Strategie & Management

Pflichten und Fristen bei der Beschränkung von Mikroplastik

Die Vielfalt der unterschiedlichen Pflichten und Fristen führt zu einem makroskopischen Durcheinander

14.08.2024 - Im September 2023 hat die EU eine umfassende Beschränkung von absichtlich zugesetzten synthetischen Mikroplastikpartikeln veröffentlicht (REACh-Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 Anhang XVII, Eintrag 78). Das hat weitreichende Folgen für Hersteller, Importeure, Händler und industrielle Verwender von Mi­kroplastikpartikeln. Welche genau das sind, ist auf den ersten Blick nicht sofort erkennbar.

Der Gesetzestext ist nicht intuitiv zu lesen und beinhaltet an vielen Stellen sehr komplexe Sachverhalte. Um zu verstehen, wie unterschiedlich die Pflichten und Fristen sein können, werden im Folgenden unterschiedliche Beispiele betrachtet, um Licht ins Dunkel zu bringen.

Mikroperlen in Peelings

Bei Mikroperlen in Peelings handelt es sich laut der Definition des Beschränkungstextes um Mikroplastik. Die Kügelchen sind fest, rund und kleiner als 5 mm. Sie profitieren von keiner Ausnahme und sind seit dem 17. Oktober 2023 verboten. Restbestände von Produkten, die bereits vor dem Stichtag erstmalig in Verkehr gebracht wurden, dürfen weiterverwendet werden, um hohe Kosten der Entsorgung zu vermeiden. Da hier direkt das Verbot ausgesprochen wurde, gibt es auch keine weiteren Informations- und Deklarationspflichten.

Für die Mikroperlen wurde von der Behörde keine Übergangsfrist vorgeschlagen, da davon ausgegangen wurde, dass die Industrie bis 2020 die Verwendung freiwillig eingestellt hat.

Superabsorber in Windeln

Laut Definition sind synthetische Superabsorber in Windeln als Mikro­plastik anzusehen. Sie profitieren allerdings von einer Ausnahme, d.h. sie dürfen auch weiterhin unter bestimmten Bedingungen verwendet werden und unterliegen nicht der eigentlichen Beschränkung. Während der Verwendung verlieren die Superabsorberpartikel ihre Eigenschaften als Mikroplastik, da sie aufquellen und ein Gel bilden. Windeln sind auch explizit als Ausnahme im Erwägungsgrund 18 des Beschränkungstextes aufgeführt. Leider befreit einen die Ausnahme nicht von weiteren Pflichten. Ab dem 17. Oktober 2025 müssen Lieferanten von Produkten, die synthetische Polymermikropartikel enthalten, Hinweise zur Verwendung und zur sachgerechten Entsorgung an gewerbliche Anwender und Konsumenten bereitstellen, um die Freisetzung in die Umwelt zu verhindern. Zusätzlich müssen Lieferanten ab dem Jahr 2027 jährlich bis zum 31. Mai jedes Jahres die Endanwendung und Identität der Mikroplastikpartikel, eine Schätzung der in die Umwelt freigesetzten Menge pro Endanwendung (inkl. Transport) in Bezug auf das vorangegangene Kalenderjahr und einen Hinweis auf die geltende Ausnahme an die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) übermitteln.

Kunststoffgranulat

Kunststoffgranulat gilt als Mikroplastik, da in der Regel mindestens 1 % der festen Partikel kleiner als 5 mm sind. Da Kunststoffgranulat Ausgangsmaterial für viele industrielle Anwendungen ist, hat die Behörde hier eine Ausnahmeregelung getroffen. Synthetische Polymermikropartikel dürfen weiterhin in Industrieanlagen verwendet werden, wenn die folgenden Bedingungen eingehalten werden. Ab dem 17. Oktober 2025 sind Anweisungen für die Verwendung und zur sachgerechten Entsorgung an gewerbliche Anwender und Konsumenten, eine Angabe zur Menge bzw. Konzentration der synthetischen Polymermikropartikel im Stoff oder Gemisch und Informationen zur Identität bereitzustellen. Der Hinweis: „Die gelieferten synthetischen Polymermikropartikel unterliegen den Bedingungen des Eintrags 78 in Anhang XVII der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europä­ischen Parlaments und des Rates.“ muss ebenfalls bekanntgegeben werden. Zusätzlich müssen Hersteller und industrielle Anwender bis zum 31. Mai 2026 diverse Angaben an die ECHA übermitteln, die das Vorjahr betreffen. Dazu zählen eine Beschreibung der Verwendung, Angaben zur Identität, eine Schätzung der freigesetzten Menge pro Verwendung und einen Hinweis auf die bestehende Ausnahme. Die Berichtspflicht muss ab 2026 jährlich erfüllt werden.

 

„Mit dem reinen Verstehen der Verordnung ist noch keine Pflicht erfüllt.“

 

Granulierter Urea-Dünger

Damit Urea transportabel und verwendbar bleibt, wird dieses mit Anti-­Caking-Mitteln besprüht, wodurch sich Partikel mit einer kontinuierlichen Polymeroberflächenbeschichtung bilden. Grundsätzlich wäre das Grund genug, dass diese Partikel als Mikroplastik anzusehen sind. Da diese Polymerschicht aber in diesem Beispiel biologisch abbaubar ist, fallen diese Partikel nicht in den Geltungsbereich der Verordnung. Das Granulat darf weiterhin verwendet werden und es gibt auch keine Informations-, Deklarations- und Berichtspflichten. Allerdings sind Hersteller, Importeure und industrielle Anwender dazu verpflichtet, auf Anfrage der Behörden unverzüglich Nachweise vorzulegen, die die biologische Abbaubarkeit gemäß den Vorgaben der Verordnung bestätigen. Das bedeutet, dass die Akteure, die davon betroffen sind, die Nachweise bereits vorliegen haben müssen, um auskunftsfähig zu sein. Nach der Anfrage entsprechende Studien zu beauftragen, ist nicht im Sinne des Beschränkungstextes.

Kunstrasen mit Einstreugranulat

Beim Einstreugranulat von Sportböden handelt es sich meist um synthetische Polymermikropartikel. Da ein Großteil des Eintrags von absichtlich zugesetztem Mikroplastik in die Umwelt durch das Granulat von Kunstrasen hervorgerufen wird, sieht die Behörde an dieser Stelle Handlungsbedarf. Damit aber keine neuerrichteten Sportplätze mit Kunstrasen ausgetauscht werden müssen, wurde hier eine Übergangsfrist von acht Jahren beschlossen. Ab dem 17. Oktober 2031 dürfen keine Kunststoffgranulate mehr verwendet werden, es sei denn, sie sind nachgewiesen biologisch abbaubar. Es gibt bereits Sportplätze, die mit Kork als Füllmaterial bestückt sind.

Fazit

Anhand der aufgezeigten Beispiele wird ersichtlich, wie komplex der Beschränkungstext ist. Die Pflichten und Fristen sind in keiner Weise einheitlich, sodass für jeden Fall eine eigene Analyse durchgeführt werden muss. Das kostet Ressourcen und erfordert ein Grundverständnis für Gesetzestexte. Zudem ist mit dem reinen Verstehen der Verordnung noch keine Pflicht erfüllt. Es müssen Daten bzw. Informationen erhoben, gesammelt, bereitgestellt und berichtet werden. Sind Sie darauf vorbereitet?

Autorin: Elisa Grabitz, Projektmanagerin, UMCO GmbH, Hamburg

„Der Gesetzestext ist nicht intuitiv zu lesen und beinhaltet an vielen Stellen sehr komplexe Sachverhalte.“

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Zur Person

Elisa Grabitz ist Projektmanagerin im Team Registrierung und Zulassung von UMCO. Die promovierte Chemikerin ist fachlich im EU-REACh-Registrierungsmanagement, der Chemikalienverbotsverordnung und den SCIP-Meldungen zu Hause. Das Thema Mikroplastik liegt ihr persönlich am Herzen, da es aus ihrer Sicht wichtig ist, den Eintrag unnötiger Schadstoffe in Konsumgütern zu reduzieren. Grabitz ist Autorin für Fachzeitschriften und konzipiert und referiert rund um das Thema REACh.

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