Innovationsmotor für den Wirtschaftsstandort Österreich
Die chemische Industrie ist die innovationsfreudigste Branche in der Alpenrepublik
Die chemische Industrie gehört als zweitgrößte zu den bedeutendsten Industriebranchen Österreichs. Auch bei den Aufwendungen für Forschung und Innovationen liegt sie im Spitzenfeld. Derzeit kommen etwa 11 % aller Investitionen für die Forschung und Entwicklung in Österreichs Industrie aus der Chemiebranche.
Dass die Unternehmen der chemischen Industrie ein Innovationsmotor für den Wirtschaftsstandort Österreich sind, zeigt auch eine Ad-hoc-Befragung unter den Top-Managern der Mitgliedsunternehmen des Fachverbandes FCIO: Demnach räumen rund 82 % Innovationen „höchste“ und „hohe“ Priorität ein. Etwa jedes vierte Unternehmen erwirtschaftet mehr als 30 % des Umsatzes mit Produkten oder Lösungen, die jünger als fünf Jahre am Markt sind.
Drei Viertel der Befragten sehen jedoch zeitgleich Handlungsbedarf von Seiten der Politik. Als stärkstes Hemmnis für Innovationen gab etwa die Hälfte der Befragten ein zu viel an Bürokratie an. Für 44 % sind fehlende Ressourcen hinderlich. Auch die in Österreich vorherrschende Innovationskultur empfinden viele Unternehmen als beklagenswert.
„Green Chemistry“ und „Smart Chemistry”
Bei den Forschungsschwerpunkten lassen sich klar zwei Trends erkennen, die wir unter dem Begriff Chemie 4.0 zusammenfassen: In der „Green Chemistry“ geht es darum, erdölbasierte durch sogenannte biogene Rohstoffe zu ersetzen. Beispiele dafür sind etwa Lösemittel auf Fermentationsbasis oder hochqualitative Fasern aus recycelten Stoffen. Die „Smart Chemistry“ beschäftigt sich damit, intelligente Produkte und Materialien zu entwickeln. Durch besondere funktionelle Eigenschaften ermöglichen sie neuartige Anwendungen mit höherem Nutzen – personalisierte Medizin ist ein klassisches Beispiel dafür, aber auch der OP-Handschuh, der frei von allergieauslösenden Chemikalien und vor kurzem mit dem Europäischen Innovationsaward EARTO ausgezeichnet wurde. Unsere Firmen zeigten bei unserer Veranstaltung „Innovation Day 2016“ eindrucksvoll, dass der Innovation keine Grenzen gesetzt sind.
Exportfreude prägt den Zweig
Die chemische Industrie Österreichs ist eng mit dem Ausland verflochten: Mehr als zwei Drittel der Produktion gehen in den Export, ein Großteil davon bleibt innerhalb der EU. Zahlreiche Unternehmen halten Auslandsniederlassungen in der ganzen Welt oder üben als Tochterunternehmen multinationaler Konzerne die Headquarter-Funktion für Mittel- und Osteuropa aus.
Österreichs Chemiebranche besteht hauptsächlich aus mittelständischen Unternehmen. Diese für die Forschung nachteilige Struktur und die geringe Zahl an (forschungsrelevanten) Konzernzentralen muss kompensiert werden. Deshalb braucht es Rahmenbedingungen und ein Fördersystem, das dem großer Länder überlegen ist: Niedrige Arbeitskosten und Rohstoffreichtum verschaffen Ländern in Asien, im Nahen Osten und in Osteuropa eine günstigere Ausgangslage im globalen Wettbewerb.
Darüber hinaus sind die Schwellenländer bekanntlich längst nicht mehr „nur“ preiswert produzierende Industriestandorte, sondern gewinnen auch als Innovationszentren zunehmend an Bedeutung. Auch ihre heimischen Absatzmärkte wachsen erheblich schneller als die Märkte in Europa.
Investitionsanreize unabdingbar
Zur Absicherung des Industriestandorts Österreich sind daher entsprechende Investitionsanreize zu setzen. Das österreichische System der indirekten, steuerlichen Forschungsförderung und der direkten, projektgebundenen Forschungsförderung stellt deshalb eine wichtige Unterstützung für die forschende Industrie dar. Die chemische Industrie erachtet die direkte und indirekte Forschungsförderung in ihrer Wirkung als komplementär: Stellt die indirekte Forschungsförderung auf den Standort ab, so ist für die direkte Forschungsförderung die Technologierelevanz wesentlich. Und Österreich braucht beides!
Planungssicherheit ist Voraussetzung
Planungssicherheit ist für Unternehmen wichtig, um das Risiko bei Investitionen zu minimieren. Das betrifft Einschränkungen der Rohstoffverfügbarkeit durch die Chemikaliengesetzgebung genauso wie eine kurzsichtige Klimapolitik, die unserem Land als Industriestandort eine große Ungewissheit bringt und Investitionsbestrebungen im Keim erstickt. Darum setzen wir uns für eine transparente und überschaubare Gesetzgebung mit Weitblick ein.
Gesetzgebung gefährdet Wettbewerbsfähigkeit
Die Ergebnisse der durchgeführten kumulativen Kostenabschätzung zeigen deutlich, dass die chemische Industrie unter den überbordenden Gesetzesfolgekosten der Chemikaliengesetzgebung leidet. Hier ist dringender Handlungsbedarf seitens der Politik gefragt. Es bleibt zu hoffen, dass sich die politischen Entscheidungsträger mit den Ergebnissen der Studie befassen und Maßnahmen treffen, um den durch die Gesetzgebung entstehenden Verwaltungsaufwand für Unternehmen zu verringern. Ansonsten ist die Wettbewerbsfähigkeit genauso wie die Innovationskraft der europäischen Unternehmen der chemischen Industrie gefährdet.
Österreichs Chemieindustrie in Zahlen
Die kunststoffverarbeitende Industrie, die in Österreich auch vom Fachverband der Chemischen Industrie betreut wird, trägt mehr als ein Drittel zum Produktionswert der Chemiebranche von insgesamt 14,9 Mrd. EUR (2015) bei. Mit Abstand folgen dahinter die Pharmabranche mit 14,3 %, sowie die Kunststofferzeuger mit 13,6 %. Auch die Chemikalienproduktion leistet einen zweistelligen Beitrag zum Gesamtumsatz der chemischen Industrie. Die Chemiefasern liegen mit 6,1 % an fünfter Stelle (Grafik 1).
Im August 2016 waren in Österreich 248 Betriebe in der chemischen Industrie tätig. Mittelständische Betriebe mit durchschnittlich rund 150 Mitarbeitern prägen das Bild: Fast jeder dritte Beschäftigte in der chemischen Industrie ist in einem KMU tätig. Von den rund 248 Unternehmen beschäftigen lediglich 50 mehr als 250 Arbeitnehmer.
Mitte 2016 beschäftigte Österreichs chemische Industrie rund 45.200 Mitarbeiter. Deren Zahl ist im Vergleich zum Vorjahr trotz gedämpfter Konjunktur leicht gestiegen (+1,9 %). Die Firmen halten den Mitarbeiterstand, weil sie grundsätzlich positiv gestimmt sind und auf einen Aufschwung hoffen.
Konjunktur: Warten auf den Aufschwung
Die Konjunkturentwicklung in der österreichischen chemischen Industrie ist weiterhin sehr verhalten. Seit dem Rekordjahr 2012 mit einem Branchenumsatz von 15,1 Mrd. EUR verharren die Erlöse bei knapp 15 Mrd. EUR. Bis zum Juni des Jahres 2016 konnte die Branche keinen nennenswerten Aufschwung verzeichnen (Grafik 2). Deutliche Einbußen beim Produktionswert hatten vor allem anorganische Chemikalien, Agrochemikalien und pharmazeutische Grundstoffe. Deutliche Steigerungen konnten Farbstoffe und Pigmente, sowie Körperpflegemittel erzielen. Auch wenn die endgültigen Zahlen für 2016 noch nicht vorliegen, so werden keine großen Änderungen erwartet. Trotz der Stagnation blickt die Branche jedoch mit Zuversicht in die Zukunft. Man glaubt, Licht am Ende des Tunnels zu sehen.
Die Handelsbilanz der österreichischen chemischen Industrie ist sehr ausgewogen, wobei die Einfuhren ein klein wenig überwiegen. Etwa zwei Drittel der Exporte landen innerhalb der EU (Grafik 3). Deutschland ist dabei der wichtigste Handelspartner. An zweiter Stelle liegt die Schweiz, mit Abstand folgt Italien.