Chemie & Life Sciences

Reach – Das erste Jahr

Vorregistrierung und Bildung von SIEF’s

03.11.2010 -

Um die Übergangsfristen für die Registrierung von Phase-in-Stoffen (also insbesondere von Altstoffen) in Anspruch nehmen zu können, müssen die Stoffe vorregistriert werden. Zweck dieser Vorregistrierung ist hauptsächlich, die Möglichkeit zum Informationsaustausch und zur Kommunikation zwischen den Unternehmen zu schaffen, die später denselben Stoff registrieren. Diese Kommunikation erfolgt in den sog. Substance Information Exchange Fora (SIEF; Definition s. unten).

Bezüglich der Vorregistrierung und der Teilnahme an einem SIEF stellen sich eine Vielzahl von Fragen. Die insoweit zentralen Fragen sollen nachfolgend besprochen werden:

Welchen Zweck erfüllt die Vorregistrierung?

Die Reach-Verordnung bestimmt, dass am / ab dem 1. Juni 2008 Stoffe nur noch in der EU hergestellt oder in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie registriert wurden. Allein die Vorregistrierung nach Artikel 28 der Reach-Verordnung verschafft die Übergangsfrist zur späteren Registrierung bis Ende November 2010 (CMR-Stoffe ab 1 t/a, R 50/53 Stoffe ab 100 t/a und andere Stoffe ab 1.000 t/a) bis Ende Mai 2013 (andere Stoffe ab 100 t/a) und Ende Mai 2018 (andere Stoffe ab 1 t/a).

Ist die Vorregistrierung verpflichtend?

Nein, aber das Nicht-Vorregistrieren führt zur unmittelbar geltenden Registrierungspflicht. Diese bewirkt im Übrigen nicht eine „Befreiung" von der Teilnahme an einem SIEF.

Wann kann / muss vorregistriert werden?

Im Regelfall muss die Vorregistrierung im Zeitraum 1. Juni bis 1. Dezember 2008 erfolgen. Danach ist eine Vorregistrierung nur noch möglich, wenn die Registrierungspflicht erstmals nach dem 1. Dezember 2008 eintritt.

Wer kann vorregistrieren?

Die Pflicht und damit gewissermaßen auch die Möglichkeit zur Vorregistrierung gilt zum Ersten für Hersteller und Importeure von Phase-in-Stoffen, zum Zweiten für Hersteller und Importeure von Phase-in-Stoffen in Artikeln, wenn die Stoffe freigesetzt werden sollen und zum Dritten für Alleinvertreter von nicht in der EU ansässigen Herstellern. An dieser Stelle ist festzuhalten, dass wohl davon auszugehen ist, dass ein Handelshaus in einem Drittland keinen Alleinvertreter wird bestellen können.

Wie wird vorregistriert?

Für die ausschließlich auf elektronischem Wege mögliche Übermittlung der in Artikel 28 Abs. 1 der Reach-VO geforderten Informationen sind drei Wege vorgesehen:
die direkte Eingabe der Informationen auf der Website der Europäischen Chemikalien Agentur (ECHA);
die Übermittlung einer Sammel-Vorregistrierung in einer Datei entsprechend den Vorgaben der ECHA;
die Verwendung der von der ECHA vor allem für die Registrierung entwickelten Software IUCLID5.

Was passiert nach der Vorregistrierung?

Wenn ein potentieller Registrant einen Stoff vorregistriert, wird in der ECHA-Reach-IT eine spezifische Website angelegt. Alle weiteren Vorregistranten desselben Stoffes erhalten dann Zugang zu dieser Website. Der Erstregistrant wird per E-Mail über die weiteren Vorregistrierungen informiert. Damit erhalten die Unternehmen die Möglichkeit, auch bereits während der Vorregistrierungsfrist zu kommunizieren. Am 1. Januar 2009 wird die ECHA dann eine Liste der vorregistrierten Stoffe veröffentlichen und damit gewissermaßen den offiziellen Startschuss für die Bildung der SIEF's geben.

Wie organisiert sich das SIEF?

Die Organisation eines SIEF bleibt vollständig den Teilnehmern überlassen. Es gibt also insoweit keinerlei Formvorschriften. Aus Praktikabilitätsgründen erscheint es aber unabdingbar, dass jemand die Federführung / Koordinierung übernimmt. Dies kann sowohl ein SIEF-Teilnehmer - möglicherweise derjenige, der im größten Umfang Daten / Studien in das SIEF einbringt - aber auch ein unabhängiger Dritter („SIEF-Manager") sein. Umfangreiche Erläuterungen, wie innerhalb eines SIEF Daten und Kosten geteilt werden können / sollen, enthält der ECHA-Leitfaden „Guidance on data sharing".

Da es insbesondere für die Unternehmen, die in drei- oder gar vierstelliger Zahl Stoffe vorregistrieren, nicht möglich sein wird, für jeden dieser Stoffe physisch Mitarbeiter in ein SIEF zu entsenden, bereitet sich die europäische Chemiewirtschaft mit Hochdruck darauf vor, Web-basierte Lösungen für die SIEF-Organisation zu entwickeln. Der europäische Chemiehandel unterstützt diese Initiative nicht nur nachdrücklich im Hinblick auf die Organisation der SIEF's, sondern insbesondere auch im Hinblick auf die Notwendigkeit, auch für die Kommunikation in der Lieferkette - insbesondere über Verwendungs- und Expositionsbedingungen - einen Web-basierten Ansatz zu realisieren. Dies wird jedoch nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn ein entsprechendes Tool im späten Frühjahr 2008 zur Verfügung steht.

Welche Rechte und Pflichten haben die Teilnehmer?

Soweit es sich bei den Teilnehmern um Vorregistranten handelt, kommen ihnen folgende Pflichten zu:

  • die Beantwortung von Anfragen anderer Teilnehmer;
  • die Bereitstellung von vorhandenen Studien für andere Teilnehmer auf der Basis einvernehmlicher Regelungen zur Kostenteilung;
  • die Anforderung ihnen selbst fehlender Informationen von anderen SIEF-Teilnehmern;
  • die gemeinsame Ermittlung des Bedarfs für weitere Studien und Organisation der Erstellung solcher Studien und
  • die Einigung über die Einstufung und Kennzeichnung eines Stoffes.

Soweit es sich bei den Teilnehmern um Inhaber von Studien handelt, die selbst nicht vorregistriert haben, müssen auch sie Anfragen anderer Teilnehmer beantworten und ihnen zur Verfügung stehende Studien gegen entsprechendes Entgelt bereitstellen. Nicht möglich ist es ihnen, selbst Daten anzufordern.
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die gemeinsame Nutzung von Daten nicht nur für die Registranten desselben Stoffes möglich sein soll. Unter dem Begriff „Read across" wird in den Leitfäden zur Reach-Verordnung ausführlich die Möglichkeit beschrieben, für einen bestimmten Stoff vorliegende Daten / Studien auch für die Bewertung anderer Stoffe zu verwenden.

Wann endet das SIEF?

Artikel 29 der Reach-VO bestimmt, dass jedes SIEF bis zum 1. Juni 2018 arbeitsfähig sein muss. Doch ist zu bedenken, dass Daten, die im Rahmen einer gemeinsamen Registrierung generiert wurden, auch über diesen Zeitpunkt hinaus geschützt werden sollten. Unabhängig davon kann es ggf. erforderlich werden, auch nach dem genannten Datum - z.B. im Zusammenhang mit einer Aktualisierung - weitere Daten zu generieren. All dies kann dafür sprechen, das SIEF über den 1. Juni 2018 hinaus beizubehalten.

In jedem Fall endet das SIEF natürlich - jedoch wird dies die Ausnahme sein - mit dem Ausscheiden aller SIEF-Teilnehmer durch Verzicht auf eine spätere Registrierung.

Schlussbemerkung

In wenigen Monaten fällt der Startschuss zur Vorregistrierung. Nach heutigem Kenntnisstand kann man davon ausgehen, dass am 1. Juni 2008 sowohl bei den Unternehmen als auch bei der ECHA die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für eine professionelle Abwicklung der Vorregistrierung vorhanden sein werden. Die entscheidende und zentrale Herausforderung vor allem für die Unternehmen, die als Hersteller und / oder Importeure registrierungspflichtig werden, wird sich dann ab dem 2. Halbjahr 2008 und vor allem im Jahr 2009 stellen. Denn dann werden Unternehmen an einer bis in den vierstelligen Bereich reichenden Zahl von SIEF's teilnehmen und für jedes SIEF bzw. jeden Stoff exorbitante Anforderungen an die Generierung, Aufbereitung und Auswertung von stoff- und anwendungsbezogenen Daten abarbeiten müssen. Es bleibt der europäischen Chemiewirtschaft nur zu wünschen, dass sie diese Herkulesaufgabe stemmen kann.


SIEF (Substance Information Exchange Fora)
Ein SIEF ist

ein Forum zum Austausch von Stoffinformationen (insbesondere Versuchsdaten) mit dem Ziel, möglichst umfassend Informationen gemeinsam für die Registrierung zu nutzen; eine Plattform zur inhaltlichen und organisatorischen Vorbereitung der gemeinsamen Einreichung von Daten zur Registrierung und ein Forum zur Vereinheitlichung der Einstufung und Kennzeichnung von Phase-in-Stoffen. Eine solche Vereinheitlichung wird den potentiellen Registranten desselben Stoffes durch die Reach-Verordnung ausdrücklich vorgegeben.

Ein SIEF wird gebildet
indem Hersteller und Importeure eines bestimmten Stoffes sich darüber verständigen, dass sie tatsächlich denselben Stoff herstellen bzw. importieren. (Wesentliche Grundlage dafür wird die seit Mitte 2007 auf der Website der ECHA verfügbare „Guidance for identification and naming of substances under Reach" sein - wobei deren Inhalte von der Industrie teilweise kritisch gesehen werden. Dabei kann es für denselben Stoff jeweils nur ein SIEF geben.)

Zu Mitgliedern werden automatisch
Unternehmen, die einen Stoff vorregistriert haben; Hersteller / Importeure, die - ohne Vorregistrierung - denselben Stoff vor dem 1. Juni 2018 registriert haben; Unternehmen, die bereits im Zusammenhang mit der Umsetzung der Richtlinien 91/414/EG bzw. 98/8/EG (Pflanzenschutz und Biozide) über einschlägige Studien verfügen.

Zu einem Mitglied werden kann
jeder, der für einen vorregistrierten Stoff über entsprechende Studien verfügt. (Hintergrund dazu ist, dass es aus Sicht des europäischen Gesetzgebers wünschenswert ist, dass nicht nur Hersteller und Importeure von Stoffen, die aufgrund der ihnen auferlegten Registrierungspflicht gewissermaßen Zwangsmitglieder eines SIEF werden, die ihnen verfügbaren Studien einbringen. Im Rahmen der Registrierung genutzt werden sollen darüber hinaus möglichst umfangreich auch Studien, über die andere verfügen - z.B. weil sie zu wissenschaftlichen Zwecken erstellt wurden. Die Bereitstellung solcher Studien soll vor allem dazu beitragen, zusätzliche Tierversuche soweit als möglich zu vermeiden.)