Individuelle Ziele und Leistungsboni – ein alter Hut?
Variable Vergütung –sieben Thesen zur Diskussion
Variable Vergütung auf Basis der individuellen Leistung wird heute – auch aufgrund der öffentlichen Diskussion um Boni von Vorständen und Führungskräften – kontrovers diskutiert. Einige Unternehmen planen bereits, sie vollständig abzuschaffen und nur noch Teamprämien und Beteiligungen am Gesamterfolg des Unternehmens auszuschütten. Vor einiger Zeit machte ein großes Interview mit Bosch-Chef Volkmar Denner Furore, in dem er ankündigte, dass sein Unternehmen künftig keine Boni mehr zahlen wird, die von der individuellen Leistung abhängen. Andere Unternehmen haben sich dem angeschlossen. Man könnte meinen: die individuelle variable Vergütung sei ein Auslaufmodell.
Dabei schien doch alles so klar: Wer viel leistet, soll auch besser bezahlt werden. Mit einem ordentlichen Grundgehalt genauso wie mit einem Bonus, der Antrieb und Belohnung zugleich für das Erreichen der individuell gesteckten Ziele ist. Das schien gerecht und sollte die Mitarbeiter zu guter Leistung motivieren. Ihre Leistung zudem mess- und vergleichbar machen.
Gilt das jetzt nicht mehr? In den folgenden sieben Thesen soll der Ursache für diese Entwicklung auf den Grund gegangen werden. Darüber hinaus wird aufgezeigt, wie eine sinnvolle variable Vergütung in heutiger Zeit aussehen kann.
1. Die Abschaffung der individuellen variablen Vergütung ist oft eine Verzweiflungstat.
Viele Unternehmen wollen die individuelle variable Vergütung vor allem deshalb abschaffen, weil es ihnen teils über Jahrzehnte nicht gelungen ist, ein wirklich funktionierendes Bonussystem zu entwickeln und zu betreiben. Daraus leiten viele jetzt den Fehlschluss ab, dass Boni kein sinnvolles Führungsinstrument zur individuellen Incentivierung sind. Die Abschaffung der individuellen variablen Vergütung erfolgt weniger aus innerer Überzeugung. Sie ist vielmehr eine Kapitulation im Angesicht des eigenen Scheiterns.
2. Für viele Jobs ist individuelle variable Vergütung nicht sinnvoll und war es noch nie.
Versucht man, für alle Mitarbeiter im Unternehmen individuelle Ziele festzulegen und einen Bonus gemäß der Zielerreichung auszuschütten, kann das nur schiefgehen. Gerade Funktionen, die stark vom Tagesgeschäft geprägt sind und bei denen eine langfristige Planung der eigenen Handlungen gar nicht oder kaum möglich erscheint, lassen sich nicht über individuelle Zielvereinbarungen führen. Dazu zählen z.B. Sachbearbeiter oder Assistenten. Auch im Top-Management gibt es oft Probleme, individuelle Ziele sinnvoll zu definieren, denn dort fallen diese häufig mit den Unternehmenszielen zusammen.
3. Es gibt aber auch viele Funktionen, für die individuelle variable Vergütung sinnvoll und hilfreich ist.
Dass es Funktionen gibt, die sich nicht über Ziele führen lassen, heißt aber keineswegs, dass es nicht viele Funktionen gäbe, bei denen das sehr gut möglich ist und für die dann auch eine individuelle variable Vergütung sinnvoll und angemessen sein kann. Sehr viele außertarifliche Experten- und Managementpositionen, z. B. im Vertrieb, leben vom Engagement und der Leistung der Individuen, die diese Positionen innehaben. Wenn die individuelle Leistung stimmt, muss sie auch entsprechend vergütet werden.
4. Single-Performer wollen und brauchen Ziele.
Und sie wollen auch nachvollziehen können, warum sie wie viel verdienen. Sonst performen sie nicht mehr in Bestform. Bemisst man ihre variable Vergütung nur noch am Unternehmens- oder Teamerfolg, sinkt ihre Motivation und ihre Leistung.
5. Wer auf die individuelle variable Vergütung verzichtet, dem fehlt eines der Kerninstrumente leistungsgerechter Vergütung.
Dass Mitarbeiter leistungsgerecht vergütet werden sollten, bestreitet kaum jemand. Verzichtet man auf die individuelle variable Vergütung, hängt die Leistungsgerechtigkeit der Vergütung ausschließlich am Grundgehalt. Das Grundgehalt ist aber von vielen Faktoren abhängig, und eben nicht nur von der Leistung. Damit kann und wird es häufig passieren, dass Mehrleister weniger verdienen als Minderleister. Ohne eine individuelle variable Vergütung kann dies bei leistungsbereiten Mitarbeitern zu Frustration und Leistungsabfall führen. Im schlimmsten Fall passen sich alle dem unteren Leistungsniveau an.
6. Ein gutes Performance-Management ist Voraussetzung für eine funktionierende variable Vergütung.
Individuelle Ziele und Leistungsbeurteilung sind Kernelemente des Performance Managements. Wenn das Performance Management funktioniert, kann man auf dieser Grundlage auch eine individuelle variable Vergütung ausschütten. Wenn keine individuelle variable Vergütung bezahlt wird, liegt das oft daran, dass es nicht funktioniert. Dann aber hat das Unternehmen nicht nur Probleme mit seiner Vergütungsstruktur, sondern mit der grundsätzlichen Leistungsmotivation und Leistungserbringung der Mitarbeiter. Ein Unternehmen ohne gutes Performance Management ist deutlich weniger erfolgreich, als es sein könnte. Es bleibt weit unter seinen Möglichkeiten.
7. Individuelle variable Vergütung ist oft sinnvoll, aber man braucht sie nicht unbedingt.
Auf die individuelle variable Vergütung kann ein Unternehmen in bestimmten Situationen verzichten. Auf ein gutes Performance Management aber kann man niemals verzichten. In der Realität gibt es oft variable Vergütung ohne gutes Performance Management. Aber so gut wie nie gibt es gutes Performance Management ohne individuelle variable Vergütung.