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Diversity Management birgt ungenutzte Potentiale

Interview mit Götz Erhardt, Accenture

31.07.2012 -

Globalisierung, Fachkräftemangel oder Wertewandel - Diversity Management bietet Unternehmen Ansätze, diesen Herausforderungen zu begegnen. Doch vielfach bleiben die Potentiale noch ungenutzt. Dr. An­drea Gruß befragte dazu Götz Erhardt, Executive Partner bei Accenture in Kronberg.

CHEManager: Herr Erhardt, was verstehen Sie unter Diversity?

Götz Erhardt:
Für mich hat Diversity eine umfassendere Bedeutung als Gender Diversity. Es geht im Kern darum, Potentiale durch Vielfalt und eben nicht Uniformität zu nutzen. Zu dieser Vielfalt zählen „offenkundige" Unterschiede wie Geschlecht oder Ethnie sowie - und hier sehe ich die weitaus höheren Potentiale der Vielfalt - eher verborgene Merkmale wie Ausbildung, Erfahrung und Arbeitsweisen. Zwar sind Förder- und Mentoringprogramme für Frauen zwingend erforderlich, ebenso wie offenere Ansätze bei Ausbildungs- und Laufbahnvielfalt. Aber wir sollten uns hiermit nicht zufriedengeben.
Diversity und Inclusion - die Einbeziehung jedes Einzelnen - sind grundsätzlich ein Thema guter Führung. Diese Themen sollten Unternehmen aktiv angehen, also ihre Führungskräfte befähigen, die Chancen von Diversity in ihren Teams zu nutzen, insbesondere bezogen auf Vorgehensweisen, Denkmodelle und Arbeitsstile.

Wie können Unternehmen Vielfalt nutzen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern?

Götz Erhardt:
Indem sie sich zunächst einmal darüber klar werden, an welcher Stelle Vielfalt Komplexitätskosten verursacht, also nicht zweckdienlich ist, und an welcher Stelle Diversity die Leistungsfähigkeit von Unternehmen steigert. Ein undifferenzierter „Multikulturalismus" hilft genauso wenig wie eine Monokultur promovierter deutscher Chemiker. Konkret geht es um Fragen wie „Wie stelle ich das beste Team für eine Aufgabe zusammen?" oder „Nach welchen Kriterien plane ich die Nachfolge?". Ein Beispiel: In Markteintrittsprojekten kann es sehr sinnvoll sein, neben lokaler Expertise und Vertriebsingenieuren Mitarbeiter einzubinden, die ganz bewusst die Kundenperspektive einnehmen können.

Heißt das, „ungleiche" Teams sind erfolgreicher?

Götz Erhardt:
Ungleiche Teams sind nicht notwendigerweise erfolgreicher. Wir haben unlängst eine Studie zum Leistungsvergleich unterschiedlicher Teams durgeführt. Hierbei hat sich gezeigt, dass die Diversität von Merkmalen Leistungsunterschiede nicht erklärt. Übereinstimmendes Kennzeichen der „besseren" Teams war eine Vertrauenskultur gepaart mit Wertschätzung der individuellen Leistung und Rolle. Also kurzum: Die Führung des Teams und die Verbindung der unterschiedlichen Talente. Nationalität und Geschlecht spielten eine untergeordnete Rolle.
Welche Voraussetzungen müssen geschaffen werden, damit Diversity zum Unternehmenserfolg beitragen kann?
G. Erhardt: Etwas akademisch gesprochen: der strukturelle Abbau von Vorurteilen. Praktisch ausgedrückt: Führungskräfte müssen fähig sein, die eigenen Stereotype zu reflektieren und im Sinne einer gestellten Aufgabe - sei es in Projekten oder bei der Nachfolgeplanung - die besten Talente einzusetzen. Und eben nicht in den Spiegel schauen und dann möglichst ähnliche Typen suchen.

Wie gelingt das?

Götz Erhardt:
Das muss das Topmanagement vorleben. Und zwar mit „publikumswirksamen" Signalen wie Berufungen oder Nachfolgeregelungen. ­Ferner müssen im Sinne der Chancengleichheit traditionelle Präsenzmodelle nach dem Motto „Nur wer am Arbeitsplatz sitzt, arbeitet wirklich" durch entsprechende Betreuungsmodelle für Mitarbeiter sowie eine deutlich gestärkte Verantwortungs- und Ergebniskultur abgelöst werden.

Wo sehen Sie die größten Chancen des Diversity Management?

Götz Erhardt:
Ich sehe enorme Chancen bei der kundennahen Produktentwicklung, im Vertrieb oder auch bei der Bindung von Fachkräften. Letzteres vor allem im Rahmen von Projekten oder des Managements von kritischen Fachkompetenzen. Hier haben die großen Player schon einige Ini­tia­tiven gestartet. Dennoch sind wahrscheinlich bislang lediglich 10 % bis 20 % der in Diversity Management begründeten Geschäftspotentiale gehoben worden.

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