Temperaturprofile im Hydrocracker mit Multipoint-Thermometern überwachen
Mehr Produktivität und Sicherheit mit iTherm Multisens-Kabelsonden
Bei der Raffinerie Heide kommt nun ein Multipoint-Thermometer vom Typ iTherm Multisens von Endress+Hauser im Hydrocracker zum Einsatz, mit dem Temperaturprofile überwacht und dadurch sowohl die Profitabilität als auch die Sicherheit der Anlage gesteigert werden.
In Schleswig-Holstein und insbesondere in Dithmarschen hat Erdöl eine lange Tradition. Bereits seit über 150 Jahren werden hier an der Nordseeküste Ölkreide und Rohöl gefördert und verarbeitet. Auf insgesamt 134 ha Fläche verarbeitet die Raffinerie Heide jährlich mehr als 4 Mio. Tonnen Rohöl an ihrem Unternehmensstandort in Hemmingstedt. Inzwischen kommt ein bedeutender Anteil des in Schleswig-Holstein verbrauchten Benzin- und Dieseltreibstoffs aus dieser Erdölraffinerie. Die Raffinerie Heide legt großen Wert auf Nachhaltigkeit und hat einige Projekte gestartet, welche einen bedeutsamen Beitrag zur Energiewende leisten sollen. Ein Beispiel ist das Reallabor-Projekt Westküste 100 mit dem Ziel, zukünftig nachhaltiger zu fliegen, zu bauen und zu heizen.
Genaues Messen sichert Qualität und Effizienz
In Öl- und Gasraffinerien sind Anlagen für katalytisches Hydroprocessing wie Hydrocracker (HCU) auf leistungsstarke Katalysatortechnologien angewiesen, um die Produktumwandlung zu maximieren, während eine effiziente Reaktionsführung die Umweltbelastung und die Kosten geringhalten soll.
Um die Raffinerieprozesse in Heide zu überwachen und präzise zu steuern, setzt der Betreiber auch auf die Feldinstrumente des Messtechnik-Herstellers Endress+Hauser. An vielen Stellen der Anlage ist der Parameter Temperatur besonders relevant, weil er maßgeblich ist für die Steuerung der Anlage sowie für die Qualität der Reaktionen. In großen Reaktoren wie z. B. dem Hydrocracker reicht es jedoch nicht aus, die Messung nur durch wenige Thermometer oder gar nur durch ein einziges Gerät vorzunehmen, weil an verschiedenen Stellen des Reaktors unterschiedliche Temperaturen vorherrschen. Hier kommen große Multipoint-Thermometer zur Temperaturprofilanalyse zum Einsatz, die eine Vielzahl an Thermoelementen bündeln, welche die Temperaturen an verschiedenen Punkten messen und ein differenziertes Abbild der Temperaturverteilung zeigen. Dies steigert sowohl die Qualität der Reaktion als auch die Sicherheit der Anlage.
Multipoint-Thermometer für extreme Prozessbedingungen
Multipoint-Temperaturmessgeräte mit Thermoelementen sind in der Industrie weit verbreitet, da sie die optimale Wärmeverteilung überwachen und so Hotspots und eine verfrühte Deaktivierung des Katalysators unter hoher Temperatur und hohem Druck sowie korrosiven Bedingungen vermeiden.
Die meisten konventionellen Multipoint-Thermoelementsonden haben jedoch zwei große Schwächen:
- Zuverlässigkeit: Ein als Schwefelwasserstoff- (H2S-)Verunreinigung bekanntes Phänomen schädigt unter bestimmten Prozessbedingungen herkömmliche Magnesiumoxid (MgO)-Kabel. Eine H2S-Verunreinigung kann die Messgenauigkeit beeinträchtigen. Erklärtes Ziel ist es daher, durch zuverlässige Messungen den Produktionsbetrieb in einer sicheren Fahrweise zu halten.
- Einbaugröße: Die Thermoelementsonden sind vergleichsweise invasiv, d. h., sie nehmen wertvollen Platz in Katalysatorbetten ein, was zu unerwünschten Druckabfällen und Channeling führen kann. Durch ihre Abmessungen verhindern sie dichtere Katalysatorfüllungen.
Maßgeschneiderte Lösungen
Bei Prozesstemperaturen von bis zu 450 °C und einem Druck von ca. 200 bar sowie H2S im Prozess sind die Thermoelemente im HC-Reaktor der Raffinerie Heide extremen Bedingungen ausgesetzt. Da in der Vergangenheit immer wieder Thermoelemente unzuverlässig gearbeitet haben, wurde 2018 ein Feldtest mit den neuen Multipoint-Thermometern iTherm Profilesens TS901 gestartet und die Sensoren wurden im Rahmen des Tests mit herkömmlichen Thermoelementen verglichen. Auch bei diesem Feldtest ist bei einem Standardthermoelement bereits nach kurzer Zeit ein Drift zu erkennen gewesen.
Die neue Sensortechnologie iTherm Profilesens waren jedoch davon nicht betroffen. Nach einiger Zeit folgten weitere Standardthermoelemente, die einen Drift aufwiesen oder ausgefallen sind. Die Thermoelemente der Serie von Endresse+Hauser blieben alle stabil.
Aufgrund dieser Ergebnisse hat sich die Raffinerie Heide entschieden, beim Stillstand im Jahr 2021 die Multipoint-Sensoren komplett mit der neuen Sensortechnologie iTherm Profilesens auszustatten.
Anfang Juni 2021 wurden die neuen Thermoelemente eingebaut. Für die Montage waren drei Arbeitstage geplant. Aufgrund der neuen Technologie war die Montagezeit im Vergleich zu den alten Sensoren jedoch um ca. 50 % kürzer. Die Mitarbeiter der Raffinerie Heide waren begeistert, wenn man bedenkt, dass die Anlage früher als geplant wieder in Betrieb gehen konnte – Zeit ist Geld!
Die Auswirkungen einer H2S-Verunreinigung
Ein Sensordrift oder eine Beschädigung verursacht fehlerhafte Messwerte, die vom Betriebs- und Prozesssteuerungspersonal unentdeckt bleiben können. Dieses Szenario ist nicht unkritisch, da falsche oder fehlende Informationen in der Messkette zu betrieblichen Entscheidungen mit schlechten Ergebnissen für die Reaktionseffizienz führen.
Den Untersuchungen der Messtechnikspezialisten aus Weil am Rhein und der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur zufolge sind die Abweichungen in der Messgenauigkeit (Drift) von verunreinigten Thermoelementen üblicherweise negativ: Der angezeigte Wert ist niedriger als die tatsächliche Temperatur. Abgesehen davon, dass es sich hierbei um ein großes Kostenproblem handelt – Energieverschwendung und schnellerer Katalysatoralterung – stellt ein solcher Zustand außerhalb der Spezifikation ein Sicherheitsrisiko dar. In wasserstoffreichen Umgebungen kann es an Schwachstellen des Metallmantels zu wasserstoffinduzierten Spannungsrissen kommen, die mit der Zeit so groß werden, dass der Metallmantel komplett bricht. Diese Beschädigung führt dazu, dass größere Moleküle der Prozessflüssigkeit (z.B. H2S) in das Innere des isolierenden MgO-Pulvers gelangen und es verunreinigen.
MgO-Pulver kann dann unter anderem mit Schwefel und Nickel reagieren. Das nun verunreinigte MgO-Pulver ermöglicht durch die Kombination von Nickel aus den Thermoelement-Leitungen, dem Metallmantel sowie Schwefel aus dem Prozess die Bildung von hochleitfähigem Ni3S2.
Wenn der verunreinigte Bereich wächst, bilden die freiliegenden elektrischen Leitungen einen Kurzschluss, der die Genauigkeit des Sensors beeinträchtigt oder dazu führt, dass die „hot junction“ des Thermoelements wandert. Es besteht ein Risiko, dass die gemessene Temperatur nicht mehr der tatsächlichen Prozesstemperatur entspricht.
Doppelt geschützte Sensoren
Ein neues robustes Design für Multipoint-Thermoelementsonden fasst mehrere Thermoelementsonden in eine Kabelsonde zusammen. Die minimalinvasiven Multipoint-Kabelsonden iTherm Profilesens TS901 bestehen aus zwei oder mehr unabhängigen Temperatursensoren, die in einen gemeinsamen Außenmantel aus Metall eingebettet sind. Der Außenmantel fungiert als integriertes Schutzrohr, während der Zwischenraum mit hochverdichtetem, isolierendem MgO-Mineralpulver gefüllt ist.
Da die Sensoren völlig unabhängig voneinander sind, hat eine Verschmutzung des äußeren MgO-Pulvers keinen Einfluss auf die elektrische Leitfähigkeit der Sensoren im Inneren und auf deren Betrieb. Diese doppelte Schutzschicht führt zu einer sehr hohen Sensorzuverlässigkeit, wie man sie von einem separaten Schutzrohr erwarten würde, während gleichzeitig die Flexibilitätseigenschaften biegsamer Kabelsonden erhalten bleiben.
Ergebnis und Rendite
Zusätzlich zur verbesserten Prozesssicherheit, -steuerung und -zuverlässigkeit erschließt die Messtechnologie das Rentabilitätspotenzial in dreierlei Hinsicht:
- platzsparend für eine dichtere Katalysatorfüllung
- (minimalinvasives Design)
- vermeidet vorzeitige Stillstände oder Wartungsarbeiten
- wegen ausgefallener Messgeräte (Robustheit)
- Prozesse werden näher an ihrem Leistungsoptimum
- betrieben (höhere Messgenauigkeit)
Während ein Drift bei Thermoelementmessungen ein bekanntes Phänomen ist, sind die zugrundeliegenden Ursachen für das Fehlverhalten der Sensoren jenseits des typischen Drifts den Betreibern von Raffinerien noch weitgehend unbekannt. Das Wandern der „hot junction“ bleibt in den meisten Fällen sogar unerkannt, sodass Prozesssteuerungsingenieure das verlorene Potenzial nicht einmal bemerken.
Umfangreiche Tests und wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass mechanische Beanspruchung, Abrieb, Korrosion, wasserstoffinduzierte Spannungsrisse und daraus resultierende H2S-Verunreinigungen die Hauptursachen für den Verlust von zuverlässigen Daten sind und die Prozesseffizienz, -sicherheit und -kontrolle bedrohen.
Mit der neuen iTherm Profilesens-Technologie von Endress+Hauser wird eine zweite Schutzschicht für Thermoelement-Messsysteme eingeführt, während die Sensoren vollständig unabhängig bleiben. Mit einer hohen Messleistung auch unter schwierigen Betriebsbedingungen hat sich das Design im Betrieb bewährt und senkt ganz erheblich das Risiko von vorzeitiger Sensordrift, Korrosion oder Kurzschlüssen.
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