Anlagenbau & Prozesstechnik

In Ordnung? Oder ordnungswidrig?

Aufgaben und Haftungssituation von Umweltbeauftragten

04.07.2014 -

CITplus: Welche rechtlichen Konsequenzen auf einen Umweltbeauftragten im Schadensfall zukommen können, zeigt dieser Beitrag des Aachener Fachanwalts Hans-Jürgen Müggenborg.

Umweltbeauftragte nehmen wichtige Umweltschutzaufgaben wahr und sorgen dafür, dass das Unternehmen dem Ziel der „Environmental Compliance" möglich nahe kommt. Das Umweltrecht ist eng mit dem (Umwelt-) Verwaltungsrecht verknüpft - Juristen sprechen hier von Verwaltungsakzessorietät -, so dass schon kleine Abweichungen vom öffentlich-rechtlich vorgeschriebenen Normprogramm gravierende Konsequenzen haben können.

Schwelle zum Strafrecht
So ist die Schwelle zum Strafrecht, das die schärfsten Sanktionen bereithält, mitunter schnell überschritten. Wenn § 324 Abs. 1 StGB jede unbefugte Gewässerverunreinigung mit Strafe bedroht, dann heißt das nichts anderes, als dass Strafe bereits dann droht, wenn die Vorgaben einer wasserrechtlichen Einleiterlaubnis nicht eingehalten werden. Und § 327 Abs. 2 Nr. 1 StGB stellt jeden Betrieb einer immissionsschutzrechtlichen Anlage unter Strafe, der ohne die erforderliche Genehmigung erfolgt. Ändert also ein Unternehmen seine Produktionsanlage wesentlich, ohne dafür eine Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG einzuholen, dann ist der Bereich der Strafbarkeit längst erreicht.
Bei weniger gravierenden Verstößen gegen das Umweltverwaltungsrecht droht Geldbuße nach dem Ordnungswidrigkeitenrecht. Bei der Verletzung von Aufsichtsmaßnahmen, die erforderlich sind, um in einem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, droht dem Inhaber des Betriebes oder Unternehmens ggf. eine Geldbuße bis zu 1.000.000 € (§ 130 OWiG). Gerade diese Vorschrift dokumentiert die hohe Bedeutung der Unternehmensorganisation, bei deren suboptimaler Erfüllung sofort der Vorwurf eines Organisationsverschuldens im Raum steht.
Und der Vorwurf des Organisationsverschuldens kann nicht nur zu Strafe oder Geldbuße führen, sondern begründet zugleich auch Schadenersatzansprüche Geschädigter, die etwa über Umweltpfade aus Stoffen der Anlage an ihrer Gesundheit oder an ihrem Eigentum geschädigt worden sind. Bestimmte Verletzungen der Umwelt, namentlich des Wassers, des Bodens und der Biodiversität, führen zu schadenersatzähnlichen Konsequenzen, die von der Umweltverwaltung über das Umweltschadengesetz (USchadG) durchgesetzt werden müssen. Anerkannte Umweltverbände kontrollieren das und können es gegebenenfalls per Verwaltungsklage durchsetzen.

Die Stellung des Umweltbeauftragten
Der Gesetzgeber hat die Umweltbeauftragten als eine qualifizierte Form der Eigenüberwachung konzipiert. Der Beauftragte steht in einem Rechtsverhältnis ausschließlich zum bestellenden Unternehmen. Er ist insbesondere kein verlängerter Arm der Überwachungsbehörden. Mit ihm gibt es eine Person im Unternehmen, die die Geschäftsleitung in Umweltangelegenheiten berät, der ein Vorschlagsrecht hat und der weisungsfrei arbeitet. Er ist darum der Geschäftsleitung unmittelbar unterstellt und genießt einen Kündigungsschutz ähnlich wie Betriebsratsmitglieder. Dem Umweltbeauftragten ist es grundsätzlich nicht gestattet, festgestellte Umweltdefizite des Unternehmens selbständig an die Behörden zu melden. Sein Ansprechpartner ist alleine die Geschäftsleitung seines Unternehmens.
Dabei gibt es in den Gesetzen einen umfassenden „Umweltbeauftragten" gar nicht, sondern verschiedene Umweltgesetze sehen jeweils für ihren Regelungsbereich gesonderte Beauftragte vor. Der Begriff des Umweltbeauftragten hätte im geplanten Umweltgesetzbuch Verwendung finden sollen. Nach dem Scheitern dieses Vorhabens verbleibt es aber bei den bekannten Beauftragten, namentlich den Betriebsbeauftragten für Immissionsschutz (§§ 53 ff. BImSchG), den Störfallbeauftragten (§§ 58a ff. BImSchG), den Gewässerschutzbeauftragten (§§ 64 ff. WHG) und den Abfallbeauftragten (§§ 59 ff. KrWG).

Aufgaben der Umweltbeauftragten
Die Aufgaben der Umweltbeauftragten ergeben sich zum einen direkt aus dem Gesetz und sie müssen zum andern in der schriftlichen Bestellurkunde ausdrücklich bezeichnet werden. Dies wird beispielhaft für den Immissionsschutzbeauftragten ausgeführt, gilt analog aber auch für die übrigen Beauftragten. Grundsätzlich haben die Beauftragten nur Hinweis-, Hinwirkungs- und Kontrollpflichten und stehen nicht in der Linienverantwortung, sind also nicht selber für den ordnungsgemäßen Betrieb der Produktionsanlagen verantwortlich. Der Immissionsschutzbeauftragte berät den Betreiber und die Betriebs-angehörigen in Immissionsschutzangelegenheiten. Dazu ist er nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, unter anderem die Einhaltung der Vorschriften des BImSchG, der einschlägigen Rechtsverordnungen sowie der Bedingungen und Auflagen aus erteilten Genehmigungen zu überwachen. Dazu hat er insbesondere die Betriebsstätten in regelmäßigen Abständen zu kontrollieren und Emissionen und Immissionen zu messen. Bei festgestellten Mängeln hat er diese dem Anlagenbetreiber mitzuteilen und Maßnahmen zur Beseitigung vorzuschlagen. Der Beauftragte steht damit in zweiter Linie hinter den primär für den Anlagenbetrieb Verantwortlichen und hat deren Verhalten zu kontrollieren und bei festgestellten Mängeln rechtskonforme Hinweise zu geben. Über diesen Verantwortungsweg kann er, sofern er den Pflichten nicht ordnungsgemäß nachkommt, sowohl mit dem Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht als auch mit dem Haftungsrecht in Kontakt geraten.

Die Verantwortlichkeit der Umwelt­beauftragten
Strafrechtliche Verantwortlichkeiten der Umweltschutzbeauftragten
Der Umweltschutzbeauftragte berät den Anlagenbetreiber, ist also selber nicht verantwortlicher Anlagenbetreiber. Der Beauftragte hat keine eigenen Entscheidungsbefugnisse im Sinne von § 14 Abs. 2 StGB. Die Betreiberverantwortung trägt alleine das Unternehmen, das der Beauftragte berät. Diese Ausgangslage hat Rückwirkung auf die Verantwortungslage der Umweltschutzbeauftragten. Ein Beauftragter kann nicht automatisch dann zur Verantwortung gezogen werden, wenn das Unternehmen gegen Vorschriften des Umweltrechts verstößt. Er hat vielmehr nur für die Erfüllung seiner Beratungs- und Hinweispflichten einzustehen. Solange er diese erfüllt, ist er vor persönlicher Rechtsverfolgung geschützt.
Sobald er aber seine Aufgaben nicht oder nicht vollständig ordnungsgemäß erfüllt, etwa auf ihm bekannt gewordene Schwachstellen nicht hinweist, ändert sich die Rechtslage und er kann aus dem Gesichtspunkt des Unterlassens herangezogen werden. Voraussetzung dafür ist allerdings die Feststellung, dass die Erfüllung der Pflichten den Deliktserfolg verhindert hätte. Wird festgestellt, dass der Unternehmer in anderen Fällen den Empfehlungen des Beauftragten stets gefolgt ist, dann wird man daraus schließen können, dass dies auch im vorliegenden Fall so gewesen wäre, d. h. in diesem Fall könnte das Unterlassen des Umweltschutzbeauftragten kausal für den strafrechtlich relevanten Erfolg (z. B. die Verunreinigung eines Gewässers, die Verletz-ung von Leben, Körper von Menschen oder von Sachgütern usw.) sein.
Erweist es sich dagegen als wahrscheinlich, dass der Unternehmer den Hinweisen und Empfehlungen des Beauftragten nicht gefolgt wäre, weil er dessen Ratschläge auch früher schon „in den Wind geschlagen" hat, dann ist das Unterlassen des Beauftragten als nicht kausal für den strafrechtlichen Erfolg anzusehen, so dass der Umweltschutzbeauftragte sich nicht strafbar gemacht haben kann.
Stets ist allerdings zu prüfen, ob nicht neben der Bestellung zum Beauftragten eine betriebsinterne Übertragung von Entscheidungsbefugnissen erfolgt ist, wie es in der Praxis häufig vorkommt. Dann bleibt der Beauftragte wegen schuldhafter Verletzung dieser Entscheidungsbefugnisse - ungeachtet seiner Stellung als Umweltschutzbeauftragter - wie jeder andere Arbeitnehmer auch potentiell strafrechtlich verantwortlich, sei es als Täter, Mittäter, Anstifter oder Gehilfe der aus dem Unternehmen heraus begangenen Straftat.

Zivilrechtliche Haftung des Umweltschutzbeauftragten
Den internen Umweltschutzbeauftragten verbindet mit seinem Arbeitgeber ein privatrechtlicher Arbeits- oder Dienstvertrag. Daraus folgt, dass der Beauftragte wie jeder Mitarbeiter, der seine Aufgaben schlecht erfüllt, eine Abmahnung seines Arbeitgebers riskiert, die im Wiederholungsfall zu einer verhaltensbedingten Kündigung führen kann. Unabhängig davon kann der Anlagenbetreiber bzw. der Gewässerbenutzer den Umweltschutzbeauftragten jederzeit von dieser Funktion abberufen; er ist dann, sofern eine gesetzliche Pflicht zur Bestellung eines Umweltschutzbeauftragten besteht, nur dazu verpflichtet, umgehend eine andere Person zum Beauftragten zu bestellen und den Wechsel der zuständigen Behörde anzuzeigen.

Vertragsrechtliche Haftung bei Pflichtverletzung, Deliktshaftung
Wie bei allen Verträgen kommen bei schuldhaften Pflichtverletzungen durch den Mitarbeiter Schadenersatzansprüche des Arbeitgebers aus Vertragsrecht (§§ 280, 281 BGB) in Betracht. Verursacht der Umweltbeauftragte in Ausübung seiner Tätigkeiten Schäden, dann trifft ihn ggf. die normale gesetzliche Haftung. Verletzt er etwa schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig, Leben, Körper, Gesundheit, Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen, haftet er diesem gegenüber aus unerlaubter Handlung.

Beschränkte Arbeitsnehmerhaftung des internen Umweltschutzbeauftragten
Bei jeglicher Haftung von Arbeitnehmern und so auch bei der Haftung des internen Umweltschutzbeauftragten sind jedoch die Haftungsgrundsätze zu beachten, die die Rechtsprechung zunächst für den Bereich der sogenannten gefahrgeneigten Arbeit entwickelt hat und die seit dem Beschluss des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 16.12.1993 (NJW 1995, 210) für alle Arbeitnehmer gelten. Diese Haftungsgrundsätze erkennen an, dass bei jedem Arbeitnehmer, der mit mehr oder weniger wert vollen Arbeitsmitteln seines Arbeitgebers umgeht, die Gefahr besteht, dass er Schäden verursacht, die er aus seinem eigenen Verdienst nicht mehr ersetzen kann. Deshalb haben die Gerichte eine Haftungsentlastung für Arbeitnehmer entwickelt, die drei Verschuldensgrade unterscheidet:
Bei leichter Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer nicht. Insoweit obliegt es also dem Arbeitgeber, für eine entsprechende Versicherung zu sorgen.

Von fahrlässig bis vorsätzlich
Bei Vorsatz und bei grober Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer dagegen voll für alle angerichteten Schäden. Vorsatz liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer den Schaden bewusst und gewollt verursacht, was selten vorkommt. Fahrlässig handelt dagegen, wer den Schaden zwar nicht will, aber die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außeracht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB). Was zu der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt gehört, ergibt sich u. a. aus den gesetzlichen Bestimmungen, behördlichen Bescheiden und den entsprechenden Arbeitsanweisungen des Arbeitgebers. Grob fahrlässig handelt etwa, wer betrunken, unter Drogeneinfluss oder stark übermüdet seinen Dienst verrichtet, so dass er für dadurch entstandene Schäden voll haften muss.
Bei mittlerer Fahrlässigkeit wird der Schaden zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gequotelt; in welchem Verhältnis die Quotelung erfolgt, ist eine Frage des Einzelfalles. Dazu erfolgt eine wertende Betrachtung, bei der Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind wie der Wert des beschädigten Wirtschaftsgutes, ein eventuelles Organisationsverschulden des Arbeitgebers, die Versicherbarkeit des betreffenden Risikos, die Höhe des Arbeitsentgeltes, persönliche Umstände des Arbeitnehmers wie Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit und Kriterien wie Unerfahrenheit, Übermüdung, Überforderung, Jugendlichkeit usw. Die Schadensquotelung erfolgt also nicht einfach 50 : 50.

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