CO2-Problem erkannt, aber bisher ungelöst
Chemie und Biotechnologie können helfen, Wege zur Eindämmung der CO2-Lawine zu finden
Der Welt ist bewusst geworden, dass eine CO2-Lawine über sie rollt. Im Zuge der Energiegewinnung gelangen zurzeit jährlich 35 Mrd. t CO2 aus fossilen Rohstoffen in die Atmosphäre. Gut die Hälfte dieser Menge kann von den natürlichen Kräften des globalen Kohlenstoffkreislaufs nicht mehr in die Biosphäre zurückgeführt werden. Sie reichert die Atmosphäre mit CO2 an und bewirkt dadurch den Klimawandel. Der UN-Gipfel im Dezember 2015 in Paris (COP 21) hat uns zur Kenntnis gebracht, dass bei fortgesetzter Verfahrensweise eine menschheitsgefährdende globale Klimaänderung erfolgen wird.
Die Geowissenschaften haben ein kleines Fenster erkannt, das einen Ausweg bietet. Bis 2050 muss die heutige Menge des industriellen CO2-Abstoßes in die Atmosphäre um 50–85 % vermindert werden. Nun ist es an Wissenschaft, Technologie und Industrie zu sagen, wie das gemacht werden kann.
Bemühungen reichen nicht aus
Nennenswerte Methoden dafür gibt es von Seiten der Industrie nicht – auch kein Abfallmanagement wie z.B. für Abwasser. CO2 galt bis vor kurzem als willkommenes Endprodukt der Abfallwirtschaft – geruchlos, farblos, nützlich im Pflanzenbau. Entsprechend hat man die CO2-Rückführung der Natur überlassen, Absorption in Wasser, Assimilation in Pflanzen, Aufnahme durch Mikroorganismen im Boden. Auch in ihrer Summe haben die CO2-Rückführungen mit der industriell bedingten CO2-Zuführung zur Atmosphäre nicht Schritt halten können. Es ist ein Ungleichgewicht zwischen Zu- und Rückführung entstanden, CO2 hat in der Atmosphäre eine zu hohe Konzentration erreicht.
Jetzt bemüht man sich um die Reduzierung des Einsatzes fossiler Stoffe, hauptsächlich bei der Erzeugung von Elektroenergie. Es beginnt auch die Ablösung der fossilen Kraftstoffe durch regenerative, deren Umwandlung in CO2 keinen Einfluss auf das Klima hat. Die laufende Rationalisierung des Energieverbrauchs für Heizung, Beleuchtung, örtliche Kraft wird zunehmend unter dem Gesichtspunkt der CO2-Einsparung betrieben. Großstädte wie Berlin wollen Klimaneutralität erreichen. Es ist jedoch absehbar, dass das alles nicht reichen wird, um die Netto-Zunahme von CO2 in der Atmosphäre zu verhindern und dadurch den Klimawandel aufzuhalten. Was kann, was muss getan werden?
Als erstes sollte das Wissen über den Klimawandel, seine Ursachen und Bekämpfungsmöglichkeiten systematisch aufgebaut und verbreitet werden, damit wirksame Maßnahmen erarbeitet und bewertet werden können. In diesem Rahmen sollte auch Klarheit darüber geschaffen werden, dass bis jetzt praktisch alle Maßnahmen zum Klimaschutz einen Rückschritt in Bezug auf Intensität und Effektivität energieerzeugender Prozesse bedeuten. Der Entwicklung neuer Verfahren muss deshalb Aufmerksamkeit gewidmet werden.
Neben der Fortführung von Maßnahmen zur (1) Ablösung des Einsatzes von fossilen Rohstoffen - dem heute apostrophierten Königsweg, der besagt: „Was der Atmosphäre nicht zugeführt wird, muss nicht entfernt werden“ - sollten solche getroffen werden, die die (2) Weitergabe von fossilbürtigem CO2 an die Atmosphäre unterbinden (Streng genommen wäre (1) nicht einmal erforderlich, wenn (2) funktionierte.) sowie solche, die die (3) Rückführung von atmosphärischem CO2 in die Biosphäre ermöglichen. (2) und (3) sind zwei Seiten derselben Sache. Sie bewirken eine Entlastung der Atmosphäre von CO2, lenken jedoch die CO2-Lawine in die Biosphäre. Wohin damit?
Speicherung im Boden oder in der See?
Die für die CO2-Speicherung in der Lithosphäre gedachte Technologie des Carbon Capture and Storage (CCS) erscheint bis jetzt wenig tauglich. Man hat sich an den Erfahrungen aus der natürlichen Methanspeicherung orientiert. CH4 und CO2 besitzen jedoch ziemlich unterschiedliche chemische Eigenschaften, was sich auf die Speicherung auswirkt. Darüber hinaus stößt die unterirdische Speicherung in Kavernen immer wieder auf heftigen Widerstand der Bevölkerung, wenn sie in der Nähe besiedelter Gebiet erfolgen soll. Die Deponierung von CO2/Wasser-Koordinationsverbindungen in größeren Meerestiefen scheitert bis jetzt offensichtlich an ihrem Aufschwimmen, das ihre Auflösung mit sich bringt.
CO2 in Biomasse umwandeln und im Boden speichern?
Vielleicht bringt diese Wandlung des gasförmigen CO2 in einen Feststoff eine Lösung im Rahmen des CCS trotz der damit verbundenen Kostensteigerung. Feststoff lässt sich sicherer lagern als Gas. Warum gerade Biomasse? Weil es um schwer zu bewältigende große Mengen geht und zur Herstellung der Biomasse nur Wasser als Reduktionsmittel in Verbindung mit Sonnenenergie eingesetzt zu werden braucht. Jedoch ist das auch der Pferdefuß. Diese Art der Umwandlung verlangt Bestrahlungsfläche. Die ist in größerem Maße noch auf den Meeren verfügbar. Dafür gibt es aber keine Erfahrungen. Die erforderliche Aquakultur steckt noch in den Kinderschuhen und hat sich darüber hinaus Meerestieren zugewandt. An eine großflächige Produktion von Wasserpflanzen mit möglicher Nutzung von Stützpunkten der Öl- und Gasindustrie wie Bohrplattformen oder Produktionsschiffen ist zurzeit nicht zu denken.
Wollte man das Problem auf Landflächen lösen, wäre eine mehrfache Erhöhung der Pflanzenproduktivität erforderlich. Deutschland z.B. stößt jährlich knapp 1.000 Mio. t CO2 in die Atmosphäre ab. Getreideproduktion und Holzeinschlag nehmen zusammen nicht mehr als ein Zehntel dieser Menge auf. Die Flächen für Getreide und Wald müssten sich verzehnfachen lassen. Mit der Gentechnik steht zwar eine Reserve zum Ausbau bereit, die ohne große Flächenerhöhung auskommen könnte. Für deren Anwendung sind jedoch Hürden zu überwinden.
Zu berücksichtigen ist weiter, dass es lebende und tote Biomassen gibt, die sich in Bezug auf ihre CO2-Freisetzung unterschiedlich verhalten. Biomasse in größerem Maße zu vergraben und damit von der Atmosphäre abzuschließen, könnte möglicherweise im Tagebau mit einer weiteren Kohlenutzung verbunden werden. Das hinge aber von der Bereitstellung der Flächen für das Pflanzenwachstum ab.
Atmosphärisches CO2 gegen fossilbürtiges tauschen?
Das fossilbürtige CO2 hat qualitativ keine andere Wirkung auf den Klimawandel als das aus der Atmosphäre stammende. Daher ist es gleichgültig, welches CO2 aus der Atmosphäre entfernt wird. Der ökonomischste Weg ist begehbar.
CO2 in Derivate umwandeln?
Am attraktivsten könnte eine aktive Speicherung von CO2 sein, d.h., die Erzeugung von Derivaten, die in der Biosphäre verharren, dort Nützliches vollbringen und so Wertschöpfung bewirken. Man könnte es „Speichern durch Nutzen“ nennen. Dabei könnte auch ein Kurzschließen erfolgen, d.h., das abgefangene CO2 wird direkt zur Weiterverarbeitung geführt. Die Lebensdauer der Produkte, von ihrer Bildung bis zu ihrer erneuten Wandlung in CO2, spielt eine wesentliche Rolle. Kurzlebige Produkte müssen auf atmosphärischer CO2-Basis aufgebaut sein, langlebige Produkte können auch aus fossilbürtigem CO2 entstanden sein. Kraftstoffe also grundsätzlich aus atmosphärischem CO2 bzw. Biomasse; Plaste, wie bisher, auch aus fossilen Rohstoffen. Das wird oft noch nicht so gesehen und im besten Glauben werden die falschen Rohstoffe gewählt und damit überflüssige oder gar gegenläufige Entwicklungen hervorgerufen. Der Satz „Einmal fossil, immer fossil“ oder „Einmal regenerativ, immer regenerativ“ wird bei der Stoffwandlung kohlenstoffhaltiger Verbindungen in Bezug auf deren Einsatzzwecke noch nicht konsequent beachtet. Auch eine biologisch ausgelöste Stoffwandlung bringt keine Änderung. Fossilbürtiges Material bleibt fossilen Ursprungs und ginge es durch noch so viele biologisch bedingte Wandlungen.
Fazit
Grundsätzlich sollten bei allen Bemühungen um Beiträge zur Klimastabilität die wirklich eintretenden Klimasituationen nicht zu selbstverständlich als günstig erwartet werden. Allein die Kenntnis des Henri’schen Gesetzes zwingt uns die Erwartung auf, dass, trotz radikaler Maßnahmen zur Verringerung des CO2-Übergangs in die Atmosphäre, eine Entlastung nicht gleich zustande kommen wird, weil die Nachlieferung von CO2 aus dem Meerwasser in die Atmosphäre naturgesetzlich erfolgt und durch menschliches Zutun höchstens ausgeglichen werden kann.
Wahrscheinlich kann nur erreicht werden, dass derjenige Zustand eingefroren wird, an dem die Gleichheit von CO2-Zufluss zur und -Abfluss von der Atmosphäre sich einstellt. Die dabei auftretende CO2-Konzentration wird die Temperatur der Erdoberfläche und damit das Klima bestimmen, in dem wir zu leben haben. Offen ist die Frage, wann und wie das genau sein wird. Es wird jedoch deutlich, dass die Bemühungen um die Senkung des CO2-Spiegels der Atmosphäre die Chance bietet, dass sich damit schließlich auch die Einstellung der Gleichgewichtsbedingungen günstiger gestaltet. Die stoffwandelnden Industrien haben nicht nur eine große Verpflichtung, sondern auch eine Chance, durch ihre innovativen Beiträge Märkte zu erschließen, die durch den Zwang zur Herstellung und Aufrechterhaltung der Klimastabilität langfristig lebensfähig zu sein versprechen.