Anlagenbau & Prozesstechnik

Ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft

Beim Treffen der Betriebsingenieure bei OMV standen deren Innovationsprojekt ReOil und die elektronische Turnaround-Optimierungs

31.01.2020 - Praktischer Nutzen der Digitalisierung und Zirkuläre Wertschöpfung – das 31. Treffen der Betriebsingenieure im Bayerischen Chemiedreieck in der OMV Raffinerie Burghausen stand ganz im Zeichen der aktuellen VDI-Fokusthemen.

Experten der OMV stellten die Einführung der sogenannten „electronic Turnaround Optimization Platform“ (kurz eTop) vor, einer digitalen Plattform zur Abwicklung eines Turnarounds, sowie das innovative Thermolyse-Verfahren ReOil vor.

Die ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft ist ein wichtiges Thema im OMV Geschäftsbereich Refining & Petchem Operations mit den europäischen Raffinerie-Standorten in Burg­hausen/D, Schwechat/AUT, Petrobrazi/RU sowie Beteiligungen in Abu Dhabi und Pakistan. Kunststoffabfälle zu recyceln, anstatt sie zu verbrennen, stellt eine nachhaltige Möglichkeit dar, die wertvolle Ressource Kunststoff verantwortungsvoller zu nutzen. Die größte Herausforderung beim Kunststoff-Recycling sind der anfallende Material-Mix und Verbundmaterialien, in denen unterschiedliche Werkstoffe schwer trennbar miteinander verbunden sind. Je sortenreiner, desto leichter recyclebar. Oft sind keine sortenreinen Kunststoffe in nennenswerte Mengen verfügbar, sodass Mischkunststoffreaktionen anfallen, die sich zwar einschmelzen lassen, jedoch nur für einfache Produkte wie Poller, Pflanztröge oder Parkbänke geeignet sind.
Rohstoffliches Recycling ist ein innovatives Forschungsprojekt der OMV zur Herstellung eines synthetischen Raffineriegrundstoffs (=synthetisches Rohöl) aus Altkunststoffen. Dieser Grundstoff kann, wie ein herkömmliches Rohöl, wieder in den Raffinerieprozess eingespeist und zu Raffinerieprodukten verarbeitet werden. Mit diesem innovativen Ansatz schließt die OMV eine Lücke in der Kunststoffrecyclingtechnologie und führt den Sekundärrohstoff „synthetisches Rohöl“ ein.

Aus Kunststoff wieder Öl gewinnen
Obwohl der Werkstoff Kunststoff aufgrund seines geringen Gewichtes, jedoch hoher Belastbarkeit signifikant zur CO2-Einsparung im Bereich Mobilität und Verpackung beiträgt, wird der Begriff Plastik oftmals mit Abfall gleichgesetzt. Jedes Kind beschäftigt sich heute mit den Themen Plastik im Meer, Plastik im Pack­eis, Plastik überall. Die McKinsey Studie brachte es schon 2016 auf den Punkt: „Bis 2050 wird mehr Plastikmüll in den Weltmeeren schwimmen als Fische. Schon jetzt gelangen jedes Jahr mindestens 8 Mio. t Plastik in die Meere. Dies entspricht einer Lkw-Ladung Plastikmüll pro Minute.“ Jedoch: Altkunststoff ist nicht nur einfach Abfall – Plastikabfall ist auch ein extrem wertvoller Rohstoff.

Pilotanlage in der OMV Raffinerie Schwechat
In dem Pilotprojekt zum Thema rohstoffliches Recycling in der Raffinerie Schwechat in Österreich wird in einem Thermolyse-Verfahren sogenanntes „synthetisches Rohöl“ aus Kunststoffabfällen hergestellt. Für die typischen Getränkeflaschen PET gibt es bereits etablierte Verwertungsrouten (PET2PET). Zum Einsatz kommen deshalb andere Verpackungskunststoffe, wie etwa Folien und Verpackungen aus dickwandigem Material wie Polyethylen, Poly­propylen oder Polystyrol.
Der ReOil Prozess beruht auf thermischem Cracken, einer bewährten Raffinerie-Technologie, bei der mittel- und langkettige Kohlenwasserstoffe in kurzkettige Kohlenwasserstoffe gespalten werden. Das ReOil Verfahren wandelt bei moderatem Druck und in für Raffinerien üblichen Temperaturen die Altkunststoffe zu Synthetischem Rohöl um. In einem inzwischen patentieren Prozess kommt ein Lösungsmittel zum Einsatz, um die Viskosität zu reduzieren und die Wärmeübertragung zu verbessern. Das Lösungsmittel befindet sich in der Anlage in einem Kreislauf, sodass es bereits mit sehr hohen Temperaturen von über 350–360 °C vorliegt. Es wird gleich zu Beginn des Prozesses mit dem Kunststoff vermischt, unterstützt hier das Erhitzen und Schmelzen der Kunststoffe und senkt durch verbesserten Wärmeübergang die notwendige Energie. Die reine Kunststoffmasse ist zu zäh für den Transport durch die Rohre. Durch das Beimengen des Lösungsmittels wird die Viskosität der Masse reduziert. Die Masse wird nach dem Einschmelzen zu Gas verdampft, dabei werden die langen Molekülketten zu kleineren Ketten aufgebrochen (das Kunststoffmolekül hat eine C-Zahl im fünfstelligen Bereich und wird in einen 1 bis 2-stelligen Bereich gebrochen) und anschließend kondensiert. Das so erzeugte synthetische Rohöl kann ohne zusätzlichen Aufwand in der Raffinerie zu Treibstoffen oder zu Grundstoffen (Monomeren) für die Kunststoffindustrie weiterverarbeitet werden.
Nach etwa einjähriger Planungszeit ging 2013 eine Versuchsanlage mit ca. 5 kg/ h im Technikum der Raffinerie Schwechat in Betrieb. Anfang 2018 hat OMV den ersten Scale-up-Schritt des Forschungsprojekts von der Labor- zur Pilotanlage getätigt. Inzwischen ist die Pilotanlage vollständig in den Raffineriebetreib eingebunden und kann mit maximal 100 kg/ h Versuche fahren.

Recyling-Kreisläufe nachhaltig gedacht
Das synthetische Rohöl lässt sich zu jedem beliebigen Raffinerieprodukt verarbeiten, wodurch die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und die Kohlenstoffintensität der Produktion verringert werden. Die Besonderheit des synthetischen Rohöls liegt an dem geringen Anteil an schweren Komponenten. Damit verringert diese Form des Kunststoffrecyclings die Kohlenstoffintensität, da sie die CO2-Emissionen pro Tonne Post-Consumer-Kunststoff im Vergleich zur herkömmlichen Rohölverarbeitung senkt. Darüber hinaus muss es nicht über weite Strecken antransportiert werden.
Eine im Februar 2016 durchgeführte Studie des Umweltbundesamtes Österreich über das ReOil-Verfahren am Raffineriestandort Schwechat kommt zu dem Schluss, dass durch die Substitution von klassischem Rohöl durch synthetisches Rohöl im Raffinerieprozess eine Reduktion von ca. 45 % der Treibhausgasemissionen bei einem ca. 20 % geringeren Energieeinsatz möglich ist.
In einer Gesellschaft, die zunehmend auf der Suche nach alternativen Ressourcen und wertsteigerndem Recycling ist, haben diese innovative Technik und die damit verbundenen Dienstleistungen ein großes Zukunftspotenzial.

Optimierung des Turnarounds einer Raffinerie
Die seit 2016 in Schwechat und 2018 in Burg­hausen eingeführte „electronic Turnaround Optimization Platform“ (kurz eTop) ersetzt die analoge Wandtapete und optimiert die Nachverfolgung und Transparenz des Turnaround-Prozesses sowie die Zusammenarbeit der Turnaround-Beteiligten. Zentrales Merkmal ist u. a. das einfache und anwenderfreundliche Einlog-System. Der Anwender kann sich mittels Helm-ID oder über mobile Endgeräte via eigens entwickelte App sowie Großmonitore direkt Vorort anmelden. Rückmeldungen sind über die übersichtliche und intuitive Eingabemaske leicht möglich. Jedes relevante Bauteil ist mit seinen technischen Daten und Zeichnungen digital hinterlegt. Alle Meldungen werden in Form eines dreistufigen Ampelsystems vergleichbar mit einem digitalen Kanban-Board erfasst (Auftrag begonnen, Auftrag in Durchführung, Auftrag abgeschlossen) und direkt in das vorhandene SAP-System übernommen. Zur Erfassung von ortsveränderlichen Apparate- und Anlagenteilen im Rahmen des Bauteilmanagements wurde die Dauerhaftigkeit und Robustheit des Erfassungssystems mittels geätzten oder gelaserten QR-Codes Plaketten erfolgreich umgesetzt.
Die Herausforderung des Change-Managements wurde mithilfe von jungen Werksstudenten bewältigt, die quasi als Digital Natives den Kolleginnen und Kollegen Hilfestellungen gaben und Berührungsängsten begegneten. Dank dieser Maßnahmen war sowohl die Einführung der electronic Turnaround Optimization Platform als auch die Turnarounds Schwechat 2018 und Burghausen 2019 ein großer Erfolg.

Regionalgruppe Bayerisches Chemiedreieck
Sprecher der Regionalgruppe Bayerisches Chemiedreieck ist Thomas Weber, Wacker Chemie AG, Burghausen. Das nächste Treffen der Regionalgruppe findet am 19. März 2020 bei AlzChem Trostberg GmbH in Trostberg statt.
Kontakt: thomas.weber@wacker.com

Infos und Termine aller Regionalgruppen
www.vdi.de/gvc/betrieb