Darmstadt: Wissenschaft als gelebte Wirklichkeit
28.12.2011 -
Darmstadt: Wissenschaft als gelebte Wirklichkeit
Kaum einer deutschen Stadt ist so intensiv mit Innovation und Technologie verbunden wie jener der Wissenschaftsstadt Darmstadt. Drei Hochschulen und über 30 weitere hochrangige wissenschaftliche Institutionen belegen den besonderen Fokus der Stadt auf FuE-Aktivitäten. Herausragende Institutionen sind beispielsweise die drei Fraunhofer-Institute – die einzigen in Hessen – und die Gesellschaft für Schwerionenforschung, GSI, die auch in der Krebsforschung eine bedeutende Rolle spielt. Bei der GSI wird derzeit „FAIR“ errichtet, eine Beschleunigeranlage, die Antiprotonen- und Ionenstrahlen mit bisher unerreichter Intensität und Qualität liefern wird. Herzstück ist ein Doppelringbeschleuniger mit 1.100 m Umfang. Die Gesamtkosten betragen 1,2 Mrd. €. Die Fertigstellung dieses bedeutendsten Projekts der Grundlagenforschung im Fahrplan des Europäischen Strategieforums für Forschungs-Infrastrukturen (ESFRI), ist für 2015/2016 geplant.
Seit einem Jahrzehnt begrüßt Darmstadt seine Gäste an den Stadtgrenzen als „Wissenschaftsstadt“. Verliehen 1997 durch die Hessische Landesregierung ist „Wissenschaftsstadt“ in und für Darmstadt jedoch weit mehr als nur ein Ehrentitel.
Wissenschaftsstadt ist in Darmstadt tägliche gelebte Wirklichkeit. Bei einer Bürgerbefragung im Jahre 2006 antworteten über 90 % der Darmstädter, dass sie ihre Stadt für eine Stadt der Wissenschaft beziehungsweise der neuen Technologien halten. Ein besonderes Angebot ist dabei das seit 6. Dezember 2007 neu eröffnete Wissenschafts- und Kongresszentrum Darmstadtium, welches mit seiner extravaganten Architektur als State-of-the-art-Tagungsstätte brilliert. Als Jointventure von Stadt und Technischer Universität ist es gegenüber des alten Residenzschlosses und des TU-Hauptgebäudes ein Glas, Stahl und Stein gewordenes Symbol der Wissenschaftsstadt.
Weiterer wesentlicher Standortfaktor Darmstadts ist seine geografische Lage. Bekanntlich behauptet fast jeder Wirtschaftsstandort „mitten in Europa“ zu liegen. Darmstadt kann dies belegen, ohne die Realitäten verzerren zu müssen. Vom südlichen Oberzentrum der Rhein- Main-Region aus ist der Flughafen Frankfurt in 15 Minuten erreichbar. Ein ICE-Anschluss, der ausgebaut werden soll, und ein leistungsfähiges Autobahnkreuz sind ebenso vorhanden. Die Kombination von FuE-Affinität und Erreichbarkeit macht die Wissenschaftsstadt Darmstadt zum „Gehirn der Rhein-Main-Region“. Auch ins Rhein-Neckar- Dreieck mit Heidelberg und Mannheim/Ludwigshafen sind die Wege kurz. Die Lage prädestiniert Darmstadt z. B. als idealen Standort für Deutschland- oder Europa-Stützpunkte nordamerikanischer oder asiatischer Chemie-, Pharma und Biotech-Unternehmen.
Unternehmen, die den Standort prägen
Darmstadt bietet als kleine Großstadt bei nur 140.000 Einwohnern annähernd 120.000 Arbeitsplätze. Dies ist ein selten übertroffenes Verhältnis und belegt die enorme Wirtschaftskraft. Ein zentrales Cluster des Wirtschaftslebens ist der Bereich Chemie/Pharma/Biotech. Die Unternehmen dieses Clusters zählen zu den Stützpfeilern des Standorts. Allen voran ist dabei der wichtigste Arbeitgeber der Stadt, die Merck KGaA zu nennen, die an der Frankfurter Straße ihr Headquarter hat, Forschungszentren konzentriert und über wichtige Produktionsstätten verfügt. Bereits 1668 entstanden aus einer Apotheke, ist Merck heute das älteste pharmazeutische Unternehmen der Welt und ein Stück Stadtgeschichte. Es war Heinrich Emanuel Merck, der bereits ab 1827 in Darmstadt den Übergang zur industriellen Produktion einleitete. Der Erwerb des Schweizer Biotechstars Serono hat für das Unternehmen jüngst ein neues Kapitel einer globalen Success-Story eingeleitet.
Ein anderes Flaggschiff des Standorts ist Evonik Röhm im 100. Jahr der Firmengeschichte. Der Name ist weltweit verbunden mit seinem Produkt Plexiglas, das ab den 1930er Jahren von Darmstadt aus die Welt eroberte. Dass Röhm auch in der Enzymforschung Maßstäbe gesetzt hat, wird darüber manchmal übersehen. Burnus war ab 1914 das erste organische Waschmittel überhaupt – auf Enzymbasis.
Weitere Unternehmen aus dem Bereich Chemie und Life Sciences sind z. B. die gemäß NACE-Code zur chemischen Industrie zählenden Haarkosmetik-Topunternehmen Wella, als Teil der Procter & Gamble- Familie, Goldwell-KPSS, eine Tochter des japanischen KAO-Konzerns, sowie die Deutschland-Zentrale von Applied Biosystems oder Firmen wie AB Enzymes oder Steigerwald.
Aktive Gründer- und Spin-off-Szene
Vertreter sind unter anderen NZyme Biotec, eine Ausgründung aus TU und Hochschule in enger Partnerschaft mit Döhler, und Sus Tech, ein Jointventure zwischen TU und Henkel. Genius wiederum zählt inzwischen zu den renommierten Biotech- und Wissenschaftskommunikatikonsagenturen in Deutschland. Insgesamt beschäftigt das Cluster in Darmstadt über 12.000 Menschen. Wichtige Quelle hochqualifizierter Arbeitskräfte sind dabei die bereits genannten Protagonisten TU und Hochschule Darmstadt, die in den letzten Jahren konsequent ihre biotechnologierelevanten Studiengänge weiterentwickelt haben.
Die TU Darmstadt bietet neben den klassischen Studiengängen Biologie und Chemie auch den interdisziplinären Studienschwerpunkt Biotechnik an. In Kooperation mit der Universität forscht das Biotechnik- Zentrum Darmstadt in Bereichen wie Bionik, Biomedizintechnik und Biomechanik. Beide Hochschulen sind mit zusammen ca. 1.700 Studierenden in den betreffenden Fächern starke Partner für die lokale Chemie-, Pharma- und Biotech-Branche.
Die Zukunft kann in der Stadt Justus Liebigs also kommen. Ab Ende 2008 werden die US-Streitkräfte vorrausichtlich 120 ha innerstädtischer Flächen an die Bundesrepublik zurückgeben – wertvolle Flächen, um neue Wohnquartiere und Gewerbegebiete zu entwickeln. Darmstadt kann also auf seinem guten Weg weiter wachsen. Neue Unternehmen müssen deshalb aber nicht warten. Bereits heute bietet Darmstadt mehr als nur eine attraktive Standortoption.