Offen, vernetzt und auf Augenhöhe
Worauf es in virtuellen Projekten ankommt
Immer häufiger erstrecken sich Projekte über mehrere Standorte rund um den Globus. Fachleute sprechen von „virtuellen Projekten". Für die Mitarbeiter gilt dann, zusammenzuarbeiten ohne zusammenzusein. Die Teams sind verbunden über Internet und Telefon. Diese digitale Kommunikation funktioniert heute reibungslos. Anspruchsvoll dagegen ist die Aufgabe, das virtuelle Team beisammenzuhalten und zu leiten. Wenn Projektmanager von Anfang an eine Reihe von Punkten beachten, verliert niemand den Anschluss.
„Je größer die räumliche Distanz ist, desto mehr sollten Projektmanager auf zwischenmenschliche Nähe achten“, so Alexander Falkenstein, Projektmanager bei der Unternehmensberatung „Project Solutions“ in Ludwigshafen. So kann ein im Großraumbüro arbeitendes Team bspw. ein Missverständnis schnell persönlich klären. Bei einem virtuellen Team wird aus einem unklaren Wort schnell ein „Show-Stopper" für das ganze Projekt. „Projektmanager sollten deshalb virtuelle Teams sehr umsichtig und sorgfältig führen“, sagt Falkenstein. Er nutzt sechs Strategien, um zwischen den Mitarbeitern Brücken zu bauen und den nötigen „sozialen Kitt“ ins Team zu bringen.
Spielregeln aufstellen
Wenn das persönliche Miteinander im Team fehlt, können „Spielregeln“ eine gute Ersatzbrücke bilden. Solche Regeln geben dem Team Halt und zeigen ihm, in welchem Ton bspw. Kritik geäußert wird. „Ich lasse meine Teams selbst diese Spielregeln entwickeln“, erläutert Alexander Falkenstein. Jeder Mitarbeiter notiert für sich die Regeln, die ihm persönlich am Herzen liegen: bspw. der Umgang mit Fehlern, die Art und Weise der Aufgabenverteilung, das Verhalten bei Online-Meetings. Auf einer Sitzung werden diese Regeln im Team verabschiedet - und zwar bevor die eigentliche Zusammenarbeit startet.
Missverständnisse vermeiden
Bei Telefonkonferenzen mit vielen Beteiligten kann es schnell zu Missverständnissen kommen. Der Projektmanager sollte mit einem einfachen Kniff sicherstellen, dass alle die Inhalte richtig verstanden haben: Er bittet jemanden aus dem Team, das Gesagte zusammenzufassen - noch während des Online-Meetings oder später als Protokoll. „Ich lasse meinen Mitarbeitern bei dieser Zusammenfassung freie Wahl der Mittel“, erklärt Alexander Falkenstein. Einige bevorzugen ein schriftliches Protokoll oder das gesprochene Wort. Andere Menschen denken in Bildern; sie können den Sachverhalt gut graphisch darstellen. „Vor allem für Mitarbeiter, die sich der Teamsprache Englisch nicht ganz mächtig fühlen, kann die graphische Darstellung eine gute Hilfe sein“, hat Falkenstein beobachtet.
Teilnehmer miteinander vernetzen
Ein häufiges Problem bei virtuellen Projekten: Das Team stimmt sich nicht untereinander ab. Die Kommunikation läuft allein über den Projektmanager; er muss den offenen Punkten „nachjagen“. „Hilfreich ist es, die Mitarbeiter füreinander sichtbar zu machen“, sagt Falkenstein. So führt er die Online-Teammeetings möglichst als Videokonferenz durch. Fehlt ein Kollege, beauftragt er jemandem aus dem Team, nach dem „Vermissten“ zu schauen: Geht es ihm gut? Hat er Schwierigkeiten bei seinen Aufgaben? Eine weitere Strategie zur Vernetzung: Die Mitarbeiter anhalten, sich gegenseitig Hilfe anzubieten. Dabei können „Mitarbeiter-Tandems“ nützlich sein. Der Projektmanager beauftragt zwei Mitarbeiter verschiedener Standorte, gemeinsam eine Aufgabe zu bearbeiten. Solche Kooperationen schweißen zusammen.
Früh den Teamgeist fördern
„Die digitale Kommunikation lässt manchmal vergessen, dass wir es mit Menschen und Kollegen zu tun haben“, so Alexander Falkenstein. Er bringt deshalb seine verteilten Teams dazu, sich als Personen wahrzunehmen - und nicht nur quasi als ferne „Radio-Stimme“ von einem anderen Kontinent. So holt er zu Beginn des Projekts das Team für einen Tag zusammen. Es soll sich kennenlernen. Bspw. mit „Speed Dating“ bricht der Projektmanager dabei das Eis. Zwei Mitarbeiter machen sich im Schnellverfahren miteinander bekannt, berichten über ihre Arbeit und ihre Familie. Anschließend stellt jeder den anderen vor der Gruppe vor: „Mein Kollege ist Pharmaingenieur und kommt aus Seoul …“
Engmaschiger „Checkback“
Virtuelle Projekte müssen straffer geführt werden als Projekte, bei denen die Teams zusammen in einem Großraumbüro sitzen. Der Projektmanager kann nicht von Schreibtisch zu Schreibtisch gehen und sich ein Bild über den Stand der Arbeiten machen. Wichtig sind für das Team deshalb To-Do-Listen. Diese Listen werden auf jeder Besprechung erörtert: Was steht an? Was ist erledigt? Geschickt eingesetzt können diese To-Do-Listen die Meetings wie Fäden miteinander verbinden. Zudem nutzt Alexander Falkenstein ein engmaschiges System von sogenannten „Checkbacks“ und hält damit noch offene Aufgaben im Gespräch. Gemeint ist: Das Team bespricht die Ergebnisse einer Aufgabe nicht nur zu ihrem Endtermin. Auch mehrmals zwischendurch – zu den Checkback-Terminen – kommt die Aufgabe auf die Agenda: Wie kommen die Arbeiten voran? Was ist noch zu klären und abzustimmen? Wo ist Unterstützung nötig?
Interessenkonflikte lösen
Wegen der Distanz sind Interessenkonflikte bei virtuellen Projekten nur schwer zu erkennen. Das Problem: Teammitglieder, Vorgesetze und Projektteams verbinden mit dem Projekt Interessen und Prioritäten. „Kommt es zu Konflikten zwischen den Interessen, können Mitarbeiter in letzter Konsequenz nicht mehr ihre volle Leistung entfalten“, erklärt Falkenstein. Seine Devise: Auch auf kleine Warnsignale achten und Konflikte zügig ansprechen. Doch sollte man diese Konflikte nicht an die „große Glocke“ hängen. „Ich mache solche Themen niemals auf Meetings zum Thema“, sagt er. In Einzelgesprächen könne er deutlich besser Hilfe anbieten und versuchen, die Hindernisse aus dem Weg zu räumen. (cb)