Funktionellen Farbstoffe
Von den Wurzeln der Farbstoffchemie bis hin zu Highchem-Produkten
Am 31. Mai und 1. Juni 2012 fand in Bitterfeld-Wolfen ein Innovationsforum mit dem Titel „Funktionelle Farbstoffe - Innovationen in Medizin und Technik" statt. Als Veranstalter fungierten die Entwicklungs- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft Anhalt-Bitterfeld (EWG) und das Technologie- und Gründerzentrum Bitterfeld-Wolfen (TGZ). Gefördert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Unterstützend wirkte außerdem die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) und hier insbesondere der Ortsverband Bitterfeld-Wolfen mit.
Das Forum zeigte internationale Entwicklungstrends bei der Forschung, der Produktion und der Anwendung von funktionellen Farbstoffen auf. Daneben wurde das Leistungspotential von mitteldeutschen Forschungseinrichtungen und Unternehmen der Branche, darunter besonders jene aus Bitterfeld-Wolfen und Umgebung, vorgestellt.
Für die Veranstalter hoch erfreulich war die Anzahl der Teilnehmer. Nachdem im Vorfeld deutschlandweit Naturwissenschaftler, Techniker und Mediziner, die in der Forschung, Entwicklung und Produktion tätig und an funktionellen Farbstoffen für medizinische und technische Anwendungen interessiert sind, eingeladen worden waren, konnten zur Veranstaltung insgesamt 170 Teilnehmer aus Deutschland und der Schweiz begrüßt werden.
Vielseitig Einsatzgebiete
Farbstoffe zum Färben von Textilien, Leder, Wachsen oder zur Herstellung von Druckfarben kennt jeder. Funktionelle Farbstoffe haben noch andere Eigenschaften, die in der Medizin, der Pharmazie, der Fotovoltaik, bei der Speicherung von Daten oder der Druckindustrie genutzt werden. Seit über 20 Jahren sind diese chemischen Verbindungen in den Fokus der genannten Anwendungen gerückt. Im Jahre 1989 fand in Osaka (Japan) das erste „International Symposium on Functional Dyes" statt. Der Begriff „funktionelle Farbstoffe" wurde gewählt, um die Farbstoffe für Hightech-Anwendungen von jenen mit traditioneller Nutzung, wie das einfache Färben, abzugrenzen. Dr. John Griffiths definierte dazu bereits im Jahr 1993 in der Zeitschrift „Chemie in unserer Zeit": „Ein funktioneller Farbstoff ist ein Farbstoff, der bei seiner Anwendung eine Funktion erfüllt, die nicht auf einer rein ästhetischen Farbgebung beruht." In dem Sinne sind die spektralen Sensibilisatoren in Silberhalogenidmaterialien, die zur Produktion von Filmmaterialien benötigt werden, die ersten großtechnisch verwendeten funktionellen Farbstoffe.
Auf dieser Kernkompetenz bei der Chemie der Cyanine und Merocyanine bauen mehrere Unternehmen der Region Bitterfeld-Wolfen auf und entwickeln diese für Anwendungen in neuen Technologiebereichen. Beispielsweise sind dies fluoreszierende Farbstoffe für die Analyse biochemisch und klinisch relevanter Substanzen (z. B. Tumor-
assoziierte Proteine, Antikörper, Hormone, Bakterien, Viren, Toxine), Sensibilisatoren für die fotodynamische Therapie, Farbstoffe für organische Leuchtdioden, farbstoffsensibilisierte Solarzellen, optische Datenspeicherung oder Sensibilisatoren in lithografischen Druckplatten.
Forschung auf hohem Niveau
Die Vorträge insgesamt spiegelten die Vielfalt der Einsatz- und Forschungsgebiete wider. Einige Beispiele sind im Folgenden aufgeführt:
Prof. Dr. Luisa De Cola von der Universität Münster beschrieb unter dem Thema „Soft and Hard Nanocontainers for Cell Imaging" langlebig emittierende Platin-Komplexe und deren individuelle Anpassung für vielfältige Anwendungen in biologischen Systemen. De Cola wies dabei nach, dass die Einführung funktioneller Farbstoffe, z. B. in transparente, poröse Nanozeolithe, den Aufbau multifunktionaler, biokompatibler Materialien (funktionalisierte Nanocontainer) ermöglicht. Diese können in der Biomedizin, z. B. zur Sammlung und fotoinduzierten Abtötung Antibiotika-resistenter Bakterien, eingesetzt werden.
Dr. Kai Licha, Mivenion, stellte in seinem Referat „Farbstoffe für die bildgebende Diagnostik: Vom Indocyaningrün zu neuen Biokonjugaten" die Bedeutung des Polymethinfarbstoffs Indocyaningrün für bildgebende biodiagnostische Zwecke in tieferen Gewebeschichten vor. Der Farbstoff bzw. die von ihm abgeleiteten Verbindungen sind für den nahen Infrarotbereich sehr wertvoll, da hier die Gewebeeigenfluoreszenz als Störfaktor vernachlässigbar ist.
Ein weiteres Anwendungsgebiet der func-dyes wurde von Dr. Michael Gäbler, Synthon Chemicals, dargelegt. In seinem Vortrag „Dichroitische Farbstoffe für den Einsatz in flüssigkristallinen Polymernetzwerken (LCP)" erläuterte er, wie diese Farbstoffe als optische Sicherheitselemente angewandt werden können. Somit können z. B. Geldscheine, Pharmaetiketten, Pässe und Urkunden so präpariert werden, dass Plagiate sofort und unkompliziert nachgewiesen werden können.
Auch auf den Gebrauch der funktionellen Farbstoffe bei der Drucktechnik wurde Bezug genommen. Dr. Harald Baumann, Kodak, erklärte zum Thema „Farbstoffe in lithografischen Druckplatten" die rasante Entwicklung der Produktivität in der Drucktechnik auf Basis negativ arbeitender Druckplatten. Diese entstehen durch computergesteuerte Laserbelichtung der infrarot-sensibilisierten fotopolymerisierbaren Schichten.
Im Abschlussvortrag „Von der spektralen Sensibilisierung zur Nutzung der Solarenergie - funktionelle Farbstoffe im Wandel der Zeiten" spannte Prof. Dr. Horst Hartmann von der TU Dresden noch einmal einen weiten Bogen von den Anfängen der synthetischen Farbstoffe, abgeleitet aus dem Steinkohlenteer, über die Azo- und Pigmentfarbstoffe bis hin zu den typischen funktionellen Farbstoffen der Gegenwart mit ihrem Einsatz in den verschiedenen Hochtechnologien. Damit wurde in sehr überzeugender Weise das Anliegen des Innovationsforums und die Bedeutung dieses Gebietes für die Zukunft demonstriert.
Die Zukunft im Blick
Mit dem Innovationsforum wurde der Grundstein für eine zukünftige Debatte zu funktionellen Farbstoffen gelegt. Die Unternehmen, vornehmlich aus der Region Bitterfeld-Wolfen und Mitteldeutschland, sind nun dabei, den Prozess fortzuführen. Denkbar wäre eine Kooperation untereinander mit dem Ergebnis eines Netzwerkes. Auch eine Entwicklung zu einem Markenverbund wird diskutiert. Forschungseinrichtungen und Produzenten dieser speziellen Farbstoffe aus ganz Deutschland sind eingeladen, an dieser Entwicklung im Sinne einer Win-win-Situation teilzunehmen.
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