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Chemiekonjunktur – Chinas Chemie gewinnt weitere Weltmarktanteile

In China belasten immer mehr strukturelle Probleme die Wirtschaft

22.01.2024 - Chemieindustrie in China steigert Produktion trotz Nachfrageflaute

Die chinesische Wirtschaft profitierte im vergangenen Jahr von Nachhol­effekten nach der Coronapandemie. Sie wurde aber gleichzeitig durch strukturelle Probleme, vor allem im Immobiliensektor gebremst. Zudem blieb die Konsumnachfrage verhalten. Die chinesische Regierung hatte ihre Null-Covid-Strategie beendet. Die neu gewonnene Freiheit kurbelte zu Beginn des Jahres 2023 den Konsum nicht nur von kontaktintensiven Dienstleistungen an und führte zu einer kräftigen wirtschaftlichen Erholung. Auch die Industrie profitierte vom Wegfall der Restriktionen, bspw. den Quarantäneregeln für Mitarbeiter, und der anziehenden Nachfrage. Die Industrieproduktion legte im ersten Quartal kräftig zu.

Doch bereits im zweiten Quartal schwächte sich der Nachholeffekt ab. Der Post-Corona-Aufschwung entpuppte sich als Strohfeuer und das Wirtschaftswachstum verlangsamte sich wieder. Die Industrieproduk­tion war sogar rückläufig. Branchen, wie der Maschinenbau, die Pharma­industrie oder die Metallerzeugung drosselten die Produktion. Viele chinesische Unternehmen spürten eine nachlassende Nachfrage nach ihren Produkten im In- und Ausland und produzierten weniger. Im Inland sparten viele Chinesen vermehrt, anstatt zu konsumieren. Die hohe Jugendarbeitslosigkeit, die geringen Neueinstellungen in Unternehmen sowie die angespannte Weltlage verunsicherte die Menschen. Auch im Ausland hätten die Geschäfte besser laufen können. Die chinesischen Produzenten bekamen die weltwirtschaftliche Flaute zunehmend zu spüren. Zudem belasteten die Sanktionen, geopolitische Spannungen und eine beginnende Entkopplung des globalen Westens von China die Exporte.

Die chinesische Regierung versuchte mit Stimulierungsmaßnahmen, wie verbilligten Krediten oder Zinssenkungen durch die Zentralbank, die heimische Wirtschaft zu stützen – nur mit mäßigem Erfolg. Bruttoinlandsprodukt (BIP) und Industrieproduktion erhöhten sich im zweiten Halbjahr 2023 nur moderat. Unter dem Strich blieb die chinesische Wirtschaft im vergangenen Jahr deutlich hinter den Erwartungen zurück. Auch das Industriewachstum enttäuschte.

Chemieproduktion deutlich im Plus

Als Folge des für chinesische Verhältnisse geringen Industriewachstums legte im vergangenen Jahr die Chemienachfrage nur moderat zu. Dennoch fuhren die Chemieunternehmen ihre Produktion kräftig hoch (Grafik 1).
Chinas Chemieproduktion stieg im ersten Quartal 2023 um 1,7 %. Die heimische Industrie entwickelte sich Anfang des Jahres dynamisch und die Nachfrage nach Chemikalien aus dem Inland stieg. Dieser Trend hielt aufgrund der sinkenden Industrieproduktion im zweiten Quartal zwar nicht an. Dennoch weiteten die Chemieunternehmen ihre Produktion weiter aus. Auch im dritten Quartal stieg die Chemieproduktion kräftig. Die Unternehmen profitierten dabei auch vom Lageraufbau bei den Kunden. Aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Lage und der Hoffnung auf günstigere Preise hatten viele Industrieunternehmen im ersten Halbjahr ihr Lager zunächst geleert. Die Lagerbestände wurden zuletzt sukzessive wieder aufgebaut. Dies befeuerte die Chemienachfrage im Inland.
Die schwache Weltkonjunktur belastete die Chemieexporte. Die globale Industrieproduktion verlor 2023 deutlich an Dynamik. In Japan, der EU oder in den USA war die Industrieproduktion und damit auch die Nachfrage nach Chemikalien sogar rückläufig. Dennoch konnte China die Chemieexporte leicht ausweiten und Weltmarktanteile gewinnen.

Unter dem Strich stieg die Chemieproduktion Chinas 2023 um mehr als 9 % und damit deutlich dynamischer als die chinesische Industrieproduktion oder die ausländische Konkurrenz. Während die USA die Chemieproduktion um 1 % drosselte, fiel der Rückgang zweistellig für Deutschland aus (–11 %). In der EU 27 wurden 2023 8 % weniger Chemikalien produziert. Die hohen Kosten für Energie und Rohstoffe drosselten die Produktion am Standort Europa. China konnte damit die Bedeutung ihres Chemiemarktes weiter ausbauen. China ist der mit Abstand größte Markt für chemisch-pharmazeutische Erzeugnisse. Dort werden über 41 % aller Chemikalien und Pharmazeutika verbraucht. Es folgt die USA mit einem deutlichen Abstand. Deutschland ist der viertgrößte Chemiemarkt weltweit (Grafik 2).

Gedämpfte Chemieproduktion in der Region

Die schwache Weltkonjunktur dämpfte im letzten Jahr auch die Chemieproduktion bei Chinas Nachbarn. Japans Chemieproduktion sank um 6,5 % und verfehlte weiterhin das Vor-Corona-Niveau deutlich. In Südkorea sah es kaum besser aus. Dort hatte sich die Chemie 2021 zwar wieder dynamisch erholt. Seit der zweiten Jahreshälfte 2022 musste die Produktion allerdings sukzessive gedrosselt werden. Im vergangenen Jahr fiel der Produktionsrückgang mit minus 10 % noch deutlicher aus als in Japan. Das Produktionsniveau beider Länder lag weiterhin deutlich unter dem Vor-Corona-Niveau. Nur in Indien konnte die Chemieproduktion 2023 leicht ausgebaut werden. Das Land profitierte phasenweise von Chinas Schwäche und von billiger Energie aus Russland. Das Produktionsniveau lag 2023 höher als vor der Pandemie. Aber auch in Indien hatte sich das Wachstum zuletzt abgeschwächt (Grafik 3).

Ausblick: Positive Wachstumssignale

Die Wirtschaft Chinas wird sich 2024 voraussichtlich weiter stabilisieren. Konsum und Investitionen werden durch Konjunkturmaßnahmen und niedrigen Zinsen gefördert. Die Unterstützungsmaßnahmen der Zentralregierung sollten im Jahresverlauf Wirkung zeigen. Zumal bei stabilen Preisen die Kaufkraft der Konsumenten zulegt. Auch der Immobiliensektor soll stabilisiert werden. Er macht etwa zwei Drittel des Vermögens der Haushalte in China aus. Dies hätte positive Effekte auf das Konsumentenvertrauen. Dennoch laufen die Nachholeffekte durch den Ausstieg aus der Null-Covid-Strategie aus. Dieser Rückenwind fehlt nun im laufenden Jahr, so dass das BIP-Wachstum mit etwa 4,5 % etwas geringer ausfallen dürfte als noch im Jahr 2023.

Auch die Industrieproduktion wird in diesem Jahr mit 3,5 % voraussichtlich etwas schwächer zulegen als im vergangenen Jahr. Das globale Industriewachstum wird im Jahr 2024 moderat bleiben. Die hohen Energiepreise dämpfen bspw. die Industrieentwicklung in Europa. Dennoch wird China von der weltweiten moderaten Erholung profitieren. Viele Produkte aus China, z. B. Batterien für Elektroautos, Unterhaltungselektronik oder Grundstoffchemikalien sind innovativ und weltweit gefragt.

Die Chemieproduktion wächst voraussichtlich um 5 % im Jahr 2024 und damit dynamischer als BIP und Industrieproduktion (Grafik 4). Die Nachfrage nach Chemikalien aus dem Ausland nimmt weiter zu, der Lageraufbau hält an und auch aus der heimischen Industrie kommen positive Wachstumssignale. Dies sind alles Zeichen dafür, dass der Chemiemarkt Chinas auch im neuen Jahr wachsen wird. Mittelfristig dürfte sich die chinesische Wirtschaft allerdings abschwächen. Denn neben den positiven konjunkturellen Entwicklungen belasten immer mehr strukturelle Probleme die Wirtschaft. Arbeitslosigkeit, vor allem unter jungen Menschen, die schrumpfende und alternde Gesellschaft sowie die geringen Neueinstellungen in Unternehmen dämpfen Chinas zukünftiges Wachstumspotenzial.

Henrik Meincke, Chefvolkswirt, Verband der Chemischen Industrie e.V., Frankfurt am Main

ZUR PERSON
Henrik Meincke ist Chefvolkswirt beim Verband der Chemischen Industrie. Er ist seit dem Jahr 2000 für den Branchenverband tätig. Meincke begann seine berufliche Laufbahn am Freiburger Materialforschungszentrum. Der promovierte Chemiker und Diplom-Volkswirt studierte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

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