Chemie & Life Sciences

Deutscher Chemiehandel auf gutem Kurs

Verband Chemiehandel blickt zurück auf ein durchschnittliches Jahr und äußert positive Erwartungen für 2014

14.05.2014 -

Der deutsche Chemikalien-Groß- und Außenhandel konnte, wie bereits in CHEManager 6/2014 auf S. 3 zu lesen war, im Jahr 2013 die im Vorjahr erlittenen Mengen- und Umsatzrückgänge nicht ausgleichen. Der Mengenabsatz des lagerhaltenden Platzhandels konnte nur um 1,6 %, der Umsatz auf 1,8 % gesteigert werden. Der Außen- und Spezialitätenhandel musste einen Umsatzrückgang um 1 %, verbunden mit einem parallelen Rückgang der Absatzmenge, verzeichnen. In einem Round-Table-Gespräch mit dem Verbandsvorstand des VCH (Verband Chemiehandel) konnten die Geschäfts- und Marktentwicklungen erörtert und bestehende Herausforderungen diskutiert werden. Teilnehmer an der Runde waren Uwe Klass (VCH-Präsident; CG Chemikalien), Robert Späth (stv. Präsident und Schatzmeister; CSC Jäklechemie), Thorsten Harke (stv. Präsident und Vorsitzender FA Außenhandel; Harke Group), Axel Lenz (Vorsitzender FA Binnenhandel; CVM Chemie-Vertrieb Magdeburg), Jens Raehse (Vorsitzender FA Chemiehandel und Recycling), Birger Kuck (Vorstandsmitglied; Biesterfeld), Peter Steinbach (geschäftsführendes Vorstandsmitglied; VCH) und Ralph Alberti (VCH-Geschäftsführer). Für CHEManager war Dr. Birgit Megges vor Ort.

„Das letzte Jahr war für uns ein durchschnittliches Jahr, bezogen auf die Entwicklungen der letzten zehn Jahre. Wir haben ein leichtes Mengen- und Umsatzwachstum zu vermelden, hinken aber, was gute Jahre betrifft, ein wenig hinterher", startet Uwe Klass den Jahresrückblick. Insbesondere habe, nach einem schwachen 1. Halbjahr, das 4. Quartal zu einer Verbesserung der Ergebnisse beigetragen.

Außen- und Spezialitätenhandel

Der Außen- und Spezialitätenhandel musste 2013 sowohl im Umsatz als auch in der Absatzmenge einen Rückgang hinnehmen. Thorsten Harke differenziert: „Generell muss man zwischen Importhandel und Exporthandel unterscheiden. Letztes Jahr gab es eine Stabilisierung der Währungskurse. Der Euro ist etwas stärker geworden im Vergleich zu den Jahren davor und ist weiter auf dem Weg nach oben. Das ermöglicht günstigere Importe, die zur Folge haben, dass wir in vielen Bereichen des Importhandels wieder wettbewerbsfähiger geworden sind. Die Rückgänge im Umsatz und Absatz sind dadurch zu begründen, dass der Außenhandel mehr auch in anderen europäischen Ländern tätig ist, die sich wirtschaftlich noch nicht richtig erholt haben und wo Probleme wie beispielsweise Zahlungsschwierigkeiten bestehen." Positiver - wenn auch nicht unproblematisch wegen der teilweise im Laufe des Jahres dort eingetretenen Rückgänge in den Währungskursen - war die Lage im letzten Jahr noch in den Emerging Markets (Brasilien, Russland, Türkei, Indien, China usw.), so dass Unternehmen, die dort tätig waren, im Vergleich zu den mehr auf Europa fokussierten Betrieben etwas bessere Ergebnisse erzielen konnten.

Binnenhandel

Im deutschen Binnenhandel gab es im letzten Jahr eine Stagnation der Entwicklungen und die Erwartungen, die die Händler an das Jahr geknüpft hatten, konnten nicht in der gewünschten Breite realisiert werden. In der Ertrags-, aber auch in der Mengenentwicklung gab es dabei deutliche regionale Unterschiede. Axel Lenz weist darauf hin, dass gerade im ostdeutschen Raum die Befürchtung bestanden hatte, Einbußen durch den Einbruch der Solarindustrie hinnehmen zu müssen; und genau diese Befürchtungen seien vielfach eingetroffen und haben sich auch auf den Chemikalienhandel ausgewirkt. Lenz zeigt sich aber optimistisch: „Wir hoffen, dass in diesem Jahr von der Politik zunehmend Zeichen gesetzt werden, und dass die Solarindustrie und überhaupt die Energiepolitik wieder in eine Richtung läuft, die uns Freude machen wird." Abschließend weist er darauf hin, dass trotz schwieriger Bedingungen die Ertragslage dennoch positiv war, weil die Chemikalienhändler seit Jahren daran arbeiten, den Kunden einen Komplettservice zu bieten - von der fachkundigen Beratung über die gesetzeskonforme Technik bis zur pünktlichen Lieferung. „Den Kunden komplexe Leistungen anbieten zu können, ist zunehmend ein Markt und dem stellen wir uns auch - und zwar zunehmend erfolgreich", so Lenz.

Recycling

Die Lösemittelrecycler zeigen sich mit dem Jahr 2013 sehr zufrieden. Laut Jens Raehse überstieg die Nachfrage bei Weitem das Angebot: „Das führen wir darauf zurück, dass zum einen die Produkte noch mehr standardisiert wurden und sich deren Qualität sehr stark verbessert hat. Zum anderen haben die Lösemittelrecycler die Gelegenheit genutzt, nochmals das Thema Nachhaltigkeit anzugehen. So sind sie heute in der Lage, ihre Nachhaltigkeit durch den CO2-Footprint nachzuweisen, soweit hier auch die Daten von der produzierenden Industrie vorhanden sind. Dadurch ist die Zuverlässigkeit dieser Produkte weiter gestiegen", so Raehse.

Ein Problem, dass sich der Branche stellt, ist, dass es einen sehr starken Bedarf an Investitionen, vor allem an zusätzlichen Anlageninvestitionen, gibt. Die Unternehmen sind zwar bereit, weiter auszubauen, werden aber durch die politische Lage und die Banken, die nur zögerlich Kredite vergeben, gebremst.

Raehse macht außerdem noch auf eine andere Problematik aufmerksam: „Die größte Schwierigkeit, die wir haben, ist der Ersatzbrennstoff, das heißt, die energetische Verwertung von gebrauchten Lösemitteln. Das ist sicherlich ein starker Wettbewerb, der auch in den nächsten Jahren noch vorhanden sein wird." Sogar Brüssel bemängele, dass die stoffliche Verwertung in Deutschland nicht in dem Maße beachtet wird, wie es angebracht wäre. Raehse meint: „Die energetische Verwertung wird hier nahezu gleich gestellt und ich sage immer wieder, unbewusst eigentlich subventioniert, da auf die gebrauchten Lösemittel nicht in gleichem Maße Abgaben zu entrichten sind wie auf Heizöl oder Diesel." Trotz dieser Problematik endet seine Ausführung mit einem positiven Ausblick: „Die Nachfrage ist auf jeden Fall da und wir sehen gute Möglichkeiten, 2014 positiv abschließen zu können."

Investitionen

Das Investitionsvolumen der VCH-Mitgliedsunternehmen betrug 2013 125 Mio. €. Am stärksten wurde dabei in die Bereiche Fuhrpark, Lagertechnik und sonstige Betriebs- und Geschäftsausstattung investiert. Bei der Befragung, die der Verband jedes Jahr unter den Mitgliedern durchführt, wurde der Ersatz bzw. die Modernisierung als Haupt-Investitionsmotiv angegeben; gefolgt vom Umweltschutz. Die Motive Rationalisierung und Erweiterung spielten nur eine untergeordnete Rolle. Klass kommentiert: „Wir haben über alles gesehen in den letzten Jahrzehnten immer eine sehr positive Einstellung zum Thema Investitionen gehabt. Nach meiner Einschätzung haben wir in allen Betrieben einen Standard, der keine zusätzlichen Investitionen von unseren Unternehmen verlangt hat. Was die Technik im Allgemeinen und die Sicherheit betrifft, befinden wir uns auf einem der höchsten europäischen Standards, die man haben kann."

Preisentwicklung

„Das Jahr 2013 hat sich durch eine sehr hohe Preisstabilität ausgezeichnet, die letztlich die Handelsgeschäfte negativ beeinflusst hat", steigt Birger Kuck in die Thematik ein. „Grundsätzlich gilt, dass der Handel vor allem dann Geld verdienen kann, wenn die Preise sich bewegen, und das ist im vergangenen Jahr nicht der Fall gewesen", so Kuck weiter.

Auf die Frage, welche Preisentwicklungen für das laufende Jahr erwartet werden, weist Kuck auf die Marktabhängigkeit hin: „Es gibt durchaus Produkte unserer Branche, bei denen es für die Ertragslage des Handelsunternehmens besser ist, wenn die Preise nachgeben und es gibt andere Märkte, wo es besser ist, wenn die Preise steigen. Das hängt mit der Elastizität der Abnehmermärkte zusammen." So kann man gerade im Spezialitätenhandel häufig von steigenden Preisen profitieren.

Harke ergänzt: „Ein zu beobachtendes Phänomen ist, dass sich im deutschen Markt auf einmal viel mehr Anbieter tummeln. Folglich sind der Wettbewerb und der Preisdruck recht hoch. Dies resultiert daraus, dass in anderen europäischen Ländern die Absatzmärkte weggebrochen sind. Nun versuchen viele Hersteller die Mengen, die sie in anderen Ländern nicht verkaufen können, auf dem deutschen Markt unterzubringen." Robert Späth teilt diese Beobachtung: „Es wird derzeit möglich, aus Ländern einzukaufen, aus denen es vorher in dem Sinne gar kein Angebot gab."

Entwicklung verschiedener Märkte

In den letzten Jahren hat sich der deutsche Chemiehandel im Allgemeinen sowohl in den west- als auch osteuropäischen Märkten sehr gut positioniert und etabliert. Inwieweit es dort noch Erweiterungen geben wird, liegt an den einzelnen Unternehmen selbst. Lenz äußert seine persönliche Sichtweise: „Meiner Meinung nach ist jeder Chemikalienhändler, der die Möglichkeit hat, gut beraten, zum Beispiel in Polen aktiv zu sein. Und das betrifft sicherlich auch noch weitere osteuropäische Länder wie Tschechien, Ungarn etc."

Auch Russland und die Ukraine wurden als interessante Märkte für expandierende Unternehmen im Gespräch erwähnt. Laut Späth sind durch die positive Entwicklung, die seit dem 4. Quartal letzten Jahres andauert, große Erwartungen für 2014 entstanden. In Frage gestellt wird diese positive Entwicklung, die sowohl die Abnehmerbranchen für Commodities als auch für Spezialitäten betrifft, durch die Krim- bzw. Ukrainekrise und die Auswirkungen, die derzeit noch nicht absehbar sind.

Harke ergänzt: „Ich denke, dass weiterhin Investitionen in Osteuropa erfolgen werden. In Westeuropa geht es mehr um das Thema Konsolidierung." „Ich glaube, die M&A-Aktivitäten sind langsam wieder aufgelebt. Nach der Krise 2008/2009 geht es jetzt weiter. Ich vermute zwar, dass die Großen der Branche in Europa in ihren Akquisitionsbemühungen inzwischen verstärkt an kartellrechtliche Grenzen stoßen und daher aktuell ihre Akquisitionsbemühungen mehr auf Wachstumsmärkte zum Beispiel in Asien verlagern, aber die Akquisitionsaktivitäten werden auch in Europa sicherlich unter anderem durch Unternehmen unterhalb der Größenordnung dieser „Multinationals" weiterlaufen", so Harke weiter.

Chemiespezifische Regularien

Auch nach dem Abschluss der zweiten Registrierungsfrist zum 1. Juni 2013 ist um das Thema REACh noch keine Ruhe eingekehrt. Während in den letzten Jahren die Priorität auf die Registrierung von Stoffen gesetzt wurde, ist nun die Zulassung von Stoffen in den Vordergrund getreten. Peter Steinbach erläutert: „In den letzten zwei Jahren ist sehr deutlich geworden, dass, aus politischer Motivation heraus, zunehmend Stoffe in das Zulassungsverfahren übernommen werden. Bei vielen Stoffen wird klar, dass es nicht zu einer Zulassung kommen wird. Es werden definitiv Stoffe vom Markt verschwinden." Auch wenn nicht alle Stoffe gleichermaßen für Chemiehändler relevant sind, zeigt z. B. die Diskussion um Chromtrioxid oder auch Azodicarbonamid - Stoffe, für die es in der Spezialchemie vielfältige Anwendungen gibt -, dass sich auch der Chemiehandel zunehmend mit dem Thema der Zulassung bzw. der Suche nach Substitutionsprodukten beschäftigen muss.

Nach wie vor arbeitet der Verband außerdem an der „Dauerbaustelle" der erweiterten Sicherheitsdatenblätter. „Wir wundern uns selber, dass wir jetzt schon seit fast vier Jahren daran arbeiten, ohne dass eine wirklich praktikable Lösung in Sicht ist", so Steinbach. Fakt ist, dass nach wie vor Sicherheitsdatenblätter mit mehreren 100 Seiten mit sog. Expositionsszenarien-Anhängen kommuniziert werden, mit denen die große Mehrzahl der Anwender nichts anfangen kann, weil sie mit der Komplexität der Inhalte überfordert ist. Trotz vieler Aktivitäten zeigt sich Steinbach skeptisch: „Die Aussichten dafür, dass es in dem Bereich noch zu einer praktikablen Lösung kommen wird, sind nicht wirklich groß. Wir sind selbst gespannt, wie sich das in den nächsten Jahren entwickelt - so langsam richtet man sich darauf ein, das Problem erst bis 2018 zu lösen - wenn es denn überhaupt gelingt."

Initiativen zur Nachhaltigkeit

In der Runde wurde auch die von einigen Chemiefirmen neu ins Leben gerufene Initiative „Together for Sustainability" (TfS)" angesprochen. Ziel der TfS-Initiative ist die Entwicklung und Umsetzung eines globalen Programms zur verantwortungsvollen Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen und der Verbesserung der ökologischen und sozialen Standards bei Lieferanten. Ralph Alberti äußert sich dazu skeptisch: „Es zeichnet sich ab, dass von Seiten der Produzenten quasi gleichzeitig verschiedene Initiativen unter der Prämisse der Nachhaltigkeit gestartet werden." Und das, obwohl sich die gesamte Branche - Produzenten und Chemiehändler - seit mehr als 20 Jahren in der Resposible-Care-Initiative dem Thema Nachhaltigkeit annehmen. So machen sich seit Kurzem unter dem gemeinsamen Dach „Chemie³" der Verband der Chemischen Industrie (VCI), die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) und der Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) stark für eine nachhaltige Entwicklung. Und mehr oder weniger gleichzeitig wurde nun auch TfS ins Leben gerufen. Alberti kritisch: „Ich habe die Befürchtung, dass sich diese ganzen Initiativen, wenn sie weiter parallel laufen und nicht zusammengeführt werden, untereinander kanibalisieren. Letztendlich weiß keiner mehr, welche Initiative er unterstützen soll. Wir würden uns wünschen, dass man alle Initiativen einmal sortiert und unter einem Dach zusammenfügt. Unser Vorschlag wäre, die Responsible-Care-Initiative als Basis zu nehmen und diese weiterzuentwickeln, indem neue Ideen und andere Parameter mit aufgenommen werden." Späth merkt zudem an, dass die chemische Industrie gut beraten sei, den Chemiehandel in die Entwicklung der Initiativen mit einzubeziehen, weil ohne die Supply Chain nicht das eigentliche Ziel erreicht werden könne, nämlich die Kontrolle der gesamten Kette bis zum Endverbraucher.

Erwartungen an das Jahr 2014

Im Laufe des Gesprächs ist angeklungen, dass das laufende Jahr für den Chemiehandel relativ erfolgreich begonnen hat und man momentan für 2014 - sollte es nicht zu außerordentlichen Einflüssen kommen - mit einer verhalten positiven Entwicklung rechnet. Für den gesamten Chemiehandel wurde eine Absatzsteigerung zwischen 1,5 und 2,5 % prognostiziert. Man geht außerdem davon aus, dass weiterhin mit relativ stabilen Preisen zu rechnen ist. Für den Spezialitätenhandel könnten sogar eine Umsatzsteigerung von 2 bis 3 % und eine noch höhere Ertragssteigerung möglich sein. Durch den relativ starken Euro und die Möglichkeit, günstig international einzukaufen, wird der Importhandel dabei gegenüber dem exportierenden Außenhandel Vorteile haben. Allerdings sollte man bei der Betrachtung dieser Einschätzungen vorsichtig sein und abwarten, wie sich der gesamteuropäische und asiatische Raum entwickelt.

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