Aquaspec-Technologie beschleunigt pharmazeutische Prozesskontrolle
Schnelle Analyse ohne großen Präparationsaufwand
Eine innovative Schnittstellentechnologie macht die Spektroskopie im mittleren Infrarot (MID-IR) erstmals im industriellen Maßstab einsetzbar. Mit der Aquaspec-Technologie lassen sich bis zu 60 Proben pro Stunde ohne großen Präparationsaufwand analysieren. Dadurch trägt sie zur Optimierung von Produkten und Prozessen der pharmazeutischen Industrie bei.
Der Erfolg von Pharma- und Biotechnologieunternehmen hängt entscheidend von ihren Produktionsprozessen ab. Schnellere und zuverlässigere Analysemethoden spielen eine immer größere Rolle - nicht zuletzt aufgrund der Vorgaben durch die US-amerikanische Arzneimittelzulassungsbehörde FDA und ihre „Process Analytical Technology"-Initiative PAT. Diese verlangt die Kontrolle jeder Phase des pharmazeutischen Herstellungsprozesses, um Qualität und Produktstabilität sicherzustellen. Vor allem optische Messverfahren wie die Infrarot-Spektroskopie gewinnen in der Prozesskontrolle deshalb zunehmend an Bedeutung, da sie zur quantitativen Bestimmung von bekannten Substanzen, deren Identifikation anhand eines Referenzspektrums oder zur Strukturaufklärung unbekannter Substanzen genutzt werden können.
Flüssige Medien mit Infrarot untersuchen
Die Fourier-Transformations-Spektroskopie im mittleren Infrarot-Bereich (MID-FTIR) stellt - im Vergleich zum nahen Infrarot-Bereich (NIR) - eine der leistungsfähigsten analytischen Techniken in der chemischen Analytik organischer Substanzen dar. Mit ihr lassen sich strukturelle, reaktionsinduzierte Veränderungen in der Fingerprint-Region biologischer Makromoleküle bei geringem Aufwand und hoher Informationsdichte zerstörungsfrei untersuchen. Trotz der analytischen Leistungsfähigkeit des Verfahrens war es bisher nur schwer möglich, flüssige Medien mit Infrarot zu untersuchen, da die Flüssigkeit selbst das Licht nahezu vollständig absorbierte und somit keine Aussagen über die Inhaltsstoffe der Lösung getroffen werden konnten. Erst die mikrosystemtechnische Weiterentwicklung durch Micro-Biolytics macht die MID-FTIR-Spektroskopie an Flüssigkeiten auch für die Industrie einsetzbar.
Das Kernstück der so genannten Aquaspec-Technologie bildet eine patentierte mikrofluidische Durchflusszelle, die das automatisierte und reproduzierbare Messen flüssiger Proben, beispielsweise von proteinhaltigen Flüssigkeiten, Arzneimittelformulierungen, Fermentationsüberständen, aber auch komplexer Matrizes wie Blutserum und Speichel in nativer Umgebung möglich macht. Während herkömmliche Methoden infolge denaturierender Flüssigkeiten oder festgelegter Auftrennungszeitpunkte zumeist nicht alle Probeninformationen sichtbar machen, vermag diese Technologie das Gesamtbild der zu untersuchenden Bioprobe einschließlich ihrer Umgebungsparameter - beispielsweise des pH-Werts und der entsprechenden Auswirkungen - zu erfassen. Damit wird die analytische Informationsdichte im MID-IR-Bereich prozesstauglich für flüssige Medien anwendbar.
Vollautomatisierte Systeme analysieren in wenigen Minuten
Auf Grundlage der seit sieben Jahren am Markt etablierten Aquaspec-Zelle hat das Unternehmen aus der Bioregion Stern verschiedene vollautomatisierte Analyzer und Auswertungssysteme für den Einsatz in der pharmazeutischen Prozesskontrolle entwickelt. Sowohl im Labor als auch in At- und Online-Anwendungen in der Produktion implementierbar, lassen sich mit ihnen flüssige organische Proben ohne aufwändige Probenvorbereitung oder -trennung in nur wenigen Minuten bestimmen; eine automatische Filtration begrenzt die Partikelgröße dabei auf 5 µm.
Ein wichtiges Anwendungsgebiet in der Prozess begleitenden Analyse ist die Untersuchung pharmazeutisch aktiver Wirksubstanzen und ihrer Formulierungen. Zu den Routineprozeduren gehört die Erfassung relevanter Stoffeigenschaften und Prozessparameter - sei es über die Quantifizierung von Inhaltsstoffen, die Überwachung von pH-Werten, die Bestimmung von Strukturveränderungen oder Stabilitätsuntersuchungen - ein wichtiger Aspekt für die pharmazeutische Industrie. Stabilitätsstudien ermöglichen Aufschlüsse über die Beschaffenheit von Wirksubstanzen z.B. im Zeitverlauf. Außerdem geben sie Auskunft darüber, ob die Formulierung eines Medikamentes tatsächlich stabil bleibt und ermöglichen die Überwachung der richtigen Konformation bei therapeutischen Proteinen, die sich mit anderen Methoden nur schwer erfassen lässt. Daraus ableitbare Vorhersagen über Lager-, Packmittel- oder pH-Stabilitäten liefern wichtige Informationen für die Prozessregelung und -optimierung. Mit der Aquaspec-Methode lassen sich Veränderungskinetiken schnell aufzeigen und interpretieren. Das hilft Formulierungsinstabilitäten detailliert zu verstehen, ist aber auch von großem Vorteil für die überwachte Produktion, da die Analyseergebnisse helfen, Abläufe zeitnah zu regulieren und Kosten zu sparen.
Für eine konsistente Überwachung müssen alle relevanten Parameter wiederholt zeitnah gemessen und ausgewertet werden. Wo herkömmliche Messmethoden wie die HPLC und andere Verfahren meist zu zeitintensiv sind, ist mit der Aquaspec-Technologie ein hoher Probendurchsatz - bis zu 60 Proben pro Stunde - ohne großen Präparationsaufwand möglich.
Softwaretools bieten zusätzlichen Komfort
Ergänzt wird die Analyse-Technologie durch verschiedene vom Unternehmen selbst entwickelte Softwareapplikationen, die die bisher aufwändige Interpretation von MID-IR-Spektren erheblich erleichtern und einen mit gängigen HPLC-Anlagen vergleichbaren Komfort bieten. Die Klassifizierung der Ergebnisse erfolgt mittels multivariater statistischer Verfahren, wie sie von den Zulassungsstellen der FDA anerkannt werden, synchron zum Analyseprozess. Die Infrarot-Spektren werden dabei auf charakteristische Unterschiede hin analysiert, die Soll- und Ist-Werte sowie die Toleranzgrenzen der gemessenen Merkmale in einer Datenbank gespeichert. Auf Basis der ermittelten Algorithmen kann diese dann im Vergleich mit neuen Probenspektren Aussagen über die Qualität der vermessenen Substanzen liefern. „Statt komplexer Spektren werden Zahlenwerte oder einfach zu interpretierende Daten dargestellt", erklärt Andreas Wolf, Geschäftsführer von Micro-Biolytics. „So kann der Mitarbeiter, der die Produktion überwacht, ganz einfach bewerten, ob der Herstellungsprozess im grünen Bereich ist oder ob er reguliert werden muss."
Derzeit wird eine erste Applikation dieser Analysen-Technologie in den Herstellungsprozess eines Pharmaherstellers implementiert, mit dem Ziel, Online-Messungen nativer Lösungen realisieren und die Qualität von Substanzen vollautomatisiert und kontinuierlich kontrollieren zu können. In der Konsequenz wird dies nicht nur zu einem verbesserten Prozessverständnis und zu Qualitätsverbesserungen des Produktes, sondern auch zu einer Effizienzsteigerung des pharmazeutischen Herstellungsprozesses und verkürzten Produktionsdurchlaufzeiten führen. Flexibel in der Anpassung, eignet sich das Verfahren darüber hinaus für Anwendungen im Wirkstoff-Screening und in der medizinischen Diagnostik. Auch diese Bereiche profitieren von den schnellen Analysezeiten der nicht-invasiven Messtechnik. In der Diagnostik fokussiert das Unternehmen bisher nicht oder nur schwer erkennbare Krankheiten: Der Aufbau von Spektrendatenbanken für Scrapie - eine tödlich verlaufende Erkrankung des Gehirns beim Schaf - und Alzheimer ist bereits angelaufen.
Über Micro-Biolytics
Das Kern-Know-how von Micro-Biolytics liegt auf dem Gebiet der Infrarot-Spektroskopie von Flüssigkeiten. Eine von den Gründern Dipl.-Chem. Andreas Wolf, Dr.-Ing. Robert Seidel und Dipl.-Chem. Ralf Masuch entwickelte biokompatible druckresistente Durchflusszelle bildet die Grundlage für ein innovatives Analyseverfahren mit Einsatzmöglichkeiten in der Prozesskontrolle, der medizinischen Diagnostik, im pharmazeutischen Wirkstoff-Screening sowie der Lebensmittelindustrie und der Petrochemie. Seit Gründung im Jahr 2001 hat man die so genannte Aquaspec-Technologie sowie darauf basierende Analyzer und Applikationen weiterentwickelt. Zusätzlich bietet das Unternehmen ein breites Spektrum an Dienstleistungen.