Evonik setzt auf innovative Produktionsverfahren
Mit Elektrochemie zu echter Kreislaufwirtschaft
Elektrochemische Prozesse gewinnen an Bedeutung. Ein erfolgreiches Beispiel ist die Rückgewinnung wertvoller Stoffe aus Nebenströmen einer Produktion, an der ein interdisziplinäres Team aus Research, Development & Innovation und Verfahrenstechnik um Silvia Blank-Shim in Hanau forscht. Der Industriepark Hanau ist ein innovatives Produktions- und Forschungszentrum für Materialtechnologie, Chemie und Pharma.
Die Elektrochemie erlebt seit einigen Jahren eine beeindruckende Renaissance. Im Mittelpunkt stehen dabei Plasmachemie und Elektrolyseverfahren, bei denen Elektronen als Rohstoff genutzt werden. Diese Verfahren könnten künftig sowohl Basis- als auch Spezialchemikalien in großen Mengen unter Verwendung von Elektrizität aus erneuerbaren Quellen produzieren und somit den Ausstoß von Treibhausgasen reduzieren. Vor diesem Hintergrund hat Evonik 2020 die Plattform „Elektrochemische Prozesse & Produkte“ gegründet, die im elektrochemischen Kompetenzzentrum in Hanau angesiedelt ist und den Austausch von Fachwissen im Unternehmen fördert.
Einen besonders vielversprechenden Ansatz bietet die Elektrodialyse. Sie ermöglicht es, Rohstoffe aus Nebenströmen chemischer Reaktionen zu gewinnen. Ein Paradebeispiel ist die pH-Wert-Einstellung, ein wesentlicher Prozessschritt in vielen Verfahren. Durch den Einsatz von Elektrodialyse lässt sich – nur mit Hilfe von Strom und speziellen Membranen – der pH-Wert verändern und der Einsatz von Säuren und Laugen vermeiden. Zusätzliche Salzfrachten im Produktstrom und die damit nachfolgend verbundenen Aufarbeitungsschritte können dadurch umgangen werden; die Reduktion von Salzfrachten in Abwässern und ein verringerter CO2-Fußabdruck sind weitere positive Aspekte.
„Die Elektrodialyse bietet zahlreiche Vorteile: Sie ermöglicht eine Anpassung des pH-Werts ohne den Einsatz zusätzlicher Chemikalien und gleichzeitig eine gezielte Abtrennung von Ionen. Es werden – im Gegenteil – sogar Säuren oder Basen erzeugt, was die Betriebskosten senken kann und umweltfreundlich ist. Die Technologie ist modular, skalierbar und ermöglicht eine präzise Steuerung und Ressourcengewinnung“, erläutert Silvia Blank-Shim, Prozessentwicklerin bei der Verfahrenstechnik. „In der Praxis hat sich gezeigt, dass etwa 20 % der Verfahren durch Elektrodialyse effizienter und umweltfreundlicher gestaltet werden können“, ergänzt Projektmanagerin Melania Prado Merini.
Die Elektrodialyse ist ein Membranverfahren, bei dem in einem elektrischen Feld geladene Teilchen (Ionen) durch Membranen wandern, die nur für eine Ionenart, positiv oder negativ geladen, durchlässig sind. Mit sog. bipolaren Membranen wird Wasser in positive Wasserstoff- und negative Hydroxidionen aufgespalten. Die geladenen Teilchen ersetzen in der Lösung die entsprechenden Kationen und Anionen und verändern so den pH-Wert. Durch die Anpassung des pH-Werts wird der gelöste Wertstoff, das Produkt von Animal Nutrition, in der Flüssigkeit zum Feststoff. Dieser kann abfiltriert und wiederverwendet werden.
Ein erfolgreiches Anwendungsbeispiel, an dem sie forschen, ist die Rückgewinnung von Wertstoffen aus Produktionsnebenströmen. Die Kollegen von Blank-Shim verfolgen einen besonders nachhaltigen Ansatz über Elektrochemie. Durch den elektrochemischen pH-Shift wird der Wertstoff zum Feststoff und lässt sich so zurückgewinnen. Anders als beim konventionellen Verfahren kann auf die Zugabe von Säuren und Basen verzichtet werden.
Dieses innovative Verfahren soll in den kommenden Jahren skaliert werden. Eine Pilotanlage ist für die nahe Zukunft geplant – mit dem Ziel, anschließend in den großtechnischen Einsatz zu gehen. Die bisherigen Ergebnisse zeigen hohe Ausbeuten.
Durch die Transformation von Nebenströmen in Wertströme mittels Stroms leistet Evonik einen wichtigen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft. Der CO2-Fußabdruck der elektrochemischen Herstellung von diesen zurückgewonnenen Rohstoffen ist meist um zwei Drittel niedriger als bei herkömmlichen Prozessen, und bei der Nutzung von grünem Strom sogar noch geringer. Das Verfahren wird auch für andere Produkte getestet und birgt somit Potenzial für erhebliche Optimierungen hinsichtlich Kosten und Nachhaltigkeit in der Produktion – ein echter „Zukunftsmacher“ also. (op)