Chemielogistik im Spannungsfeld zwischen Kunde und Kosten
BVL Forum Chemielogistik: Logistik der BASF in Schwarzheide zeigt viel Bewegung in unterschiedlichsten Projekten
Warum er auch ein sehr geeigneter Ort ist, um ein Forum Chemielogistik durchzuführen, zeigt das nachfolgende Interview. Hierzu befragte Sonja Andres für CHEManager Andreas Backhaus, den Senior Vice President European Site Logistics Operations der BASF, und Colin von Ettingshausen, den kaufmännischen Geschäftsführer und Arbeitsdirektor der BASF Schwarzheide.
CHEManager: 2017 fand das Forum Chemielogistik bei der BASF in Ludwigshafen statt. In diesem Jahr ist der BASF-Standort Schwarzheide Veranstaltungsort. Welche Bedeutung hat das für den Lausitzer Standort?
Colin von Ettingshausen: Beim Forum Chemielogistik haben wir die großartige Chance, den Lausitzer BASF-Standort zu präsentieren und die Möglichkeiten, die der Wirtschaftsstandort bietet, einem Expertenpublikum aufzuzeigen. Ganz besonders wichtig ist uns natürlich das Netzwerken mit allen Verantwortlichen.
Sowohl am Produktions- als auch am Wirtschaftsstandort Schwarzheide ist aus logistischer Sicht aktuell viel in Bewegung. Im Dezember vergangenen Jahres wurde das letzte Teilstück der Niederschlesischen Bahnmagistrale eröffnet, die die Häfen und Wirtschaftszentren zwischen West- und Osteuropa verbindet. Diese logistische Anbindung bietet einen starken Standortvorteil: Schwarzheide hat das Potenzial zum ersten Anlaufpunkt für die Neue Seidenstraße zu werden und sich zu einer Logistik-Drehscheibe zu entwickeln.
Welche Veränderungen sehen Sie in der Chemieindustrie? Welche Auswirkungen werden diese auf die Anforderungen an die Logistik haben?
Andreas Backhaus: Der Wettbewerb wird intensiver und differenzierter. In der Logistik agieren wir im Spannungsfeld zwischen Kostenpositionen und den Anforderungen der Kunden, die mehr und mehr im Mittelpunkt des Handelns stehen. Wettbewerbsfähige Preise und guter Lieferservice werden nicht zuletzt durch die Logistik mitbestimmt, die damit einen direkten Impact auf den Kunden hat. Dieser wünscht Zuverlässigkeit. Das ist in der Logistik Maxime und Herausforderung zugleich. Auf dem Weg zum Kunden können wir viele Faktoren beeinflussen, einige externe Faktoren nicht. Die Erwartungshaltung bleibt die gleiche.
Jeder kennt das aus dem Privaten: Man bestellt etwas online und kann über diverse Systeme seine Ware jederzeit nachverfolgen. Mit den gleichen Erwartungen werden wir auch im geschäftlichen Umfeld konfrontiert: Bestellung zu jedem Zeitpunkt und punktgenaue Lieferung. Das trifft genauso auf die Chemieindustrie zu. Digitalisierung wird hier helfen, diesen Anforderungen gerecht zu werden und neue Möglichkeiten zu eröffnen.
BASF Schwarzheide möchte sich als Nachhaltigkeits-Champion in der BASF-Gruppe etablieren. Welche Rolle spielt dabei die Logistik, auch vor dem Hintergrund des Strukturwandels in der Lausitz?
C. von Ettingshausen: Als Nachhaltigkeits-Champion möchten wir das Zusammenspiel gesellschaftlicher, ökologischer und ökonomischer Faktoren optimieren. Die BASF Schwarzheide ist hier bereits auf einem sehr guten Weg. Wir werden uns künftig noch stärker auf Kreislaufwirtschaft fokussieren. Dazu gibt es bereits konkrete Projekte und dabei wird auch die Logistik gefordert sein.
Ende Februar haben das Land Brandenburg und die BASF eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet, in der sich das Unternehmen zum Ausbau seines Lausitzer Standortes bekennt und das Land seine Unterstützung zusagt. Im Fokus stehen dabei Produktion, Fachkräfte, Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Der Ausbau des Wirtschaftsstandortes Schwarzheide zur Logistikdrehscheibe für den kombinierten Verkehr ist Teil der Erklärung. Wir werden dies als Unternehmen weiter unterstützen. Wir begrüßen es deshalb sehr, dass Projekte wie diese in den Abschlussbericht der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung aufgenommen wurden.
Das Thema Ressourcenknappheit, insbesondere der Fachkräftemangel, beschäftigt Unternehmen in der Logistik derzeit intensiv. Gilt das auch für die Chemiebranche?
A. Backhaus: Unternehmen stehen in einem intensiven Wettbewerb um Fachkräfte. Das gilt für bestimmte Berufsbilder in der Chemiebranche wie für die Logistik. Dabei hat ein Logistikdienstleister zum Teil andere Anforderungen als die Logistik der verladenden Industrie, wo sie als Teil der Operations die Produktion versorgt und die Endprodukte für den Kunden bereitstellt. Auf jeden Fall hat der Wirtschaftsbereich Logistik viel Potenzial für die Zukunft und ist damit interessant für Nachwuchskräfte, um die es zu werben gilt.
Die Unternehmen werden auch nach Alternativen suchen müssen. So lassen sich Routineaufgaben automatisieren und beispielweise über „Robot Process Automation“ ausführen oder Intralogistiktransporte mit AGVs (Anm. d. Red.: Automated Guided Vehicle AGV) durchführen.
C. von Ettingshausen: Der demografische Wandel und die daraus entstehende Knappheit an Fachkräften ist für die Lausitz insgesamt eine Herausforderung, für unsere Branche ebenso wie für alle anderen. Die Digitalisierung ist ein wichtiger Ansatzpunkt, diese Herausforderungen zu bewältigen.
Wie schaffen Sie es, am Standort Schwarzheide den Fachkräftebedarf weiterhin zu decken? Welche Rolle spielt auch hierbei der Strukturwandel?
C. von Ettingshausen: Unseren Bedarf an Facharbeitern decken wir über unsere eigene Ausbildung. Wir bilden seit Jahren mit fast zehn Prozent deutlich über dem Bundesdurchschnitt aus. Über Kooperationen mit Hochschulen möchten wir kontinuierlich unseren akademischen Nachwuchs rekrutieren. Durch ein breites Aufgabenspektrum, ein intaktes Betriebsklima und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf möchten wir außerdem sehr attraktiv für unsere Mitarbeiter bleiben und ebenso für Fachkräfte, die wir für unser Unternehmen rekrutieren.
Um den Fachkräftebedarf in der Region zu sichern, braucht es aber weit mehr als das. Eine Aus- und Weiterbildung auf Spitzenniveau in der Region ist ein Bestandteil, um die Lausitz noch zukunftsfähiger aufzustellen. In einem Leistungszentrum Lausitz sollen bestehende Angebote der Aus- und Weiterbildung für industrielle Berufe gebündelt werden. Dieses Vorhaben aus der gemeinsamen Erklärung von BASF und dem Land Brandenburg unterstützen wir intensiv.
Digitalisierung kann helfen, mit Ressourcen wie Personal, Infrastruktur, Maschinen, Wissen oder Daten besser umzugehen und insgesamt flexibler und unabhängiger zu werden. Wo sehen Sie Chancen und Möglichkeiten für die Logistik eines Chemieunternehmens?
A. Backhaus: Digitalisierung macht Arbeit sicherer und zum Beispiel mit Hilfe von Exoskeletten auch ergonomischer. Damit kann sie dabei helfen, Menschen im Arbeitsprozess zu halten. Insgesamt können Abläufe und Tätigkeiten durch digitale Methoden effizienter und zuverlässiger gemacht und Routinetätigkeiten automatisiert werden. Damit werden mehr Freiräume für wertschaffende Tätigkeiten geschaffen. Die Basis bleiben auch hier die Mitarbeiter, die es gilt, in innovative Prozesse einzubinden und für neue Aufgaben zu qualifizieren.
Die BASF Schwarzheide will der erste vollständig digital transformierte Produktionsstandort innerhalb der BASF-Gruppe werden. Was sind aktuelle Themen, mit denen sich das Unternehmen beschäftigt?
C. von Ettingshausen: Die digitale Transformation steht auf zwei Beinen – der Technologie und der Menschen. Unser technisches Anwendungsportfolio ist entsprechend breit gefächert. So optimieren wir mit Hilfe von Augmented Reality, Predictive Maintenance oder Big Data die Verfügbarkeit unserer Anlagen, unseren Rohstoffeinsatz oder unsere Bestände. In diesem Veränderungsprozess sind unsere Mitarbeiter eng eingebunden und werden intensiv qualifiziert.
Wenn Sie sich eine Innovation seitens der Logistikdienstleister wünschen könnten, welche wäre das?
A. Backhaus: Ein durchgängiges Track & Trace für die chemische Industrie als Abbild der realen Warenströme in Echtzeit in den Informationssystemen. Wir bewegen täglich viele Tonnen an Rohstoffen von A nach B – sei es innerhalb eines Standortes oder auf dem Weg zum Kunden. Mit Hilfe von IT-Anwendungen sollte es uns und unseren Kunden möglich sein, die bestellten Produkte nachverfolgen und gegebenenfalls korrigierend eingreifen zu können. Das ist in anderen Industrien bereits Standard.
Eine enge Partnerschaft pflegt die BASF in Schwarzheide mit dem Deutschen Hygienemuseum Dresden, wo auch der Vortragsteil des Forums Chemielogistik stattfindet.Was ist der Hintergrund?
C. von Ettingshausen: Seit mehr als zehn Jahren ist die BASF Schwarzheide Kooperationspartner des Gläsernen Labors im Deutschen Hygienemuseum Dresden. Hier haben Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit unter sachkundiger Anleitung zu experimentieren. Die angebotenen Themenkomplexe sind mittlerweile eine feste Größe in der pädagogischen Arbeit vieler Grundschulen, Oberschulen und Gymnasien.
Wir bieten gezielt Schülerinnen und Schülern in Südbrandenburg die Möglichkeit, das Gläserne Labor zu besuchen. Rund 4.000 Mädchen und Jungen haben dort – gesponsort von uns – experimentiert. Diese Kooperation ist Teil unserer Aktivitäten, Nachwuchs für Naturwissenschaften zu begeistern.