Strategie & Management

Supply Chain im Fluss

Die Technologie der Blockchain optimiert die Versorgungskette der Pharmaindustrie

02.10.2018 -

Hemmnisse innerhalb der pharmazeutischen Lieferkette bremsen Innovationen aus. Innovationen aber bringen Investoren, Sponsoren, Transportunternehmen und Regierungen viele Vorteile: Sie sorgen für zielgerichtete Dienstleistungen, niedrigere Preise, Agilität und erhöhen zusätzlich die Fälschungs- und Liefersicherheit.

Schon in kleineren pharmazeutischen Unternehmen laufen komplexe Geschäfts-, Finanz- und Logistikprozesse ab. International agierende Pharmakonzerne jedoch gehören zu den komplexesten Wirtschaftsgebilden überhaupt. Die Branche braucht Erneuerungen, um mit den wachsenden Anforderungen des Marktes an Tempo, Transparenz, Preise und Sicherheit Schritt zu halten.

Die Kette für alle: Blockchain

Die Technologie der Blockchain verfügt über das Potenzial, solche Evolutionen antreiben zu können. Sie ist eine Technologie der verteilten Konten (engl. Distributed-Ledger-Technologie). Jeder Datensatz darin entspricht einem neuen Kettenglied. Qua Natur bewahrt diese Datenbank alle Aktionen Einbezogener dezentral, dauerhaft, fälschungssicher und transparent auf. Im Lauf der Zeit stoßen immer mehr Datensätze dazu – bildlich gesprochen hängen Teilnehmer also ans Ende der Kette neue Kettenglieder in Form von Daten an. Die Daten sind verschlüsselt und werden bei jedem Akteur automatisch abgespeichert. Dadurch entfällt die Notwendigkeit einer Zentralinstanz. Mit der öffentlichen und der privaten Blockchain existieren zwei Varianten dieses Peer-to-Peer-Netzwerks. Die öffentliche Blockchain heißt jeden willkommen und setzt meist Anreize zum Beitritt. Als Beispiel entspringen Bitcoins einer solchen öffentlichen Blockchain. Die private Blockchain hingegen (engl. Enterprise Blockchain) erstreckt sich auf einen definierten Personenkreis. Eingeladene und validierte Parteien gliedern sich in eine private Blockchain ein. Im Business-Umfeld mit seinen delikaten Daten stellt das die treffende Variante dar.

Transparenz und Kompatibilität

Transport, Verteilung und Lagerung von Medizinprodukten muss schon bei relativ einfachen Produkten hohen Ansprüchen genügen. Bei hochwertigen, umweltempfindlichen Gesundheitsprodukten, die international womöglich unterschiedlichen Regelungen unterliegen, steigert sich die Komplexität. Um Kosten zu sparen und Sicherheit zu gewährleisten, müssen zahlreiche Prozesse rationalisiert werden:

- Der klinische Versorgungsprozess umfasst mehrere Parteien. Sie verwenden meist verschiedene Systeme, um Daten zu erhalten und zu sammeln. Beispielsweise können Retouren im papierbasierten Register eines Standortes protokolliert werden, während das Transportunternehmen die Daten in einem anderen, digitalen System erfasst. Die Verwaltung dieser entfernt voneinander liegenden, nicht miteinander kompatiblen Quellen und Datensätze bedeutet erheblichen Zeit- und Kostenaufwand und birgt ein hohes Fehlerrisiko. Treten Unstimmigkeiten auf, führt dies zu Fehlinterpretationen und zusätzlichen Ausgaben, die nicht selten das ursprüngliche Budget sprengen.

  • Die geografische Verteilung des pharmazeutischen Bedarfs erhöht die Komplexität des Prozesses. Anforderungen und Vorschriften jedes Landes, manchmal sogar innerhalb eines Landes, unterscheiden sich deutlich. Daher muss sich die Supply Chain mit den Vorschriften, Verpackungs-, Zoll- und Steuerprozessen auf der ganzen Welt auseinandersetzen – ein Faktor, der die Gesamtkosten eines Projekts in die Höhe katapultiert.
  • Inkonsistenzen und Unvermögen, Abweichungen in Echtzeit zu validieren und zu erkennen, verursachen Schwierigkeiten bei der Lieferabstimmung. Daher spielen ein einheitlicher Prozess und darüber hinaus ein einheitliches Protokoll zwischen Standorten und Anbietern ganz entscheidende Rollen. Vereinheitlichung dient als verlässliche Basis für konsistente und vorhersagbare klinische Aufzeichnungen.
  • Die Themen Arzneimittelfälschung und Arzneimittelsicherheit werden immer dringlicher – sowohl, wie Arzneimittel hergestellt werden, als auch, wie sie vom Hersteller zum Endverbraucher gelangen. Vor allem der Onlineverkauf öffnet Fälschungen Tür und Tor. Fälschungen ziehen sowohl immensen wirtschaftlichen Schaden als auch hohes gesundheitliches Risiko für den betreffenden Patienten nach sich. Rückverfolgbarkeit und Transparenz gehören zu den wichtigsten Fundamenten der Logistik, um die Authentizität eindeutig zu überprüfen.

Lokal, global, dezentral

Gerade unter Berücksichtigung des internationalen Charakters der Pharmazie erlangt abgestimmte Zusammenarbeit in der Lieferkette über alle relevanten institutionellen Bereiche hinweg eine bisher ungeahnte Wichtigkeit. Denn lokale und nationale Behörden führen meist auf traditionelle Weise und in isolierten Systemen Buch. Tools zur Integration von Fremdsystemen sucht man vergeblich. Zudem überlappen sich zahlreiche Funktionen zwischen den Systemen einzelner Institutionen, was in doppelter Arbeit, unnötigen Mehrfacheintragungen und Inkonsistenzen bei der Klassifizierung mündet. Aus technischer Sicht packt die Blockchain diese Probleme effektiv an und schafft eine kollaborative, vertrauenswürdige Umgebung. Für alle validierten Einbezogenen offen, senkt dieses Peer-top-Peer-Netzwerk Kosten, analysiert Lieferkettenausgaben und Einsparmöglichkeiten, legt drohenden Medikamentenmangel offen, identifiziert fehlerhafte Daten und ermöglicht flüssige Kommunikation für alle Kettenglieder.

Kettenbindung

Im Kontenbuch der Blockchain werden die Datensätze aller Netzwerkteilnehmer in Echtzeit aktualisiert und validiert. Pharmazeutische Berichte landen sofort und fälschungssicher darin, so dass Kunden und Hersteller jederzeit die Echtheit der Produkte überprüfen können. Die Distributed-Ledger-Technologie identifiziert Arzneimittel, informiert umgehend über Fälschungen, zeigt auf, wo sich ein Medikament wann befindet, wem es gehört und unter welchen Bedingungen es in welchem Umfeld steckt. Involvierte sehen die Aktivitäten aller anderen Teilnehmer jederzeit transparent im Echtzeitfluss ein. Dabei muss jeder validierte Teilnehmer nachweislich wesentliche Anforderungen erfüllen – dazu gehören Ansprüche an die Herstellungspraxis, an Normen und Richtlinien verschiedener Länder wie beispielsweise der EU-Leitfaden zur Guten Vertriebspraxis (EU GDP-Guides); weiterhin Anforderungen an Ausrüstung, Dokumentation, Betrieb, Lagerung und Qualifikation. Gerade in einem sensiblen Bereich wie Healthcare und Life Sciences bildet sorgfältige Beziehungsarbeit mit vertrauenswürdigen Partnern das Fundament einer erfolgreichen Blockchain-Implementierung in der Supply Chain.

Aktuelle Blockchain-Projekte

Diverse Blockchain-Projekte befinden sich in fortgeschrittenem Stadium. Zwei davon treffen die unternehmerischen Bedürfnisse zur Verbesserung von Supply-Chain-Prozessen besonders gut:

  • Hyperledger Fabric ist eine Blockchain-Plattform, die speziell die Bedürfnisse von Unternehmen einbezieht. Diese private Blockchain bietet ein hohes Maß an Vertraulichkeit, Ausfallsicherheit, Flexibilität und Skalierbarkeit. Gehostet wurde sie von der Linux Foundation
  • Auch Corda richtet sich an Businesskunden. Die vom Start-up R3 entwickelte Plattform ist ein Open-Source-Projekt, das der Datensensibilität besonderen Platz einräumt: Transaktionen landen bei Corda in einer Art Safe, im Corda Vault. Den Schlüssel zum Safe besitzen Eingeweihte.

Zusammenarbeit als Schlüssel zum Erfolg

Die Blockchain ist eine Technologie. Zum Leben erwacht sie nur, wenn sie sinnvoll genutzt wird. Eine aussichtsreiche Blockchain-Transformation meistert, wer technologischen Innovationen mit Vertrauen in partnerschaftliche Modelle, Offenheit, neuem Mindset und Experimentierfreude begegnet.