Innovationen made in China
Schott entwickelt in Asien Innovationen für den weltweiten Markt
Lange Zeit galten China und einige asiatische Staaten als Kopisten. Doch das Bild wandelt sich. Immer mehr Innovationen entstehen in Asien und erobern von dort den weltweiten Markt. Andrea Gruß befragte dazu den Asien-Experten Stefan Lätsch, President & CEO Asia des Spezialglasherstellers Schott. Der Mainzer Konzern betreibt in Asien acht Produktionsstätten sowie sieben Vertriebsbüros und beschäftigt über 3.000 Mitarbeiter in der Region.
CHEManager: Herr Lätsch, seit wann ist Schott in Asien aktiv?
S. Lätsch: Erste Exporte nach Japan gab es bereits um 1910er Jahre. Der Eintritt in den asiatischen Markt erfolgte dann 1966 durch Gründung der Vertriebsgesellschaft Schott Nippon in Tokio, die große Verkaufserfolge mit ultraweißem Kronglas für die Fertigung von Brillengläsern erzielte. Anfang der 1970er Jahre ging die erste Produktionsstätte, ein Werk für optische Komponenten, in Malaysia in Betrieb.
Welche Rolle spielt der asiatische Markt heute für den Schott Konzern?
S. Lätsch: Wir erzielen in Asien derzeit mit etwa 500 Mio. EUR pro Jahr etwa ein Viertel unseres Konzernumsatzes und erwarten dort in den kommenden Jahren unser stärkstes Wachstum. Bis zum Jahr 2020 sollte der Umsatzanteil in dieser Region die 30-%-Marke überschreiten.
In den vergangenen Jahren hat für uns insbesondere China als Markt stark an Bedeutung gewonnen. Hier wollen wir auch weiterhin zweistellige Zuwachsraten erreichen, so dass wir dort in etwa zwei Jahren weltweit unseren größten Landesumsatz erzielen werden.
Aber auch die Märkte in Japan, Korea, Taiwan und Südostasien sind nach wie vor wichtig für Schott.
Wo sehen Sie wesentliche Unterschiede bei der Entwicklung der Märkte in den südostasiatischen Staaten und in China?
S. Lätsch: In China wird die Entwicklung des Landes zentral durch die Regierung gesteuert; es gibt einen dezidierten Fünfjahresplan. Das Land entwickelt sich weiter mit einer großen Geschwindigkeit. Aktuell besteht dabei der Trend, auch im Westen, nicht nur in den reichen Küstengebieten im Osten, vermehrt Industrie anzusiedeln.
Demgegenüber stehen die ASEAN-10, ein Agglomerat aus zehn Ländern, zum Teil mit sehr unterschiedlichen wirtschaftlichen und politischen Interessen. Sie haben beschlossen, mit der Asian Economic Community, kurz AEC, einen gemeinsamen Staatenverbund zu etablieren.
Die ASEAN-Staaten entwickeln sich wirtschaftlich sehr gut. Für uns sind insbesondere die Top-5-Länder Singapur, Malaysia, Thailand, Indonesien und die Philippinen von Interesse.
Sie haben eine sehr gut ausgebildete Mittelschicht und wir beobachten dort eine geringere Fluktuation zum Beispiel an Produktionsstandorten. Das erlaubt es uns, komplexe Produktionsprozesse mit weniger Aufwand zu etablieren.
Was sind die wichtigsten Wachstumstreiber in Asien?
S. Lätsch: Sie lassen sich weitgehend an den dortigen Megatrends festmachen. Dazu zählt der Zuzug der Landbevölkerung in die Großstädte. Eine Entwicklung, die sich nicht nur in China, sondern auch in Ländern wie Indien und Indonesien beobachten lässt. Damit einher geht der Ausbau der Infrastruktur der Mega-Cities, und zwar nicht nur der Verkehrswege, sondern auch digitaler Strukturen: China verfügt über ein Internet, das schneller und moderner ist als wir es zum Beispiel in Deutschland kennen.
Die „One Belt, One Road“-Initiative in China ist federführend in der Region beim Ausbau des landeseigenen Netzes für Hochgeschwindigkeitszüge, der Erschließung von Transportwegen nach Afrika sowie der Erweiterung von Eisenbahnstrecken nach Europa, um Alternativen zur Verschiffung von Exporten über den Seeweg zu schaffen.
Aus den steigenden Lohnkosten in China resultiert zum einen eine höhere Produktionsautomatisierung, aber auch ein zunehmender Wohlstand der Mittelschicht. Hinzu kommt ein starkes Wachstum der Bevölkerung. Es gibt mehr Menschen und sie haben mehr Geld, das sie zum Beispiel für Gesundheit und Ernährung ausgeben.
Weitere Trends sind Investitionen in die Energieversorgung, ein steigendes Umweltbewusstsein und generell der Einsatz neuer Technologien.
Alle diese Trends bieten Chancen für Schott, neue, stark wachsende Märkte zu erschließen.
Welche Strategie verfolgen Sie dabei?
S. Lätsch: Unser Ziel ist es, insbesondere die Aktivitäten in China weiter auszubauen und uns in unseren Kernmärkten vor Ort nachhaltig zu etablieren – mit Partnern oder mit Greenfield Investitionen. Wir wollen Schott als „glokales“ Unternehmen vor Ort positionieren, als einen globalen Konzern mit einer starken lokalen Struktur. Hierfür ist es notwendig, unseren lokalen Footprint, das heißt, vor allem die lokal verfügbaren Produktionskapazitäten, weiter auszubauen.
Im Oktober 2017 haben wir zum Beispiel eine neue Produktionsstätte in der chinesischen Provinz Zhejiang in Betrieb genommen, in der wir jährlich 2 Mrd. Pharmaverpackungen nach modernsten Standards herstellen werden, primär für den chinesischen Markt. Damit ist Schott nun auch in China führender Anbieter für Pharmaverpackungen.
Von großer Bedeutung ist für uns auch der Ausbau der Produktionsstätten, die wir in Indien und im ASEAN-Raum betreiben, insbesondere in Malaysia, Singapur und in Indonesien.
Mit welchen Produkten adressieren Sie den asiatischen Markt?
S. Lätsch: Wir bedienen die oben genannten Trends sowohl mit bestehenden Produkten, die gegebenenfalls den lokalen Bedürfnissen angepasst werden, als auch mit Produktneuentwicklungen.
Unsere Entwicklung und Produktanpassung erfolgt in der Regel lokal bis regional. In China muss ein Produkt nicht 100 % Serienreife haben, um auf den Markt zu kommen. Wenn es 80 % erreicht hat, können Sie es in Wechselwirkung mit dem Kunden weiterentwickeln. Das erfordert jedoch lokale Entwicklungs- und Produktionskapazitäten, um schnell und effizient auf Kundenanfragen zu reagieren. Deshalb betreiben wir Zentren für Anwendungstechnik in China und Japan und wollen in weitere Produktionsstandorte investieren.
Können Sie uns konkrete Beispiele für lokale Produktentwicklungen in Asien nennen?
S. Lätsch: Wir arbeiten beispielsweise sehr eng mit führenden Anbietern von Smartphones und Tablets zusammen. Am asiatischen Markt für Unterhaltungselektronik gibt es einen Trend in Richtung flexibler Displays. Unsere Partner aus der Branche sind daher mit der Anforderung nach einem sehr dünnen und biegsamen, aber zugleich robusten Glas an uns herangetreten. So entstand Schott AS 87 eco, ein ultradünnes Aluminosilikatglas, das ohne zu zerbrechen aufgerollt werden kann. Das Besondere hierbei ist, dass sich das Produktmanagement in China befindet, die Produktion aber in Deutschland erfolgt.
Eine weitere 100 % lokale Entwicklung aus diesem Bereich sind antimikrobielle Smartphone-Oberflächen. Es ist insgesamt ein Markt der hoch dynamisch ist und der durch die Einführung von zahlreichen Innovationen geprägt ist.
Darüber hinaus kooperieren wir auch intensiv mit der chinesischen Automobilindustrie. Ergebnisse dieser Zusammenarbeit sind zum Beispiel glasbasierte Lichtleiter, die das von LEDs eingespeiste Licht über die komplette Länge gleichmäßig abstrahlen. Sie erlauben eine Innenraumbeleuchtung, sogenanntes Ambient Lighting, in einer gleichmäßigeren Lichtstärke als dies mit Kunststofflichtleitern möglich ist.
Darüber hinaus liefern wir Glasröhren für Fotobioreaktoren, die es erlauben, Inhaltsstoffe für Arzneimittel oder Nahrungsergänzungsmittel kosteneffizienter und nachhaltiger herzustellen. Und am wachstumsstarken chinesischen Pharmamarkt partizipieren wir durch die Herstellung von Fläschchen, Ampullen und Karpulen vor Ort zur Verpackung von Impfstoffen und anderen Arzneimitteln.
Unsere Kunden sind in allen Segmenten lokale Konzerne, die regional und global expandieren wollen. Darüber hinaus zählen auch innovative wachstumsstarke Privatunternehmen dazu.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern in Asien?
S. Lätsch: Das Geschäftsklima ist geprägt durch enge Partnerschaften mit Kunden und Zulieferunternehmen. Es ist offen, man vertraut sich. In der Zusammenarbeit mit asiatischen Kunden geht es um schnelle Kommunikation und schnelle Adaptionen bestehender Produkte. Man stößt dabei generell auf eine sehr hohe Technikakzeptanz, zum Beispiel bei der Automatisierung der Produktion oder bei der Einführung neuer Produktionstechnologien. Das Gleiche gilt uneingeschränkt für die Markteinführung neuer Produkte.
Welche Innovationskultur beobachten Sie in China?
S. Lätsch: Noch vor fünf bis sieben Jahren wurden in China viele Produkte aus dem Ausland kopiert. Der Fokus lag darauf, Produkte schnell in den Markt zu bringen. Dies hat sich in den vergangenen drei Jahren in vielen Industrien, zum Beispiel in der Elektro- und Automobilindustrie, stark geändert. Heute nimmt China bei der Einreichung von Patenten mittlerweile eine weltweit führende Stellung ein.
Wir beobachten in China nicht nur eine hohe Technologieakzeptanz und eine ausgeprägte Bereitschaft zur Automatisierung, sondern auch den Mut zum Experimentieren, Dinge auszuprobieren, aber auch schnell wieder zu revidieren, wenn sie sich nicht umsetzen lassen. Es entwickelt sich dort mehr und mehr eine nachhaltige Innovationskultur.
Zur Person
Stefan Lätsch ist seit 2009 für die Geschäfte von Schott in Asien verantwortlich. Davor nahm er führende Positionen in der chemischen Industrie ein, zuletzt als Leiter der Konzernentwicklung sowie der Geschäftsbereiche Adsorbentien und Additive sowie Pharmaverpackungen bei der Süd-Chemie.
Lätsch studierte Chemie und Sinologie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, wo er sein Studium mit der Promotion in physikalischer Chemie abschloss. Darüber hinaus studierte er Chemie an der Hong Kong University of Science and Technology.