Logistiker will sich breiter aufstellen. Interview mit Hans-Jürgen Kröger und und Alexander Kutscher, Infraserv Logistics
Infraserv Logistics sieht Marktchancen in verschiedenen Branchen
Auch in den Industrieparks wachsen die Bäume nicht in den Himmel. Infraserv Logistics will deshalb künftig versuchen, das eigene Portfolio nicht nur Chemie und Pharma, sondern auch anderen Branchen anzubieten. Mit dem Thema Supply Chain Security bewegt sich das Logistikunternehmen ebenfalls auf neue Kunden zu. Hans-Jürgen Kröger, Geschäftsführer bei Infraserv Logistics, und Alexander Kutscher, Leiter Logistikberatung, Infraserv Logistics, äußern sich zur Restrukturierung des Unternehmens und flankierenden Maßnahmen.
LCP: Herr Kröger, Ihrer Vorstellung als neuer Geschäftsführer von Infraserv Logistics war zu entnehmen, dass das Unternehmen vor einer Restrukturierung steht. Wo genau besteht Handlungsbedarf?
H.-J. Kröger: Wir befinden uns in einer konjunkturell schwierigen Situation, von der einige unserer wichtigsten Kunden aus der Chemiebranche sehr stark betroffen sind, sodass wir als Logistik-Partner die Auswirkungen natürlich auch spüren. Gleichzeitig sind bei uns die Kostenstrukturen noch immer ein grundsätzliches Thema, unabhängig von der aktuellen Wirtschaftslage. Wir müssen die Personalkosten überprüfen und weiter an die Gegebenheiten der Logistikbranche angleichen, nur so können wir unsere Wettbewerbsfähigkeit steigern.
Sieht das Restrukturierungskonzept weitere Maßnahmen vor?
H.-J. Kröger: Ja, selbstverständlich. Die Optimierung der Kostenstrukturen allein wäre nicht ausreichend. Viel wichtiger wird es sein, das Unternehmen breiter aufzustellen. Wir sind derzeit von der Entwicklung einer Industriebranche abhängig, das ist aus meiner Sicht problematisch.
Aber ist Infraserv Logistics nicht in erster Linie Dienstleister für die Chemieindustrie?
H.-J. Kröger: Natürlich, das wollen wir auch bleiben. Aber wir können darüber hinaus auch in anderen Branchen tätig sein und die Expertise, die wir durch die speziellen Vorgaben im Chemie- und Pharmabereich gesammelt haben, für Kunden aus anderen Industriezweigen einsetzen.
A. Kutscher: Wir haben beispielsweise in der Automobilbranche bereits erfolgreich Fuß gefasst, unter anderem durch unser Tochterunternehmen Infraserv Logistics Leipzig, das seit einigen Jahren wichtige Teile der Produktionslogistik in dem hochmodernen Leipziger BMW-Werk betreibt. Es gibt bei den Anforderungen unserer Chemie-Kunden und eines innovativen Automobilherstellers viele Parallelen.
Ist die Automobilbranche als zusätzliches Standbein geeignet? Sie selbst prophezeien dieser Industrie doch noch schwere Zeiten.
H.-J. Kröger: Es nur ein Beispiel. Wir sind ein sehr professioneller, erfahrener und vielseitiger Logistik-Partner, wenn es darum geht, dass beim Umgang mit speziellen Materialien höchste Qualitätsanforderungen hinsichtlich der Prozesse und der Zuverlässigkeit gestellt werden. Das gilt für Chemie und Pharma, das gilt für Automotive, das gilt aber auch für andere Bereiche.
A. Kutscher: Wir stellen zudem fest, dass die konjunkturelle Situation bei manchen Unternehmen einen Veränderungsdruck mit sich bringt, bei dem erfahrene Logistik-Partner wie wir gefragt sind. Denn Kunden brauchen besonders effiziente Logistik-Lösungen, schlanke Prozesse rund um die eigene Wertschöpfungskette und vor allem ein hohes Maß an Flexibilität. Zum Teil versuchen unsere Kunden auch, sich neue Märkte zu erschließen, und benötigen hierfür einen Logistik-Partner, der die spezifischen Rahmenbedingungen kennt: Einfuhrrichtlinien, Zollbestimmungen, Kennzeichnungsverordnungen. Hier können wir helfen. Das Thema Qualifizierung wird immer wichtiger. Logistik-Prozesse werden immer komplexer, folglich müssen die Mitarbeiter immer qualifizierter werden. Das gilt branchenübergreifend. Wir haben dazu Trainingsangebote parat, die gerade derzeit gut nachgefragt werden.
H.-J. Kröger: Gerade bei diesen standortunabhängigen Service- und Beratungsleistungen haben wir schon heute eine sehr gute Position im Markt. Wir haben in vielen Bereichen eine besondere Expertise und dementsprechend einen Wettbewerbsvorteil. Unser Wissen wird dabei zum Erfolgsfaktor für den Kunden, z. B. bei den Zöllen.
Wird diese Restrukturierung und Neuausrichtung Auswirkungen auf die Unternehmen im Industriepark Höchst oder externe Firmen haben?
H.-J. Kröger: Auf externe mit Sicherheit, denn sie bekommen mehr Konkurrenz, weil wir uns breiter aufstellen und neu am Markt positionieren werden. Für unsere Kunden am Standort ändert sich nichts.
A. Kutscher: Unser Fokus wird weiterhin darauf liegen, für unsere großen Kunden im Industriepark Höchst und den anderen Standorten von Infraserv Logistics ein zuverlässiger, solider Partner zu sein.
Wie soll die Auslastung des Neuen Logistik Centers (NLC) verbessert werden?
H.-J. Kröger: Wie gesagt, wir werden uns auch in anderen Industriebereichen etablieren, auch mit Leistungen aus den Bereichen Lagerung und Distribution. Und wir werden unsere Vertriebsaktivitäten deutlich erhöhen.
Wurde das NLC zu groß konzipiert?
H.-J. Kröger: Nein, der Businessplan basierte auf den Mengen und Umschlagszahlen der Jahre 2003 und 2004, der war absolut in Ordnung. Die aktuelle wirtschaftliche Situation konnte niemand vorhersehen, nicht bei den Banken, nicht bei den Automobilherstellern und auch nicht in der Chemiebranche. Ich bin außerdem fest davon überzeugt, dass wir auch wieder wirtschaftlich bessere Zeiten erleben werden, wenn auch die Erholungsphase noch etwas andauern wird. Bei der Planung für ein derartiges Lager denkt man aber natürlich in langfristigen Zeiträumen, und man muss hinsichtlich der Kapazitäten auch für eine steigende Nachfrage gerüstet sein.
Themenwechsel: Was bedeutet „Supply Chain Security" (SCS) und warum ist das Thema jetzt so wichtig?
A. Kutscher: Das Thema war im Bereich Chemie und Pharma immer wichtig. Es geht um die Sicherheit bei allen Logistikprozessen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, von der Erstellung eines Vorproduktes bis hin zur Auslieferung beim Endverbraucher.
Betrifft das ausschließlich Aspekte der Transportsicherheit?
A. Kutscher: Nein, SCS umfasst auch die Produktsicherheit, die Themen Arbeitsschutz und Anlagensicherheit oder die sichere Verpackung. Es geht darum, alle denkbaren Einflüsse, die sich negativ auf das Produkt auswirken können, zu analysieren und Sicherheitslücken zu schließen.
Warum ist die SCS für Unternehmen so wichtig?
A. Kutscher: Sie können den Behörden gegenüber nachweisen, dass es keine sicherheitsrelevanten Probleme gibt. Gleichzeitig strahlen Sie dem Kunden gegenüber die Botschaft ab, dass es bei Produktion und Transport keine negativen Einflüsse von außen gegeben hat - ebenfalls ein wichtiger Punkt. Es geht um die eigenen Vorgaben ganzer Industriezweige, die sich selbst bestimmte Sicherheitsstandards auferlegt haben.
H.-J. Kröger: Und es geht auch um Marktanteile: Wenn Sie z. B. auf dem nordamerikanischen Markt Geschäfte machen wollen, wird das in einigen Branchen ohne das Zertifikat „C-TPAT" schwierig. Das heißt im Umkehrschluss: Das Thema SCS kann neue Märkte und Chancen erschließen, gerade auch in schwierigen Zeiten.
Das europäische Pendant zu „C-TPAT" ist das AEO-Zertifikat. Wurde Infraserv Logistics bereits zertifiziert?
A. Kutscher: Ja, wir gehörten vor etwas mehr als einem Jahr zu den ersten Unternehmen in Deutschland, die das AEO-Zertifikat erlangt haben und nun als zugelassener Wirtschaftsbeteiligter, abgekürzt ZWB, gelten. In Bezug auf „C-TPAT" können wir den Kunden Beratungsleistungen anbieten, bis hin zur Vorbereitung und Begleitung von Auditierungen durch die US-Behörden.
Bringt das AEO-Zertifikat Vorteile für die Kunden?
A. Kutscher: Ja, eindeutig. So werden manche Überprüfungen durch Behörden beschleunigt, weil die jeweilige Dienststelle genau weiß: Infraserv Logistics ist zertifiziert, die Prozesse sind in Bezug auf die sicherheitsrelevanten Aspekte in Ordnung. Zudem bestehen wesentliche Erleichterungen im Zollverfahren.
Wie weit wird die SCS greifen?
H.-J. Kröger: Umfragen in der Logistik-Branche zeigen, dass Supply Chain Security ein Megatrend der nächsten Jahre sein wird, so bedeutend wie etwa das grundsätzliche Thema Globalisierung. Jedes Unternehmen wird sich mit der Sicherheit rund um die Wertschöpfungskette auseinandersetzen müssen.
Gilt das auch für kleine und mittelständische Unternehmen?
A. Kutscher: Gewiss. Einerseits sind immer mehr mittelständische Unternehmen in speziellen Marktsegmenten auch global tätig und müssen folglich die Sicherheitsbestimmungen dieses globalen Marktes kennen und leben. Außerdem genügt es schon, wenn ein kleines oder mittelständisches Unternehmen einem weltweit tätigen Großkonzern zuliefert. Dann ist dieses auch Teil der Produktions- und Logistikprozesse - und die müssen in Ordnung sein.
H.-J. Kröger: Naturgemäß verfügen die wenigsten kleinen und mittelständischen Unternehmen über die personellen Ressourcen und das Know-how, um qualifizierte Sicherheitsanalysen zu erstellen und daraus die richtigen Maßnahmen abzuleiten.
Können sich solche Unternehmen denn eine aufwendige Analyse und die anschließende Zertifizierung leisten?
A. Kutscher: Das hängt letztendlich vom jeweiligen Kunden ab und den Vorteilen, die eine Zertifizierung in Bezug auf Markt- und Umsatzchancen mit sich bringt. Wobei wir unsere Leistungen gestaffelt bereitstellen: Wir können den kompletten Service anbieten oder nur einen kurzen Check der sicherheitsrelevanten Aspekte und von Teilprozessen wie z. B. dem Zollmanagement, wie es der Kunde möchte. Seit einiger Zeit stellen wir fest, dass Leistungen dieser Art verstärkt nachgefragt werden, was darauf hindeutet, dass die Sensibilität für Supply Chain Security deutlich gestiegen ist. Dieser Trend wird anhalten. Wie gesagt, ein Muss für ambitionierte Unternehmen.