Neue Herausforderungen für die Prozessleittechnik
14.12.2010 -
Zuverlässig, kostengünstig, skalierbar, mit offenen Standards und leicht zu bedienen: diese Grundforderungen müssen Leitsysteme erfüllen, um von Anwendern in die engere Wahl gezogen zu werden. Aber das reicht bei Weitem nicht aus, um erfolgreich am Markt zu bestehen. CHEManager befragte Professor Michael Bruns, Leiter Prozessautomatisierung der Siemens-Division Industry Automation, zu aktuellen Themen der Prozessleittechnik.
CHEManager: Was sehen Sie persönlich als den größten Entwicklungssprung in der Leittechnik im Zeitraum der letzten 24 Monate an und was erwarten Sie an besonderen Entwicklungen in den nächsten 24 Monaten?
M. Bruns: Die größten technologischen Veränderungen in der Leittechnik sehe ich in der Integration der Leittechnik mit dem Kernstück Leitsystem in die Prozesse des Anwenders und die Engineering-Prozesse. Dies bietet einerseits das größte Nutzenpotential und andererseits auch die stärksten technologischen Herausforderungen.
Vier Prozesse stehen dabei im Vordergrund: 1. die Vertikal Integration, 2. die Horizontale Integration in der Supply Chain, 3. die Integration im Engineering-Prozess und 4. die Integration im Maintenance-, Repair- und Optimierungs-Prozess.
Die beiden ersten Themen gelten durch nachhaltige Arbeiten von Herstellern, Anwendern, Standardisierung usw. in den letzten Jahren bereits als zufriedenstellend lösbar. Die Integration im Engineering-Prozess ist der Entwicklungssprung, der derzeit vorangetrieben wird.
Was sind denn die Herausforderungen dabei?
M. Bruns: Nun ja, es müssen einerseits die Technologien, die in den beiden Welten Anlagenplanung und Leittechnik mit ihren verschiedenen Anforderungen entstanden sind, technisch recht tief integriert werden. Reine Interfaces helfen nur wenig weiter, wenn die Objekte auf den beiden Seiten unterschiedlich interpretiert werden. Erschwerend kommt hinzu, dass nur ganz wenige Anbieter über Know-how und Produkte in beiden Welten verfügen und dadurch in der Lage sind, entlang des gesamten Engineering Prozesses zu arbeiten.
Noch herausfordernder schätze ich die Änderung der Arbeitsabläufe und der Integration über die technischen Disziplinen ein, die mit der Erhöhung der Effizienz und der Verlagerung über die Zeitachse der Anlagenplanung einhergehen.
Und was sind die Nutzenpotentiale?
M. Bruns: Die Nutzen im Engineering liegen auf der Hand: Zunächst werden durch die elektronische Kopplung Mehrfacheingaben vermieden, Fehlerraten gesenkt und damit die Kosten gesenkt. Durch Erhöhung der Verzahnung im Engineering wird die Gesamtplanungzeit verringert. Für mich als Automatisierer ergibt sich der wichtige Effekt, dass wir nicht mehr die Letzten auf der Baustelle sind.
Im Maintenance Prozess entstehen die Vorteile durch die online-Verfügbarkeit der as-build-Dokumentation und der Apparate- und Maschinendaten. Dadurch werden Wartungsprozesse unterstützt, das Asset Management der Maschinen und Anlagenteile leittechnisch ermöglicht und Condition Monitoring wird endlich flächendeckend möglich. Das Thema Migration wird damit grundsätzlich gelöst usw. Ich persönlich schätze den Nutzen im Maintenance-Prozess langfristig noch höher ein als die Nutzen im Engineering und bin auf die zukünftigen Entwicklungen gespannt.
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