Personal & Karriere

E-Sport – eine Antwort im War for Talents?

Gamer als ideale Mitarbeiter in der chemischen Industrie

13.08.2024 - In der Unternehmenswelt spielen E-Sports und Gaming eine immer wichtigere Rolle, insbesondere in den Bereichen Human Resources und Employer Branding.

Alexander Albrecht, Geschäftsführer der E-Sports-Agentur Build a Rocket, erläutert, wie Unternehmen aus der chemischen Industrie durch ein Engagement im E-Sports-Bereich Talente gewinnen und halten können. Denn Gamer eignen sich für die Branche besonders gut: Ihre mehrheitliche Vorliebe für MINT-Fächer ist besonders wertvoll.

In einer schnelllebigen Gesellschaft, die von technologischen Innovationen und sich wandelnden Arbeitswerten geprägt ist, steht die chemische Industrie vor der Herausforderung, technikaffinen Nachwuchs zu gewinnen. Hoch qualifizierte und mit digitalen Technologien vertraute Zielgruppen sind auf dem Arbeitsmarkt stark umworben und schwer zu rekrutieren. Der demografische Wandel führt zudem zu alternden Belegschaften. Gaming und E-Sport bieten Unternehmen die Möglichkeit, gezielt jüngere Generationen anzusprechen und langfristig eine vielfältigere Belegschaft aufzubauen.

Klassische Rekrutierungsmethoden wie Stellenanzeigen in Jobportalen oder Printmedien verlieren bei diesen Zielgruppen an Wirkung. Die Unternehmen der Branche müssen kreative Wege und neue Kanäle finden, sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren und sich vom Wettbewerb abzuheben.

Dazu gehören Maßnahmen wie die verstärkte Nutzung von Social Media für das Employer Branding, die Einführung flexibler Arbeitsmodelle, die Pflege einer integrativen Unternehmenskultur und die Bereitstellung gezielter Weiterbildungsmöglichkeiten. Um potenzielle Bewerber anzusprechen und bestehende Mitarbeiter zu motivieren, sollten Unternehmen in Betracht ziehen, sich Gaming und E-Sports zu Nutze zu machen. Das beginnt bei Gaming-Räumen und Spielkonsolen im Unternehmen und reicht über Recruiting-Instrumente bis hin zu Engagements bei Gaming-Influencern und im E-Sport. Darüber hinaus eröffnen spielerische Ansätze auch in der Bewerberauswahl – dem Assessment – und in der Mitarbeiterschulung neue und spannende Wege.

Digitale Vorreiter in der chemischen Industrie

E-Sports fördert Fähigkeiten, die auch im Berufsleben der chemischen Industrie gefragt sind. Durch das Gaming verbessern die Spieler ihre Fähigkeit, sich über längere Zeiträume zu konzentrieren und komplexe Handlungen präzise auszuführen. Diese Präzision und Ausdauer sind besonders dort wichtig, wo es auf genaues und sorgfältiges Arbeiten ankommt. Darüber hinaus sind E-Sportler digital versiert und verfügen über umfassende Kenntnisse in Informationstechnologien und digi­talen Lösungen. Digitalisierung ist ein zentraler Aspekt der modernen Arbeitswelt. Gaming und E-Sports sind Beispiele für den erfolgreichen Einsatz digitaler Technologien und können als Blaupause für die Implementierung digitaler Prozesse in der chemischen Industrie dienen.

Die teamorientierte Arbeitsweise von E-Sportlern macht sie zu wertvollen Mitarbeitern in Unternehmen, die eine starke Teamkultur und effektive Zusammenarbeit fördern. E-Sports steht an der Spitze der Digitalisierung und schult die Teilnehmer in wichtigen digitalen Kompetenzen. E-Sports-Spieler lernen, dezentral zu arbeiten, digitale Tools effizient zu nutzen und flexibel auf Veränderungen zu reagieren.

Die Integration von E-Sports kann also weit mehr als nur einen HR-Effekt haben: Im Idealfall kann sie dazu beitragen, die gesamte Organisation zu verändern und die notwendigen Kompetenzen für die Zukunft zu entwickeln.

Internationale Kompetenz

In der stark global ausgerichteten chemischen Industrie wird die Fähigkeit, effektiv in Englisch zu kommunizieren, immer wichtiger. Die meisten Gamer bringen diese wichtige Fähigkeit bereits mit. Der Grund dafür liegt in der internatio­nalen Natur von Computerspielen und der gesamten E-Sports-Kultur, in der Englisch die dominierende Sprache ist. Gamer interagieren regelmäßig auf Englisch mit Teammitgliedern aus verschiedenen Ländern und mit einer internationalen Community. Sie verfolgen auch englische Übertragungen von E-Sports-Turnieren auf hohem Niveau und nutzen häufig englische Spielanleitungen, Turnierregeln und Kommunikations­plattformen wie Discord und YouTube, um mit Gaming-Inhalten zu interagieren. Diese kontinuierliche Praxis schärft ihre Englischkenntnisse, die sie dann in der global vernetzten Welt der chemischen Industrie effektiv einsetzen können, sei es in der Kommunikation mit internationalen Partnern oder beim Verfassen und Verstehen technischer Dokumentationen.
 

© Build a rocket
Gamer eignen sich für die Chemiebranche besonders gut: Ihre mehrheitliche Vorliebe für MINT-Fächer ist besonders wertvoll. © Build A Rocket

 

Erfolgsfaktor Authentizität

In der Welt von Gaming und E-Sports ist Authentizität ein zentraler Faktor, vergleichbar mit etablierten Sportarten wie Fußball oder den großen US-Ligen wie NFL und NBA. So engagiert sich die BASF im E-Sports und ist Partner des Teams „No Need Orga“ (NNO), um von der Begeisterung und Leidenschaft der Fans zu profitieren. Ziel solcher Sponsorings ist es, eine starke emotionale Bindung aufzubauen, die oft als „Brand Love“ bezeichnet wird. Dieser Ansatz kann jedoch sowohl in traditionellen Sportarten als auch im E-Sports-Bereich Risiken bergen. Um diese Risiken zu minimieren und die „Brand Safety“ – also den Schutz des Rufs und des Images der Marke – zu gewährleisten, ist es wichtig, dass sich die Unternehmen als authentische Partner präsentieren, die die Werte der Spielergemeinschaft und der Teams wirklich verstehen, respektieren und leben.

Die drei Gebote der Authentizität:

  1. Fair Play als oberstes Gebot: Sportsgeist und Fairness sind Grundwerte im Spiel- und Sportbereich. Ein respektvoller und kooperativer Umgang miteinander ist unerlässlich. Unternehmen der chemischen Industrie, die mit dieser Zielgruppe interagieren wollen, müssen daher eine Kultur des Fair Play verinnerlichen und aktiv fördern.
  2. Kommunikation auf Augenhöhe: Um die junge, technikaffine Zielgruppe zu erreichen, sollten Unternehmen der chemischen Industrie auf Plattformen wie Twitch, X und Discord in den Dialog treten, was gut geplant werden muss. So erhalten sie einen direkten Einblick in die Interessen und Bedürfnisse der Generation Z und der E-Sports-Community und können relevante Themen aufgreifen.
  3. Die richtige Sprache und Bildsprache verwenden: E-Sports zeichnet sich durch eigene sprachliche Codes und popkulturelle Referenzen aus, die je nach Spiel, Community oder Creator variieren. Unternehmen der chemischen Industrie müssen die verschiedenen Subcommunities innerhalb des E-Sports verstehen und die passende sprachliche und visuelle Ansprache wählen, um eine authentische und damit langfristige Beziehung aufzubauen.

Durch die Beachtung dieser Prinzipien kann die chemische Industrie nicht nur die Glaubwürdigkeit ihrer Marken im Bereich des E-Sports stärken, sondern auch eine nachhaltige Bindung zu einer technikbegeisterten und innovationsorientierten Zielgruppe aufbauen.

 

„E-Sports fördert Fähigkeiten, die auch im Berufsleben der chemischen Industrie gefragt sind.“

 

Strategien zur Gewinnung junger Talente durch Gaming und E-Sport

Gamification im Bewerbungsprozess
Unternehmen der chemischen Industrie können spielerische Elemente wie Quizze, Rätsel oder Simulationen in ihre Online-Bewerbungsverfahren integrieren, um das Engagement der Kandidaten zu erhöhen und sich als kreative und innovative Arbeitgeber zu präsentieren. Diese Techniken liefern zudem wertvolle Informationen über die Fähigkeiten und Eignung der Bewerber.

E-Sports-Turniere und spielbasierte Assessment Center
Die Durchführung von E-Sports-Turnieren und spielbasierten Assessment Centern bietet eine einzigartige Möglichkeit, Teamdynamik und individuelle Leistung unter Wettbewerbsbedingungen zu beobachten. Diese Ansätze ermöglichen es, nicht nur die fachlichen Fähigkeiten der Bewerber, sondern auch ihre Soft Skills, wie Teamfähigkeit und kulturelle Passung zum Unternehmen einzuschätzen. Solche Bewertungen sind entscheidend, um zu bestimmen, ob eine langfristige und erfolgreiche Zusammenarbeit möglich ist.

Ideen für Assessment-Center
Simulationen und Fallstudien ermöglichen realitätsnahe Kompetenzmessungen.
Interaktive Aufgaben und VR-Simulationen bieten innovative Wege, um die Fähigkeiten der Bewerber in praxisnahen Szenarien zu testen.
Escape Rooms und App-basierte Challenges fördern Teamarbeit und Problemlösungsfähigkeiten.

  • Gamification in der Ausbildung
    Neben dem Bewerbungsprozess kann auch die Ausbildung und für die generelle Weiterbildung durch Gamification attraktiver gestaltet werden.
  • Level- und Punktesysteme motivieren die Teilnehmer, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln.
    Virtuelle Währungen und Abzeichen (Badges) bieten Anreize und erkennbare Belohnungen für Leistungen.
  • Storytelling und Rollenspiele machen Lerninhalte greifbar und fördern das Verständnis komplexer Zusammenhänge.

Einsatz von Social Media und Content Marketing
Die chemische Industrie kann durch den Einsatz von Social Media und Content Marketing mit Fokus auf Gaming-Inhalte eine Verbindung zur jungen Zielgruppe aufbauen. Durch Partnerschaften mit bekannten Twitch-Streams oder Gaming-Vlogs und eine sinnvolle inhaltliche Einbindung können Unternehmen effektiv mit der Gaming-Community interagieren, ihre Sichtbarkeit erhöhen und ein modernes Image fördern.

Zusammenarbeit mit Gaming-Influencern
Eine besonders effektive Methode, um die Reichweite zu maximieren und das Employer Branding zu stärken, ist die Kooperation mit bekannten Gaming-Influencern. Ähnlich wie Red Bull mit dem professionellen Fortnite-Spieler Tyler „Ninja“ Blevins zusammenarbeitete, können Unternehmen der chemischen Industrie Partnerschaften mit prominenten Gamern eingehen. Solche Partnerschaften helfen nicht nur bei der Verbreitung der Unternehmensbotschaft, sondern stärken auch das Image als innovative Arbeitgeber, vorausgesetzt die Partnerschaft passt für alle Beteiligten.

Förderung von Diversität und Inklusion
Die aktive Unterstützung von Diversität und Inklusion in E-Sports und Gaming stärkt das Image eines Unternehmens als sozial verantwortungsvoller Arbeitgeber. Chemieunternehmen können bspw. E-Sports-Teams oder -Events sponsern, die auf Inklusivität und Vielfalt ausgerichtet sind.

Integration von Gaming in die  Unternehmenskultur
Unternehmen können durch einfache Maßnahmen wie das Bereitstellen von Spielkonsolen in Pausenräumen, den Betrieb einer internen Liga, oder die Durchführung regelmäßiger Gaming-Sessions ein entspanntes und innovatives Arbeitsumfeld signalisieren. Dies trägt dazu bei, den Stress abzubauen und die Kreativität sowie die Zufriedenheit und Produktivität der Mitarbeiter zu fördern.

Fazit

E-Sports und Gaming sind zu wichtigen Elementen des modernen HR-Managements geworden, insbesondere für Employer Branding und Recruiting. In diesen Bereichen können Chemieunternehmen mit technikbegeisterten Talenten in den Dialog treten und sie für sich gewinnen. Durch Gamification im Recruiting-Prozess und firmeninterne Gaming-Turniere steigern Unternehmen ihre Attraktivität und sprechen gezielt Kandidaten im War for Talents an. E-Sports dient somit nicht nur als Marketingplattform, sondern auch als strategisches Instrument für den organisatorischen und kulturellen Wandel, der in der digitalisierten Welt erfolgsentscheidend ist.

Autor: Alexander Albrecht, Geschäftsführer, Build a Rocket GmbH, Köln

 

 

„E-Sports dient Unternehmen nicht nur als Marketingplattform, sondern auch als strategisches Instrument für den organisatorischen und kulturellen Wandel.“

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Zur Person
Alexander Albrecht ist Geschäftsführer der E-Sports-Agentur Build a Rocket und seit über 20 Jahren in führenden Positionen innerhalb des E-Sports tätig. Er zählt zu den Branchenkennern in Europa und betreut mit seinem Team u.a. Kunden wie SAP, AXA, Deutscher Zoll und Congstar.

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