FDA/„21 CFR Part 11: 10 Jahre für Reach nutzen
Ordnung im Datenchaos
Der 1.6.2007 war für die chemische Industrie ein wichtiger Stichtag: die neue europäische Chemikalienverordnung Reach trat in Kraft. Chemisch/physikalische und toxikologische Daten müssen jetzt anwendungs- und expositionsbezogen ermittelt und bereitgestellt werden. Das bedeutet, dass die Informationen nicht wie bisher nachgeschalteten, sondern zusätzlich auch vorgeschalteten Akteuren verpflichtend zur Verfügung gestellt werden müssen: verordnungskonforme Datenflüsse und Workflows sowie Risikobetrachtungen bezüglich der Verfügbarkeit ihrer Roh- und Ausgangsstoffe auf dem europäischen Markt sind dafür notwendig.
Die Integration von Datenbeschaffung, -erfassung, -speicherung auf der einen und deren Übermittlung über die gesamte Supply Chain auf der anderen Seite bedeuten hohe Anforderungen an die IT-Systeme der betroffenen Unternehmen.
Die chemische Industrie kann dabei jedoch von der pharmazeutischen Industrie aus den Erfahrungen bei der Umsetzung regulatorischer Anforderungen lernen, Risiken als Chancen zu begreifen und zu Marktvorteilen auszubauen.
Reach als Risiko und Herausforderung
Mit etwa 850 Seiten ist die Reach-Verordnung ein umfangreiches Gesetzeswerk. Hier den Überblick zu behalten mit den noch nachfolgenden, mehrere hundert Seiten umfassenden Durchführungsrichtlinien bedeutet in den kommenden Jahren einen erheblichen Mehraufwand für die Firmen. Zudem muss genau analysiert werden, welche Stoffe und Produkte im Unternehmen Verwendung finden und: wo lohnt sich der Aufwand einer Registrierung?
Für 80% der auf dem europäischen Markt befindlichen Stoffe existieren die unter Reach notwendigen Daten nicht, und die Reach-Gesamtkosten werden den von der EU geschätzten Aufwand von 2,3 Mrd. € sicherlich übersteigen. Allein BASF schätzt für Registrierungen, Testverfahren und Dokumentationen 550 Mio. € Finanzbedarf in den nächsten zehn Jahren. Ungefähr 20-40% der chemischen Substanzen auf dem europäischen Markt werden aufgrund der Reach-Kosten verschwinden. Hinzu kommt, dass ca. 1.000 Stoffe aufgrund ihrer besonders besorgniserregenden Eigenschaften verboten oder mit Beschränkungen belegt werden könnten.
Wir erinnern uns noch an die Diskussionen, die vor etwa zehn Jahren das Inkraftsetzen des „21 CFR part 11, Electronic Records and Electronic Signatures, final rule" in der pharmazeutischen Industrie ausgelöst hat. Doch für diese Firmen wurden regularienkonforme und effiziente IT-Lösungsansätze zu einem Marktvorteil. Der „21 CFR part 11" führte zur Entwicklung vom Papier zum elektronischen Dokument und bewirkte einen zunehmend effektiveren Einsatz von IT-Systemen in den Unternehmen.
Kein Markt ohne Daten
Die Anforderungen, die durch die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA (Food and Drug Administration) mit dem 1997 in Kraft gesetzten „21 CFR part 11" für Systeme pharmazeutischer Hersteller formuliert wurden, bedeuteten prägnant: „Was nicht dokumentiert ist, existiert nicht!" Betroffen sind dabei nicht nur die Hersteller von Medikamenten, sondern auch deren Zulieferer (Ausgangs- und Hilfsstoffe, Geräte und Medizinprodukte, Hard- und Software).
Die Reach-Verordnung schreibt vor, dass nur noch diejenigen Stoffe auf den Markt gebracht werden dürfen, für die eine anwendungsbezogene Registrierung existiert. War vor Reach auf dem Markt erlaubt, was nicht explizit verboten wurde, so sind es mit Reach nur noch diejenigen Stoffe, die registriert sind. Nach Reach gilt also: „Ohne Daten kein Markt!"
Kommunikation und Datenmanagement
In der pharmazeutischen wie der chemischen Industrie sind computergestützte Systeme in den letzten 20 Jahren zunehmend in die Sammlung, Prozessierung, und Speicherung von Daten entlang der Wertschöpfungskette der Unternehmen eingebunden und Bestandteil von automatisierten Prozessen in Produktion und Labor. Weiterhin sind die IT-Systeme ein zentraler Bestandteil der Kommunikation. Dies hat zur Folge, dass eine erfolgreiche Umsetzung von Reach- und FDA-Compliance neben organisatorischen Maßnahmen und deren Implementierung in den IT-Systemen ein audit- und revisionssicheres Datenmanagement für alle regulatorisch betroffenen Daten erfordert. Von Arbeitsplatzrechnern, analytischen Instrumenten und LIMS (Laboratory Information Management Systems) über Datenspeicherung bis hin zu Prozessleitsystemen und ERP (Enterprise Ressource Planning, z.B. SAP, Navision) reicht die Bandbreite der von der FDA-Compliance betroffenen IT-Systeme.
Die für eine Registrierung unter Reach notwendigen Daten kommen aus den unterschiedlichsten, IT-gestützten Datenquellen. Neben verschiedenen unternehmensinternen Systemen (ERP, Stoff- und Labordatenbanken) sind aufgrund der notwendigen Kommunikation mit vor und nachgeschalteten Anwendern externe Quellen (Lieferanten, Partner, Labors) einzubeziehen. Die Aggregation und anschließende Übermittlung der in Registrierungsdossiers zusammengefassten Daten für die Registrierung (Iuclid-Format, International Uniform Chemical Information Database) stellt enorme Ansprüche an die Datenerfassung. Dabei müssen die hierzu verwendeten IT-Systeme sowohl mit der EU-Behörde (EChA - Europäische Chemikalien Agentur) als auch den verschiedensten internen und externen Quellen kommunizieren und Daten revisionssicher austauschen können. Im Mittelpunkt steht also unter Reach die revisions- (und damit audit-)sichere Sammlung, Aggregation und Kommunikation von Daten.
Effiziente IT-Systeme für die Reach-Compliance
IT-Systeme für ein auf Reach-Inhalte abgestimmtes Datenmanagement müssen die direkte Kommunikation zwischen ERP-Systemen und den für sie entwickelten Reach-IT-Modulen und der EChA (Iuclid) für die Registrierung intelligent unterstützen, vereinfachen oder diese ersetzen. Dabei ist neben der Einbeziehung von Mail, Fax und gescannten Dokumenten, die automatisiert Stoffen und Produkten zugeordnet werden können, die Verfügbarkeit von Formularen und verschlüsselten Web-basierten Kommunikationsmöglichkeiten mit vor- und nachgeschalteten Anwendern wichtig. Es gibt mittlerweile einfache, kostengünstige und schnell implementierbare Lösungen.
Alle Datenflüsse und die mit den Daten zusammenhängenden Prozesse können mit definierten Workflows hinterlegt und so qualitätsgesichert und/oder automatisiert gesteuert werden. Über Management-Dashboards und unter Verwendung von Balanced Score Cards kann der Projektfortschritt verfolgt und eine Priorisierung der Stoffe, Stoffklassen und Produktgruppen unter Einbeziehung businessrelevanter Daten und Zahlen immer aktuell dargestellt werden. Eine problemlose Integration in die bestehende Office-Welt des Unternehmens und die Unterstützung aller Intranets, Extranets und Webanwendungen ist gegeben.
Für Reach lassen sich also mit IT-Systemen die notwendigen Anforderungen realisieren: Wie im Umgang mit der FDA-Compliance können Risiken und Herausforderungen zu Chancen werden!