Werte als Kraftquelle für Unternehmen
Ingrid Lohse führt die Caramba-Gruppe mit Verstand und Herz
Geschlossene Gesellschaft. Nahezu jedenfalls. In den dreizehn größten deutschen Chemieunternehmen liegt der durchschnittliche Anteil von Männern im Aufsichtsrat bei deutlich über 60 %. In Vorständen oder Geschäftsführungen der deutschen Chemieindustrie werden Frauen noch seltener berufen. Die Caramba Chemie-Gruppe in Duisburg gehört seit kurzem dabei zu den Ausnahmen. Mit Ingrid Lohse trat seit der Anmeldung der Marke „Caramba“ im Jahre 1903 erstmals eine Frau die Position als Vorsitzende der Geschäftsführung an.
„Männer leben besser, wo Frauen das Sagen haben", sagte der Arzt und Forscher Ricardo Coler nach einem zweimonatigen Aufenthalt im matriarchalisch organisierten Mosuo in Südchina. Ingrid Lohse, die Vorsitzende der Caramba Chemie-Gruppe in Duisburg sieht es differenzierter. Das wundert nicht, denn sie blickt auf eine über 20-jährige Führungserfahrung zurück – sowohl in mittelständischen Unternehmen als auch im Konzernumfeld. Ihre Expertise kommt ihr seit gut eineinhalb Jahren bei der Caramba Chemie-Gruppe zugute. Als Interims-Geschäftsführerin startete sie zunächst bei Ambratec, einem der drei Geschäftsfelder des Chemiespezialisten. Seit Anfang 2017 leitet sie als Vorsitzende der Geschäftsführung die gesamte Gruppe, der sie gemeinsam mit ihren Führungskollegen einen rasanten Wandel für nachhaltiges Wachstum verschrieben hat.
Bei ihrer Mission setzt Lohse neben ihrer ausgeprägten Strategie- und Methodenkompetenz vor allem auf eine werteorientierte Führung. „Angesichts zunehmender Marktdynamik, Digitalisierung und Veränderungen von Kundenerwartungen brauchen wir für all unsere Geschäftsfelder, wie in der gesamten Industrie, zukunftsorientierten Wandel und konsequente Wandlungsfähigkeit“, so Lohse.
„Dabei gehen wir natürlich rational und analytisch vor, appellieren an die Vernunft der Mitarbeiter und überzeugen von der Notwendigkeit von Maßnahmen. Aber ich bin überzeugt, dass der notwendige Wandel von Strukturen und Prozessen letztlich nicht nur über den Verstand, sondern auch über die Herzen der Mitarbeiter gelingt.“
Wenn sich Denkweisen, Arbeitsanforderungen und Aufgabenfelder ändern sollen, müsse die Unternehmensführung selbst Herz und Empathie zeigen, nah an den Menschen sein, Rücksicht nehmen auf Sorgen und Ängste. Jenseits aller Zahlen und Fakten Stabilität, Sicherheit und Vertrauen vermitteln und den Wertekanon des Unternehmens vorleben. „Culture eats strategy for breakfast“ zitiert Lohse in diesem Zusammenhang gern den US-amerikanischen Ökonomen Peter Drucker. „Diese Aussage beschreibt sehr schön die Bedeutung von Kultur und Werten für die Entwicklung einer Unternehmensstrategie und damit für die Zukunft des gesamten Unternehmens. Werte tragen wesentlich zur Wirksamkeit von Strategien und Maßnahmen bei.“
Hierbei kann Lohse auf die zentralen Werte der Berner Group bauen, zu der die Caramba Chemie-Gruppe mit ihren drei Geschäftsfeldern Ambratec, Kent und Caramba gehört. Sechs zentrale Werte, die in jeder Einheit der internationalen, familiengeführten Unternehmensgruppe eine gemeinsame Basis für Denken und Handeln bilden: Mut, ausgetretene Pfade zu verlassen und Neues zu wagen; Lust auf Leistung und vollen Einsatz; Vernetzung und Teilen von Wissen; Verantwortung für eigene Handlungen und für die Umwelt; Verbindlichkeit und Bodenständigkeit im zwischenmenschlichen Umgang und Stolz, Teil eines großartigen Teams mit gemeinsamen Zielen zu sein.
„Diese Werte erweisen sich als wahre Kraftquelle für uns“, erklärt Lohse. „Orientierungsgrößen, Antreiber, Leitplanken für unser Denken und Handeln. Für das Leadership bedeutet das: Ist Führung nicht passend zu den Werten, wirkt sie nicht und löst beim Mitarbeiter Widerstand aus.“ Daher hat Lohse frühzeitig eigens auf Führungskräfte-Workshops gesetzt, damit die Werte konsequent und authentisch gelebt werden. „Der klassische, für nicht wenige männliche Kollegen naheliegende Weg wäre gewesen, vornehmlich auf zahlenbasierte Zielvorgaben und KPIs zu setzen“, so Lohse.
Das Verhalten der Unternehmensführung sieht Lohse als einen entscheidenden Faktor für Unternehmenskultur und letztlich für Unternehmenserfolg. Mitarbeiter würden schnell merken, ob die Werte und Unternehmensgrundsätze mit Leben gefüllt sind und zu den Zielen passen.
Innerhalb kurzer Zeit erwarb sie so nicht nur das Vertrauen ihrer überwiegend männlichen Führungsmannschaft, sondern auch des gesamten Teams, etwa für eine neue Vertriebs- und Markenphilosophie im Geschäftsfeld Ambratec: Weg von Produkten für Universalanwendungen hin zum Profil als Spezialist für Facility-Chemie, mit chemischen Hochleistungsprodukten für die Reinigung von Gebäuden und Anlagen. Passend zu dieser Positionierung frischte Lohse mit ihrem Team das Erscheinungsbild der Marke auf, entwickelte neue Markenbotschaften, führte neue CRM-Tools ein und überzeugte die Vertriebsmannschaft von einem neuen bedarfs- und prozessorientierten Sales-Ansatz. Der Ansatz, strategische Entscheidungen und marktorientierte Maßnahmen wertebasiert durch- und umzusetzen, zeigte rasch Wirkung: Ambratec konnte seinen Umsatz in kurzer Zeit um 6 % erhöhen.
Lohse hat jedoch nicht nur die Innenwirkung und den Umsatzerfolg im Blick. Werteorientiertes Handeln zahle sich auch dadurch aus, dass die Reputation des Unternehmens steige. Es werde z. B. einfacher, neue, gute und motivierte Mitarbeiter zu gewinnen. „Die werteorientierte Unternehmens- und Mitarbeiterführung wird so zu einem markenprägenden Differenzierungsmerkmal.“ (ag)