Wirkstoff- und Handelsnamen von Arzneimitteln
Der VFA erklärt, wie Medikamente zu ihrem Namen kommen
Trotz der Covid-19-Pandemie und dem dadurch bedingten verstärkten Fokus auf Impfstoffe hat die Branche in Deutschland auch im vergangenen Jahr nach Angaben des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (VFA) 32 Medikamente mit neuen Wirkstoffen in die Versorgung gebracht, darunter befand sich ein Covid-19-Therapeutikum und ein Covid-19-Impfstoff.
Wie schon 2019 kamen zehn neue Medikamente gegen unterschiedliche Krebserkrankungen heraus. Und auch für die Behandlung seltener Krankheiten wurden 2020 wieder viele Fortschritte erreicht: Gleich 13 der Medikamente mit neuem Wirkstoff haben Orphan-Drug-Status in der EU.
Im ersten Halbjahr 2021 konnten die deutschen forschenden Pharmaunternehmen laut einer aktuellen VFA-Erhebung schon 22 neue Medikamente in Deutschland auf den Markt bringen.
Doch woher bekommen Medikamente ihre Namen? Viele klingen ähnlich, und meist finden sich zwei Namen auf der Medikamentenpackung. Der VFA erklärt es im folgenden Text: An der Festlegung beider Namen – dem Handelsnamen des Medikaments und dem Namen des darin enthaltenen Wirkstoffs – wirken stets mehrere mit. Im Fall des Wirkstoffnamens ist das der Hersteller zusammen mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO), im Fall des Handelsnamens sind das der Hersteller und die Name Review Group der EU-Arzneimittelbehörde EMA. Oberstes Ziel von WHO und EMA ist ein Benennungssystem, das möglichst stimmig ist und möglichst wenig Verwechslungsgefahren birgt.
Ein Wirkstoffname wird festgelegt
Wenn eine Firma einen neuen Wirkstoff erfunden hat, kann sie dafür dem zuständigen WHO-Gremium einen Namen vorschlagen. Dabei sind eine ganze Reihe von Regeln zu beachten, die alle dem Ziel dienen, dass der Name dem eines anderen Wirkstoffs nicht allzu ähnlich ist. Gibt es bereits einen anderen Wirkstoff aus der gleichen Wirkstoffklasse („also gleicher Wirkungsweise und ähnlicher Molekülstruktur“), muss der neue Wirkstoff die Endung für diese Klasse übernehmen. So erhielt beispielsweise der erste Wirkstoff, der die Magensäurebildung durch Blockade der sogenannten Protonenpumpen zügeln konnte, den Namen Omeprazol. Weitere Wirkstoffe, die ebenfalls auf diese Weise wirken, wurden dann Lansoprazol, Pantoprazol, Rabeprazol und Esomeprazol genannt.
Für einige Wirkstoffe gibt es zusätzliche Vorgaben. So waren bis im vergangenen Jahr bei monoklonalen Antikörpern die letzten drei Buchstaben für die Endung "mab" (für "monoclonal antibody") reserviert, und die Buchstaben davor für Informationen zum Anwendungsgebiet (z.B. „li“ oder „lim“ für Immunmodulator) und zum Antikörpertyp („u“ für „human, menschlich“, "xi" für "chimär") reserviert. Bei der Benennung des bei verschiedenen Entzündungskrankheiten einsetzbaren Wirkstoffs Adalimumab war also bspw. nur das „Ada“ nicht schon durch Vorschriften festgelegt.
Update: Ende 2021 hat die WHO überarbeitete Namensregeln veröffentlicht, dessen Kern jetzt vier verschiedene Suffixe für Antikörper-Namen bilden. Diese Endungen lauten -mig, -ment, -bart und -tug. Die Aktualisierungen und Erläuterungen finden Sie auf der Website des VFA.
Es gibt auch Wirkstoffe, die aus einem Antikörper-Abschnitt und einem anderen Protein zusammengefügt wurden. Solche Wirkstoffe müssen immer die Endung „cept“ tragen – wie etwa der gegen verschiedene Immunkrankheiten eingesetzte Wirkstoff Etanercept.
Wirkstoffe, deren Name auf „mycin“ oder „sporin“ endet, basieren auf Stoffen aus Pilzen oder Bakterien – wie das Antibiotikum Clarithromycin oder das Immunsuppressivum Ciclosporin.
Zunächst stellt die WHO Vorschläge für neue Wirkstoffnamen zur Diskussion. Diese werden dann unter Berücksichtigung eventueller Stellungnahmen als endgültige Wirkstoffnamen veröffentlicht. Dabei sind kleine Anpassungen an verschiedene Sprachen gestattet. So werden Wirkstoffnamen, die im deutschen mit „in“ enden, im englischen um ein "e" ergänzt. So wird bspw. aus dem gegen Heuschnupfen eingesetzten Wirkstoff Cetirizin ein Cetirizine.
Handelsnamen
Für die Gestaltung des Handelsnamens haben die Firmen zunächst weiteren Spielraum, solange sie damit nicht überzogene Versprechen abgeben: Ein Name wie „Niemalskrank“ oder „Bessermittel“ wäre also inakzeptabel. Ehe ein neuer Name verwendet werden darf, muss ihn aber die Name Review Group der europäischen Arzneimittelbehörde EMA genehmigen. Die ist kritisch: Bei ihren Tagungen alle zwei Monate weist sie rund 50 % der Vorschläge zurück – meist deshalb, weil sie eine Verwechslungsgefahr mit bereits vermarkteten Medikamenten sieht.
Ausgesprochen unaussprechlich?
Wirkstoffnamen dienen in erster Linie der Verständigung unter Fachleuten. Denen ist es im Zweifelsfall wichtiger, dem Namen wichtige Informationen zu entnehmen, als ihn mühelos aussprechen zu können. Bei Produktnamen hingegen suchen Unternehmen den Ausgleich zwischen verschiedenen Eigenschaften, die nicht immer in die gleiche Richtung weisen: Der Name soll einprägsam sein und nicht beliebig klingen, er sollte keine negativen oder dem Ernst der Krankheit unangemessene Assoziationen wecken und auch in möglichst vielen Ländern leicht auszusprechen sein. Das ist gar nicht einfach, allein bei den über 20 Sprachen in der EU! Manchmal bitten Pharmafirmen deshalb spezialisierte Namenserfindungsagenturen um Rat. Aber auch dann wurde manches Mal ein außergewöhnlicher Name nur um den Preis geschaffen, dass dieser nicht ganz leicht auszusprechen ist.
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