Sauberes und gesundes Wasser
17.03.2021 - Klar2O entwickelt innovative Filtertechnologie zur Entfernung von Mikro- & Nanoplastik aus Trinkwasser
Mikroplastik ist in aller Munde: Das ist leider wörtlich zu verstehen, denn immer mehr Schadstoffe, und dazu gehören winzigste Polymerteilchen, können nicht mehr rückstandsfrei aus dem Wasser herausgefiltert werden. Klar2O, ein 2019 gegründetes Start-up im Bereich der Trinkwasseraufbereitung, hat für dieses weltweit wachsende Problem eine Lösung entwickelt: den ersten effizienten und regenerierbaren Trinkwasserfilter für Mikroplastik. In CHEManager erläutert Fähzan Ahmad, Gründer des Start-ups, seine Motivation und seine Ziele, die ihn zum Unternehmensgründer werden ließen.
CHEManager: Herr Ahmad, es liegt auf der Hand, aber erklären Sie uns bitte zunächst, warum Mikroplastik im Trinkwasser ein Problem ist.
Fähzan Ahmad: Mit jedem Liter Trinkwasser nehmen wir laut einer Studie der New York State University ca. 325 Partikel zu uns, die sowohl aus Glas- als auch aus Plastikflaschen und sogar aus den Wasserleitungen stammen. Diese Mikro- und Nanoplastikpartikel können durch unseren Darmtrakt resorbiert werden, sich im menschlichen Körper anreichern und entzündungsfördernde Gene aktivieren. Laut einer WWF-Studie werden mit dem Trinkwasser wöchentlich fünf Gramm Plastik aufgenommen, was ungefähr dem Gewicht einer Kreditkarte entspricht. Wasser ist die Basis unseres Lebens. Ich finde es besorgniserregend, dass künstliche und biologisch nicht abbaubare Verbindungen über Trinkwasser in das menschliche Gewebe eindringen und sich im Körper anreichern.
Sie wollten also dieses Problem angehen. Was hat den Ausschlag für die Gründung eines Start-ups gegeben?
F. Ahmad: Ich hatte, soweit ich mich zurückerinnern kann, immer eine Begeisterung für Umwelt- und Gesundheitsthemen und vertiefte mein Studium in diesen Bereichen. 2017, während eines Seminars, ist mir bewusst geworden, dass unsere Körperzellen auf Mikroplastikmoleküle reagieren, wobei sich die Genexpression negativ verändert. Wir untersuchten daraufhin mikroplastikähnliche Moleküle auf Lungen- und Leberzellen und erkannten, dass entzündungsauslösende Gene in den Zellen bzw. Organen aktiviert wurden. Dies und die aktuelle Relevanz von Mikroplastik war der zündende Funke für erste Ideen und Konzepte für einen Mikroplastikfilter.
Wie groß war der Sprung von der Universität in die Selbstständigkeit?
F. Ahmad: Ich bin in einem kleinen regionalen Familienbetrieb groß geworden und durfte bereits früh die Strukturen einer Firma kennenlernen, was sich als eine große Hilfe herausstellte. Der Sprung in die seriöse Start-up Welt erfolgte dann durch den Saarland Accelerator, in dem Klar2O die Fundamente eines Start-ups erhielt.
Wie entwickelten Sie die Technologie?
F. Ahmad: Wir schauten uns damals verschiedene Filtersysteme und Strukturen an. Membranfilter können je nach Porengröße nur größere Teilchen aus dem Wasser herausholen, lassen aber Mikropartikel passieren. An dem Punkt wussten wir, dass wir auf andere Methoden zurückgreifen müssen. Wir untersuchten als erstes die Struktur und Eigenschaften von Mikroplastik, um Angriffspunkte zu finden und fanden dann die Lösung: eine biochemische Beschichtung, die das Mikroplastik durch intra- und intermolekulare Kräfte bindet. Als Folge dieser molekularen Wechselwirkungen zwischen Mikroplastikpartikel und dem mehrschichtigen Coating ist das Wasser anschließend rückstandsfrei. Um die Beschichtung zu entwickeln, analysierten wir die am meisten vorkommenden Mikroplastikpartikel, unter anderem Polyethylenterephthalat, Polypropylen und Polystyrol. Wir untersuchten die Moleküle und entwickelten daraufhin ein Coating, welches diese spezifisch bindet. Unser Ziel ist es, das Coating ständig zu optimieren.
Was unterscheidet Ihren Filter von herkömmlichen Filtern?
F. Ahmad: Die patentierte Klar2O-Technologie ist um das 1000- bis 10.000-fache effektiver als herkömmliche Filter und kann auch Partikel im Nanoscale-Bereich filtern. Sie erlaubt gleichzeitig die Wiederverwendbarkeit des Filtermediums, denn das Coating kann regeneriert werden. Zudem bleiben wichtige Mineralien und Spurenelemente im Wasser und werden nicht wie bei anderen Filtersystem entfernt.
Wo sehen Sie die Anwendung Ihres Filters?
F. Ahmad: Wir sehen Klar2O überall da, wo sauberes Wasser fließen soll. Das heißt, langfristig soll unser Filter in jedem Haushalt reines Trinkwasser garantieren. Dafür wollen wir verschiedene Produkte auf den Markt bringen, unter anderem einen Tischwasserfilter und einen Filter für den Wasserhahn. Wir sind derzeitig in Gesprächen mit Firmen, welche Wasserfilter in Hausleitungen installieren. Und unsere Technologie wurde ebenfalls seitens verschiedener Wasserabfüller angefragt.
Was werden die nächsten Schritte sein, um das Start-up weiterzuentwickeln?
F. Ahmad: Derzeitig arbeiten wir am finalen Prototypen, der von unabhängigen Laboren zertifiziert und für den Markt qualifiziert werden soll. Zuletzt soll der Filter einen Test durchlaufen, in welchem der antibakterielle Effekt des Coatings zertifiziert wird. Anschließend werden wir die Serienproduktion starten und erste Kunden beliefern. Die Option, mit einem Wasserabfüller als Pilotkunden ein Technologie-Upscaling zu beginnen, wird 2022 gestartet.
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ZUR PERSON
Fähzan Ahmad (26), studierte Biochemie an der Universität Ulm und erwarb 2019 einen Master-Abschluss in Biotechnologie an der Universität des Saarlandes. Zudem absolvierte er Studienaufenthalte an der University of Brno, an der Universität Luxemburg und an der Tongji University Shanghai sowie Praktika an der Universität Heidelberg, am KIT oder beim Chemieunternehmen ABCR. 2019 gründete er Klar2O, wo er seitdem Geschäftsführer ist.
BUSINESS IDEA
Einsatz für das Lebenselixier Wasser
Klar2O ist ein Start-up im Bereich der Trinkwasseraufbereitung, das den weltweit ersten effizienten und wiederverwendbaren bzw. recyclebaren Mikroplastik-Trinkwasserfilter auf den Markt bringt.
Laut einer 2018 veröffentlichten Studie der New York State University nimmt ein Mensch mit jedem Liter Trinkwasser aus Plastikflaschen und der Wasserleitung durchschnittlich ca. 325 Partikel zu sich. Gefährlich sind dabei Teilchen unter 10 µm bis in den Nanometerbereich, denn sie können sich im menschlichen Körper anreichern und entzündungsfördernde Gene aktivieren. Bereits 2019 und 2020 konnte durch Untersuchungen der Universität Wien Mikroplastik in menschlichen Organen nachgewiesen werden. Am häufigsten wurden dabei die Kunststoffe Polypropylen (PP) und Polyethylenterephthalat (PET) vorgefunden sowie Bisphenol A, das in manchen Kunststoffen und in Konservendosenbeschichtungen enthalten ist.
Klar2O will Mikroplastik aus dem Trinkwasser abscheiden. Die patentierte Filtertechnologie des Start-ups basiert auf einer innovativen Beschichtung, welche auf biologischer und chemischer Basis molekulare Kräfte zu funktionellen Gruppen verschiedener Plastikmoleküle ausbildet. Durch diese Wechselwirkungen werden Mikroplastikteilchen aus dem Trinkwasser an das Coating gebunden. Durch Simulationen der Strömungsdynamik und der optimalen Packungsdichte wurde die Effizienz der Filter optimiert. Bei der derzeitigen Auslastung von ca. 325 Partikel/l und dem Wasserbedarf von 125 l/d ist es möglich den Filter ca. 3 Monate lang zu nutzen, um diesen zu 70 % auszulasten.
Die Beschichtung wurde so optimiert, dass sie auf nachhaltige und recyclebare Materialien aufgetragen und nach Erreichen der Beladungsgrenze durch eine spezielle Prozessreihe regeneriert werden kann, sodass der Filter wiederverwendbar wird. Die Klar2O-Technologie zeigt gegenüber anderen Wasserfiltern weitere Vorteile. Das mehrschichtige Coating hat einen antibakteriellen Effekt und bietet somit Bakterien keinen Nährboden. Zudem bindet sie lediglich Mikroplastikmoleküle, so dass wichtige Mineral- und Nährstoffe im Wasser verbleiben.
Meilensteine und Roadmap
Mit der Gründung 2019 zielt das Start-up Klar2O aus Bruchsal auf mikroplastikfreies Wasser ab. Erste Entwicklungen zur Mikroplastikfiltrierung führte der Gründer, Fähzan Ahmad, seit Anfang 2017 durch. Zwei Jahre später verliefen erste Tests im Labor positiv. Mit dem Durchlaufen des Saarland Accelerators, einem intensiven Workshop-Programm erhielt das Start-up einen Businessplan und das erste Investment zur Finanzierung des Patents und der Firmengründung.
Im Mai 2019 wurde Klar2O als Gewerbe angemeldet und im August 2019 als GmbH mit einem tragbaren Geschäftsmodell gegründet. Das Start-up legt den Schwerpunkt seiner Entwicklungsaktivitäten neben der Mikroplastikfiltrierung selbst auch auf Nachhaltigkeit und Wiederverwertbarkeit. Fähzan Ahmad: „Es gibt viele Menschen, die denken und handeln wie ich und einer gesunden Umwelt einen großen Teil Ihrer Lebensziele widmen.“
Meilensteine
2017-2018
- Forschung und Entwicklung des ersten Coatings
- Proof-of-Concept für das biochemische Coating
2019
- Erfolgreicher Durchlauf des Saarland Accelerators
- Aufbau der Start-up-Strukturen
- Erstes Investment & Firmengründung
- Erfolgreiche Optimierung der Beschichtung
- Entwicklung des Regenerationsprozesses
2020
- Proof-of-Concept seitens eines unabhängigen Analyselabors
- Erste B2B Firmeninteresse und Sponsoring
- Filtersimulation für Strömungsdynamik und optimale Filterentwicklung
- Patentierung
2021
- Zweites Investment in Höhe von 1.1 Mio. EUR
- Entwicklung des finalen Prototypen
Roadmap
2021
- Zertifizierung durch SGS-Fresenius
- Markteintritt & Aufbau der Produktion
- Upscaling & Business Expansion auf weitere Anwendungsfelder
- Weitere Filterentwicklungen
2022
- Anlagen-Upscaling für Wasserabfüller
- Geplante Internationalisierung
- Entwicklung weiterer Produkte