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Biodieselanlage im schweizerischen Bad Zurzach

Wundermittel oder Teufelszeug?

01.12.2010 -

Eine Produktionsanlage für Biodiesel im nahe der deutschen Grenze gelegenen Bad Zurzach soll schon bald dazu beitragen, dass die Schweiz ihre CO2-Emissionen reduzieren kann. Der Schweizer Biodiesel wird zudem keine Nahrungsmittel konkurrenzieren.

Ein Thema beherrscht zurzeit die Schlagzeilen: Der Klimawandel. Die Abhängigkeit unserer Gesellschaft vom Erdöl, dem Hauptverursacher der Treibhausgases CO2, ist enorm. Und dennoch will niemand auf die Mobilität oder gar seinen Arbeitsplatz verzichten - auch nicht in der Schweiz. Biogene Treibstoffe sind daher in aller Munde. Für die einen gelten sie als Wundermittel, für andere als Teufelszeug.

Mit der Ratifizierung des Kyoto-Protokolls hat sich die Schweiz verpflichtet, die CO2-Emissionen bis 2010 um 12% im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Steigt der Treibstoffverbrauch in gleichem Maße wie bis anhin, wird das Ziel auf keinen Fall erreicht. Im Januar 2008 verabschiedete die Schweizerische Landesregierung die lange erwartete Verordnung zum revidierten Mineralölsteuergesetz, mit dem das Parlament nachhaltige Biotreibstoffe fördern will.

Das Gesetz regelt unter anderem, welche biogenen Treibstoffe wie weit von der Mineralölsteuer befreit werden können. Allerdings verlangt das zuständige Bundesamt für Umwelt, dass jeder einzelne Rohstoff die ökologischen und sozialen Mindestanforderungen erfüllt. In Sachen Nachhaltigkeit setzt das Mineralölsteuergesetz die Messlatte also zum Vornherein hoch, wenn die Anbieter von Biotreibstoffen von der Mineralölsteuer befreit werden wollen.

Die Grundlage dazu, eine von der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt (Empa) erarbeitete Studie, ist allerdings ziemlich umstritten. Die Kritiker bemängeln vor allem deren auf die Landwirtschaft beschränkte Methodik und die daraus resultieren Voreingenommenheit. „Das Bundesamt für Umwelt hat die Mängel erkannt", sagt der zuständige Sektionschef Mathias Tellenbach. Er wird beim Beurteilen der Rohstoffe Kriterien wie die CO2-Reduktion, der erneuerbare Charakter, die Energiebilanz und die Verwertung der Reststoffe stärker gewichten, als dies die Empa-Studie tut.

Dennoch oder gerade deshalb ruft diese Ausgangslage die Investoren auf den Plan. So plant die Green Bio Fuel Switzerland (GBF) in Bad Zurzach nahe der deutschen Grenze eine große Produktionsanlage, die schon bald 135 Mio. Liter Biodiesel pro Jahr herstellen wird. Die Menge entspricht rund 5% des jährlichen Dieselverbrauchs der Schweiz. „Wir möchten 5% beimischen und den Biodiesel möglichst flächendeckend anbieten", erklärt GBF-Geschäftsführer Jörg Säger.

Bis dato existieren in der Schweiz nur kleine Anlagen, die insgesamt weniger als 15 Mio. Liter Biodiesel vorwiegend aus Fetten und Ölen aus der Lebensmittelindustrie produzieren. Mit einer Produktion von 135 Mio. Liter Biodiesel pro Jahr wird die Anlage der GBF einen bedeutenden Beitrag an die Reduktion der Klimagas-Emissionen leisten. Immerhin 10% der CO2-Emissionen, zu der sich die Schweiz im Kyoto-Protokoll verpflichtete, können damit eingespart werden.
Als nachwachsende Rohstoffe für Biodiesel eignen sich Pflanzensamen mit einem Ölgehalt von 40-45%. Als herkömmliche Ölpflanzen wurden bisher Raps, Ölpalmen, Sonnenblumen oder Soja verwendet. Heute stehen neue Rohstoffe wie die nicht essbare Jatropha-Nuss, so genannter Ertragsraps, der für die Speiseölherstellung nicht geeignet ist, und wieder verwendetes Altöl oder Tierfett zur Verfügung. Diese Rohstoffe stehen nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Aus Qualitäts- und Nachhaltigkeitsgründen werden im Projekt der GBF nur Jatropha- und Rapsöle verwendet.

Durch eine einfache chemische Reaktion wird die GBF-Anlage das Pflanzenöl in Biodiesel umwandeln. Mit Hilfe eines Katalysators und unter Zugabe von Methylalkohol erfolgt die Aufspaltung des Pflanzenöls. Neben dem Biodiesel fällt als Wertstoff Glyzerin an. Überschüssiges Methanol wird durch Destillation entfernt und wieder dem Kreislauf zugeführt. Glyzerin ist ein wichtiger Rohstoff für die chemische Industrie und wird dort unter anderem zur Herstellung von Kosmetika eingesetzt.

Die GBF wird ihr Jatrophaöl aus Mosambik importieren. Dass Jatropha keine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion darstellt und sich ihr Anbau vorteilhaft auf die lokale Wirtschaft in den Entwicklungsländern auswirkt, sorgt auch für eine positive Öko- und Sozialbilanz der GBF. Die erst kürzlich geführten Gespräche mit dem Schweizerischen Bauernverband zeigen, dass die Landwirtschaft an einer Steigerung der Rapsproduktion interessiert ist. Wesentlich dabei ist nicht die Qualität, sondern ein möglichst hoher Flächenertrag.

Biodiesel als erneuerbarer Ersatz für Mineralöldiesel ist ein unbedenklicher Treibstoff. Auf Basis der genannten Pflanzenöle ist es ungiftig und biologisch abbaubar. In Bezug auf Lagerung und Handhabung gilt Biodiesel als sicherster Kraftstoff. So liegt sein Flammpunkt bei rund 150 Grad Celsius. Mineralöldiesel entzündet sich dagegen schon bei 70 Grad.

Anfang Februar nahm die Gemeinde Bad Zurzach das Baugesuch inklusive Umweltverträglichkeitsbericht entgegen. Unterdessen steht fest, dass das anfallende Prozessabwasser auf der Anlage biologisch vorgereinigt werden muss. Zurzeit prüfen die Planer, ob die Abwasserreinigung mit einer Biogasanlage kombiniert werden soll. „Wir stehen dem Projekt positiv gegenüber", betont Gemeindeamtmann Franz Nebel. Gleiches lassen die Behörden des Kantons Aargau verlauten. Die GBF rechnet damit, dass die Baugenehmigung bis im Mai vorliegt.

Biodiesel aus Jatropha


Jatropha, die Purgiernuss, ist ein Busch, der in Regionen rund um den Äquator wächst. Diese Pflanze stellt kaum Ansprüche an ihre Umgebung. Jatropha wächst auch in Gegenden, in denen andere Pflanzen eingehen. Jatropha liefert den Rohstoff für die geplante Biodieselherstellung in der Schweiz.

  • Die Verwendung von Jatropha ist keine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Einerseits wächst der Jatropha-Strauch auf kargen Böden, die für den Anbau von Lebensmitteln nicht geeignet sind. Die Jatropha-Nuss ist zudem nicht genießbar.
  • Einmal gepflanzt, brauchen die Plantagen wenig Pflege. Die Ernte erfolgt von Hand. Diese Tatsachen reduzieren den Verbrauch an fossilen Treibstoffen im Vergleich zu anderen landwirtschaftlichen Nutzflächen erheblich.
  • Der Presskuchen wird als Dünger und als Pflanzenschutzmittel genutzt. Die Auswirkungen von Jatropha-Plantagen auf die Böden sind daher sehr vorteilhaft.
  • Jatropha-Plantagen müssen kaum bewässert werden.
  • Die Ergänzung zu anderen Pflanzenkulturen ist ausgezeichnet.
  • Aufgrund der Eigenschaften der Jatropha besteht kein Risiko der Rodung von Wäldern wegen Energieplantagen.
  • Gemäß Biologen können die Auswirkungen auf die Biodiversität sogar positiv sein.
  • Ihre Lebensdauer beträgt zirka 30 Jahre.