Anlagenbau & Prozesstechnik

Gemeinsame Sprache

19.05.2013 -

Gemeinsame Sprache – Reach fordert Industrie zu verstärkter Kooperation auf – Der Ruf nach größerer Gestaltungsfreiheit zählt zum Einmaleins des Industrielobbyismus. Das nicht ohne Grund.

In vielen Regularien kam die Praxisnähe bislang zu kurz, wodurch seitens der Unternehmen ein großer administrativer Aufwand entstand, der zumindest teilweise hätte vermieden werden können.

Mit der Chemikalienverordnung Reach hat die Europäische Union nun einen Weg eingeschlagen, der den Verantwortlichen ein hohes Maß an Eigenregie gewährt.

Statt auf die Vorgaben aus Brüssel beziehungsweise Helsinki zu warten, liegt es jetzt in der Hand der Wirtschaft, das erforderliche Compliance Management selbst zu strukturieren.

Nun ist die Zeit des Handelns gekommen und die Chemiewirtschaft und Anwenderindustrien befinden sich in einer Phase vieler brancheninterner Abstimmungen.

Im Kern geht es dabei um die Beschreibung von Verwendung und Exposition der Reach-relevanten Stoffe beziehungsweise Erzeugnisse, in denen sich solche Stoffe befinden. Exposition beschreibt die Einflüsse, die bestimmte Stoffe auf den Menschen beziehungsweise die Umwelt haben.

Nachdem sich das zuständige Reach Implementation Project (RIP) im April auf ein Deskriptorenmodell geeinigt hat, gilt es jetzt einen entsprechenden Phrasenkatalog zu entwickeln, mit dem sich Verwendung und Exposition hinreichend beschreiben lassen.

Erst wenn die Wertschöpfungskette diese gemeinsame Sprache gefunden hat, lassen sich Werkzeuge entwickeln, um die Erfassungspraxis zu standardisieren und so weit wie möglich zu automatisieren.

 


Verwendung und Exposition

Reach verändert die bisherige Risikokommunikation innerhalb der Liefernetzwerke. Im Fokus stehen die nachgeschalteten Anwender, die zusätzliche Aufgaben und Pflichten erhalten.

Zukünftig müssen sie den Herstellern und Importeuren deutlich mehr Informationen darüber liefern, zu welchem Zweck und in welchem Expositionsumfeld sie die zugekauften Erzeugnisse einsetzen.

Diese Informationen übernehmen die produzierenden beziehungsweise einführenden Unternehmen in ihre Angaben zur Exposition. Aus diesem Wissen heraus gilt es dann auch die jeweils geeigneten Risikominderungsmaßnahmen abzuleiten.

Das nun verabschiedete Deskriptorenmodell beschreibt die Verwendung einer Substanz auf vier Ebenen. Während die oberste Ebene die Industriezweige der Anwender aufschlüsselt, spiegelt die zweite Ebene die spezielle Verwendung einer Substanz wider, wie zum Beispiel ihren Einsatz als Lösemittel.

Demgegenüber beschreibt die dritte Ebene den Prozess, beispielsweise die Verwendung eines Stoffes in einer geschlossenen oder offenen Anwendung. Schließlich informiert die vierte Ebene über den anwendungstechnischen Verbrauch. Zur Erfassung des Expositionsumfeldes dient eine zusätzliche matrix-ähnliche Aufstellung.

Diese schlüsselt die unterschiedlichen Aufnahmewege in 36 Felder auf. Indem Anwender die auf sie zutreffenden Expositionssituationen lediglich ankreuzen müssen, erhalten sie ein Erfassungsinstrument, das mit wenig Fachwissen nutzbar ist.

Über das Deskriptorenmodell und die Expositionsmatrix lassen sich Verwendung und Exposition hinreichend genau beschreiben. Die Angaben sind weder zu abstrakt noch zu spezifisch, was sowohl die Kommunikation gegenüber der European Chemicals Agency (Echa) als auch die weitere Verwendung der Ergebnisse innerhalb der Wertschöpfungskette unterstützt.

Unter anderem sollen sich die Informationen des Deskriptorenmodells auch von Toxikologen und Ökotoxikologen interpretieren lassen, um verwendungsspezifische Expositionsszenarien zu erstellen.

Damit das Deskriptorenmodell und die Expositionsmatrix in der gewünschten Weise angewendet werden können, muss die Industrie noch einen passenden Phrasenkatalog definieren.

Der damit verbundene Abstimmungsprozess ist derzeit in vollem Gange. Für die Standardisierung der Kommunikation gelten einheitliche Phrasen als Schlüsselfaktor, da sie eine lieferkettenübergreifende Sprache gewährleisten.

Nur mit einer solchen Sprache lassen sich weite Teile der Kommunikation in Bezug auf Reach automatisieren. Anders droht ein erheblicher manueller Aufwand, um die Komplexität des erforderlichen Informationsaustauschs verarbeiten zu können.

 


Kommunikation und Kooperation

Mit Reach erfordert erstmals eine Chemikalienverordnung die verstärkte Kommunikation und Kooperation zwischen allen Unternehmen, die chemische Substanzen oder Zubereitungen herstellen oder verwenden.

Daher müssen alle Wertschöpfungsteilnehmer ihre bisherige Kommunikation untereinander intensivieren. Die verstärkte Kooperation erfordert ein gemeinsames strukturiertes Vorgehen, insbesondere bei der Erfassung von Verwendungs- und Expositionsdaten.

Vom Grad der Standardisierung hängt ab, welcher Aufwand durch das auf Reach bezogene Compliance Management in den Unternehmen erzeugt wird.

Da es sich dabei um einen Massenprozess mit mindestens 30.000 anzumeldenden Chemikalien handelt, die von einer noch weitaus größeren Zahl von Anwendern eingesetzt werden, muss das gesamte Potential an angemessenen Standardisierungen ausgeschöpft werden.

Nachdem sich das zuständige RIP im April auf eine einheitliche Erfassungsstruktur geeinigt hat, gilt es nun den damit korrespondierenden Phrasenkatalog zu verabschieden.

 


Importbeziehungen absichern

Reach stellt die Importeure von Erzeugnissen, die außerhalb der Europäischen Union gefertigt wurden, vor eine weitere kommunikative Herausforderung. Um ihr bisheriges Sourcing zu sichern, müssen sie mit ihren Nicht-EU-Zulieferern Vereinbarungen darüber treffen, wer die jeweiligen Reach-Anforderungen erfüllen wird.

In der Praxis wird die Mehrzahl der Lieferanten einen Alleinvertretungsberechtigten, englisch Only Representative (OR), beauftragen, der die erforderlichen Registrierungen durchführt und anschließend auch als deren Inhaber auftritt. Importeure können sich dann gegenüber der Echa auf die Vorarbeit des OR beziehen.

Derzeit kristallisieren sich unterschiedliche OR-Modelle heraus. In vielen Fällen übernehmen gemeinsame Organisationen eines Landes die Rolle des Repräsentanten. Sie gewährleisten, dass alle Exporteure des jeweiligen Landes einen OR erhalten.

Da nur Unternehmen mit Sitz in der EU Stoffe registrieren dürfen, werden die staatlichen Stellen ein in der Europäischen Union ansässiges Unternehmen gründen.

Die Funktion eines OR können aber auch die EU-Töchter von internationalen Konzernen sowie externe Dienstleister ausüben. Das Hinzuziehen eines unabhängigen Dritten bietet sich insbesondere für Unternehmen ohne internationale Konzernstrukturen an.

Vor allem dann, wenn Reach-Projekte Geschäftsgeheimnisse berühren, die der Kundenseite nicht offen gelegt werden sollen.

 


Kontakt:
Berndt Stürznickel

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