht der Rede wert erscheinen." Denn jede „Regellücke" kann - folgenschwere - Kommunikationspannen nach sich ziehen.

Projektkiller Nr. 2 - Das Team kennt seine Ziele nicht

„Machen Sie das mal", mit diesen Worten drückt der Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens einem seiner Ingenieure einen Aktenordner in die Hand und ernennt ihn zum Projektmanager. Der Techniker soll ein neues Messgerät entwickeln. Auf die Fragen nach technischen Einzelheiten hört er bloß: „Sie wissen das doch viel besser als ich."

Solche dürftigen Auskünfte sind der Anfang vom (Projekt-) Untergang. Projekt-Profis indes forschen nach, sie ermitteln exakt und erschöpfend die sog. „Anforderungen" an ihr Projekt. Was soll das Team genau erreichen? An welchen Zielen (in Kennzahlen ausgedrückt) will es nach Projektabschluss seinen Erfolg messen? Profis befragen in langen Workshops ihre Auftraggeber - und befragen darüber hinaus auch beispielsweise Kunden, die das Gerät später einsetzen werden. Experten empfehlen: Unternehmen, die viele Projekte abwickeln, sollten den Prozess für die Zieldefinition standardisieren. Denn Fehler bei diesem wichtigen Projektschritt lassen sich später kaum wieder ausbügeln.

Projektkiller Nr. 3 - Konflikte torpedieren das Projekt

Erstaunlich, wie leicht Mitarbeiter anderer Abteilungen ein Projekt in ihrem Unternehmen lahm legen können. Wichtige Zuarbeiten für das Projekt werden „verbummelt". Abteilungen verweigern dem Projekt dringend benötigte Mitarbeiter. Manche Kollegen bringen ein Projekt gezielt beim Top-Management in Verruf, weil es ihren eigenen Interessen zuwiderläuft.

Jedes Projekt hat Berührungspunkte zu seiner Umwelt: zu den Kollegen im Unternehmen, aber auch beispielsweise zu Kunden und Lieferanten, Genehmigungsbehörden, Verbraucherverbänden oder Bürgerinitiativen. Mit Widerständen solcher Interessengruppen („Stakeholder") muss fast jedes Projektteam rechnen - und solche Widerstände sind ernstzunehmende Risiken. Professor Heinz Schelle legt Projektmanagern „proaktive Informationspolitik" nahe. „Nicht erst warten, bis Informationen angefordert werden", erklärt er, „sondern schon vorher Interessenten informieren." Projekt-Profis setzen deshalb auf offene Diplomatie und versuchen Stakeholder für ihr Vorhaben zu gewinnen. Sie gehen früh auf ihre Stakeholder zu, analysieren deren Erwartungen und Wünsche. Anschließend erörtern sie mit ihnen, wie diese Anliegen in der Projektplanung berücksichtigt werden.

Fachleute empfehlen, noch vor Projektstart mögliche Stakeholder zu ermitteln und deren Interessen aufzunehmen. Auch sollte das Team die Interessengruppen „nach Wichtigkeit" ordnen: Wie stark ist das Interesse einzelner Gruppen an dem Projekt? Und wie groß ist ihr Einfluss? Entscheidend: Während des Projekts sollte das Team Verbindung zu seinen Stakeholdern halten und deren Zufriedenheit mit den Fortschritten ermitteln.

„Achillesferse" Projektstart

Ein Bonmot unter Projektmanagern: „Sage mir, wie Du Dein Vorhaben startest - und ich sage Dir, wie es endet." Der Keim des Erfolgs liegt in der Startphase eines Vorhabens - also in den ersten Wochen, in denen Ziele definiert, Kommunikationspläne entwickelt und Stakeholder analysiert werden. Dr. Dagmar Börsch, Unternehmensberaterin sowie Kuratorin im Fachverband „GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V." (Nürnberg), empfiehlt, bereits bei der Planung die erforderlichen Fachspezialisten ins Team zu holen. „Gemeinsam simulieren sie gedanklich den Projektablauf und klären, wie sie Schwierigkeiten meistern können", erklärt sie. Dabei wechseln erfahrene Projektmanager immer wieder den Blickwinkel. Sie betrachten ihr Vorhaben einerseits aus Gesamtsicht („Adlerblick"), andererseits aus der Detailsicht („Wühlmausperspektive"). Im Wechsel der Perspektiven können sie prüfen, ob die Einzelheiten ihrer Planungen mit dem Ganzen übereinstimmen.

Ebenfalls wichtiger Punkt auf der Agenda der Startphase: Das Projektteam muss Risiken seines Vorhabens analysieren und mögliche Gefahren früh erkennen. Manche Projektteams listen solche Risiken „en détail" auf, bewerten ihre Eintrittswahrscheinlichkeit und mögliche Auswirkungen auf das Projekt. Dann trifft das Team gegen die wichtigsten Unwägbarkeiten Vorsorge - etwa durch Notfallpläne. Indes, mit diesem „Risikomanagement" tun sich viele Teams schwer. „Der konstruktive Umgang mit Risiken wird als Problemwälzen und Schwarzseherei betrachtet, nicht als lösungsorientierte Hilfe für die Projektziele", weiß Dr. Dagmar Börsch. Studienergebnisse aus dem Jahr 2006 bestätigen die Expertin. Bei rund 15 % der Projekte denkt niemand an das, was schief gehen kann. 

Literatur-Tipps:

Für „Einsteiger":
Heinz Schelle: „Projekte zum Erfolg führen. Projektmanagement systematisch und kompakt", 384 Seiten, Deutscher Taschenbuch Verlag; 6. Auflage 2010, ISBN 3423058889; 12,90 Euro

Für Leser mit ersten Vorkenntnissen:
Franz Xaver Bea / Steffen Scheurer / Sabine Hesselmann : „Projektmanagement: Grundwissen der Ökonomik", 756 Seiten, UTB, Auflage: 1. Aufl. 2008, ISBN 3825223884; 29,90 Euro

Kongress-Tipp:
„27. Internationales Deutsches Projektmanagement Forum" am 26./27. Oktober 2010 in Berlin (Veranstalter: GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V.) Informationen: www.pm-forum.de