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Chemiekonjunktur – Positive Wachstumssignale für Chinas Chemie

Im Jahr 2022 entfielen rund 40 % des Weltchemiemarkts auf China

19.04.2023 - Die Aufhebung der Null-Covid-Politik im Dezember 2022 beschleunigte das Wachstum in China.

Die chinesische Wirtschaft geriet Ende des Jahres 2022 erneut ins Stocken. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stagnierte im letzten Quartal des Jahres im Vergleich zu den Monaten Juli bis September. Die Industrieproduktion erhöhte sich im gleichen Zeitraum um 0,7 %. Dies waren sehr schwache Wachstumsraten für China. Die Null-Covid-Politik der chinesischen Regierung spielte auch hier – wie zuletzt häufig in Chinas Wirtschaft – eine zentrale Rolle. Bereits im zweiten Quartal 2022 wurde die Wirtschaftsleistung Chinas aufgrund strenger und langer Lockdowns deutlich heruntergefahren. Das Regierungsziel von 5,5 % Wirtschaftswachstum im Jahr 2022 erschien schon damals kaum erreichbar zu sein.

Die Industrieproduktion sank im zweiten Quartal um rund 5 % ggü. dem Vorquartal. Der Rückgang war dabei im April am höchsten. Trotz der Erholung in der zweiten Jahreshälfte wurde das Produktionsniveau aus dem ersten Quartal 2022 nicht wieder erreicht. Chinas Industrieproduk­tion stieg 2022 insgesamt um 3,1 %. Auch Chinas BIP stieg 2022 um 3,1 % und lag damit deutlich unter dem staatlichen Wachstumsziel.

Nach anhaltenden Protesten gegen die strikten und rigorosen Coronamaßnahmen in China, wandte sich Anfang Dezember die Regierung überraschend von der Null-Covid-Politik ab. Die Regelungen für Quarantäne, PCR-Tests und Lockdowns wurden gelockert. Ganze Viertel, Städte oder Gemeinden dürfen nicht mehr willkürlich abgeriegelt werden. Infolge der vielen Lockerungen und der neu gewonnen Freiheiten kam es Ende des Jahres allerdings landesweit zu einer massiven Corona-Infektionswelle. Bis zu 250 Mio. Menschen könnten sich den ersten drei Dezemberwochen in China angesteckt haben. Das Gesundheitssystem kam dabei an seine Grenzen. Über das tatsächliche Ausmaß der Infektionswelle äußerten sich die Behörden nicht. Es kam zu massiven Personalausfällen in allen Wirtschaftsbereichen, bspw. der Logistik. Volle Lagebestände und ein flexibles Zeitmanagement federten die Situation allerdings ab. 

Die Aufhebungen führten aber auch zu positiven Entwicklungen. Restaurants und Dienstleistungen wurden stark nachgefragt. Auch die Industrieproduktion profitierte. Sie stieg in den ersten beiden Monaten des Jahres. Im Februar lag die Produktion 1,8 % über Vorjahr. Vor allem die Elektroindustrie, Stahl und Chemie trugen zum positiven Ergebnis bei. Aber nicht alle Industriebranchen profitierten. Möbel und Textilien drosselten am stärksten ihre Produktion. Das Konsumentenvertrauen in China war weiterhin niedrig. Menschen sparen lieber, anstatt Möbel oder Kleider zu konsumieren.

 

„Ein Anteil 2,4 Bio. EUR bzw. 40 % am weltweiten Chemiemarkt macht China auch für deutsche Unternehmen attraktiv.“


Dynamische Chemieproduktion trotz Hindernissen

Die Chemieproduktion (ohne Pharma) in China stieg 2022 um 4,9 % und damit dynamischer als die Industrieproduktion (3,1 %). Ein Grund dafür war, dass der Maschinenbau schwächer wuchs als die Industrieproduktion. Ausländische Fachkräfte, die wichtig für die Branche sind, konnten nicht nach China reisen. Die Null-Covid-Politik belastete allerdings auch die chinesische Chemieindustrie. Schanghai, eine Metropole mit hohen Chemieproduktionskapazitäten, war 2022 bspw. immer wieder im Lockdown. Oft musste die Produktion heruntergefahren oder sogar eingestellt werden. Neben den Produktionsbehinderungen durch Lockdowns war auch die Nachfrage nach Chemikalien gedämpft. Viele heimische Kunden aus der Indus­trie waren ebenfalls vom Lockdown betroffen und fragten dementsprechend weniger Chemikalien nach. Die schwache Weltwirtschaft belastete auch den Handel mit Chemikalien im Ausland.

In den ersten drei Quartalen 2022 war die Chemieproduktion tenden­ziell rückläufig in China. Im September wurde die Talsohle erreicht. Seitdem stieg die Chemieproduktion sehr dynamisch. Sie hielt bis zum aktuellen Rand im Februar an.

Die chinesische Chemieproduktion stand 2022 mit rund 5 % Wachstum allerdings deutlich besser da als andere Länder, bspw. Europa oder Deutschland. Die Chemieproduktion (ohne Pharma) in der EU 27 (-6,2 %) und Deutschland (-11,8 %) ging aufgrund der Energiekrise und schwacher Nachfrage massiv zurück. Die weltweite Chemieproduktion stieg um 1,5 %. Der chinesische Chemiemarkt entwickelte sich damit auch 2022 sehr dynamisch und blieb der mit Abstand weltweit größte Markt für chemisch-pharmazeutische Erzeugnisse. Mit einem Verbrauch von mehr als 2,4 Bio. EUR entfallen auf China rund 40 % des Weltchemiemarktes. Dies macht den Markt auch für deutsche Unternehmen attraktiv. Die Direktinvestitionen deutscher Chemieunternehmen in China beliefen sich zuletzt auf rund 7,7 Mrd. EUR. Insgesamt waren im Jahr 2020 231 Tochtergesellschaften deutscher Chemieunternehmen in China tätig. Allerdings ist durch die Null-Covid-Politik auch viel Vertrauen verloren gegangen. Es fehlte an Planbarkeit und Verlässlichkeit für Unternehmen in China.

Positive Wachstumssignale für Chinas Chemie

Die Aufhebung der Null-Covid-Politik im Dezember beschleunigte das Wachstum. Industrie- und Chemieproduktion legten im Januar und Februar 2023 kräftig zu. Grund war die gestiegene Nachfrage nach Gütern und somit auch Chemikalien. Weitere Auf- und Nachholeffekte der chinesischen Industrie und Chemieproduktion sind in den nächsten Monaten zu erwarten. 

Die Wachstumsdynamik des Landes könnte sich allerdings ab der zweiten Jahreshälfte bis hinein ins Jahr 2024 abschwächen. Gründe sind auslaufende Nachholeffekte und die sich schwach entwickelnde Weltwirtschaft 2023 mit einer geringeren Nachfrage nach Chemikalien. Auch die immer älter werdende und schrumpfende Gesellschaft in China, eine hohe Staatsverschuldung sowie Probleme im Immobiliensektor dämpfen die wirtschaftliche Entwicklung. Auch die geopolitische Positionierung Chinas kann das Wirtschaftsgeschehen des Landes und der Welt verändern. Das Konfliktpotenzial zwischen China und Deutschland sowie anderen westlichen Ländern ist ein Belastungsfaktor.

In diesem Umfeld könnte Chinas Industrieproduktion 2023 um 3 % steigen. Wir erwarten, dass sich die Chemieproduktion (ohne Pharma) mit plus 4 % dynamischer entwickelt als die Chemie- und Pharmaproduktion mit rund 2 % Wachstum. Auf dem nationalen Volkskongress Chinas im März wurde ein Wirtschaftswachstumsziel von 5 % für 2023 festgelegt. Mit einer entsprechenden Wirtschafts- und Finanzpolitik halten wir dies für realistisch. 

Henrik Meincke, Chefvolkswirt, Verband der Chemischen Industrie e.V., Frankfurt am Main

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