Oxo-Wertschöpfungskette: Vom Aldehyd bis zum Amin
16.10.2011 -
Vom Aldehyd bis zum Amin - Oxea bietet Produkte entlang der gesamten Oxo-Wertschöpfungskette. Im März 2007 fasste der Investor Advent International die Oxo-Aktivitäten des Joint Ventures European Oxo (EOXO) und der Celanese-Gruppe in der neu gegründeten Oxea zusammen. Damit gehört das Werk Ruhrchemie nun einem eigenständigen Unternehmen, das zugleich größter Arbeitgeber am Standort ist. CHEManager befragte Dr. Martina Flöel, Sprecherin der Geschäftsführung bei Oxea, zur Wachstumsstrategie des Unternehmens, das sich auf Oxo-Produkte und deren Derivate spezialisiert hat.
CHEManager: Oxea ging vor zwei Jahren an den Start, welche Wurzeln hat das Unternehmen?
Dr. Martina Flöel: Oxea entstand durch die Zusammenführung des Oxo- und Derivate-Geschäfts von Celanese mit European Oxo, einem Joint Venture zwischen Celanese und der damaligen Degussa. Durch den Kauf und die Fusion dieser Aktivitäten schuf der Investor Advent International einen der führenden Produzenten von Oxo-Chemikalien mit weltweit 1300 Mitarbeitern und vier Produktionsstätten in Deutschland und den USA. Dabei wurden speziell hier in Oberhausen Bereiche wieder zusammengeführt, die bei der Gründung von EOXO im Jahr 2003 voneinander getrennt worden waren. Auch der Standort Bay City, der während des Joint Ventures bei Celanese blieb, gehört nun wieder zum gemeinsamen Oxo-Bereich. Salopp gesagt: Es ist wieder zusammengeführt worden, was auch zusammen gehört.
Was ist das Kerngeschäft der Oxea?
Dr. Martina Flöel: Wir vertreiben weltweit Aldehyde, Oxo-Alkohole und -Derivate, wie Acetate, Carbonsäuren, Polyole, Ester sowie Amine und zählen international zu den Marktführern. Unsere Produkte werden beispielsweise zur Herstellung hochwertiger Beschichtungen, von Schmierstoffen, Druckfarben sowie Kunststoffen verwendet, aber auch für kosmetische und pharmazeutische Produkte oder Aroma- und Duftstoffe. So finden Sie ein TCD-Derivat von Oxea in der Blu-ray Disc und mit einem der Aldehyde wird Chanel No. 5 hergestellt.
Ein breites Spektrum an Anwendungen...
Dr. Martina Flöel: Ja, und genau das zählt zu unseren Stärken. Oxea ist nicht – wie z.B. ein Automobilzulieferer – von nur einer Abnehmerindustrie abhängig. Zu unseren Kunden zählt alles von der Automobilindustrie über die Bau- und Lackindustrie bis hin zur Pharma- und Parfumbranche. Dies erachten wir gerade in der derzeitigen Wirtschaftslage als großen Vorteil.
Wo Sie es ansprechen: Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Chemiekonjunktur in diesem Jahr entwickeln?
Dr. Martina Flöel: Wir sehen immer noch sehr viel Nebel, was es schwer macht, diese Frage konkret zu beantworten. Anfang November bekam Oxea, wie ein Großteil der Chemiebranche, den starken Auftragsrückgang zu spüren. Das hat verschiedene Ursachen. Ein Grund waren die regional sehr unterschiedlichen Rohstoffpreise. Europa war mit Abstand am teuersten: In Asien kostete das Propylen gerade einmal ein Viertel von dem, was wir hier gezahlt haben. Das haben nicht nur wir, sondern auch unsere Kunden gemerkt, die kaum noch in die Exportmärkte liefern konnten. Aufgrund der Erwartungshaltung, dass die Preise im 1. Quartal sinken, haben viele ihre Produkteinkäufe verschoben. Hinzu kamen die Rezession und vor allem die Vertrauenskrise, die wir derzeit beobachten. All das muss sich nun erst einmal entwirren, der Nebel lichten, und dann müssen wir mit der Situation angemessen umgehen.
Sie sprachen die Rohstoffpreise an. Inwieweit hängt das Geschäft der Oxea vom Ölpreis ab und wie geben Sie Ihre Rohstoffpreise an die Kunden weiter?
Dr. Martina Flöel: Unser Hauptrohstoff, das Propylen, basiert auf Erdöl. Wenn Sie Propylen- oder Gas-Preise verhandeln, dann sind diese natürlich vom Ölpreis abhängig. Das heißt, wenn das Öl teuer ist, wie ein Großteil des letzten Jahres, dann sind auch unsere Rohstoffe teuer. In der Regel können Preiserhöhungen auf Basis der vertraglichen Regelungen weitergegeben werden. Dies gilt auch für die nachfolgenden Produzenten. Natürlich wird die Weitergabe aber auch von den jeweiligen Marktverhältnissen beeinflusst.
Ende des vergangenen Jahres galten ja andere Marktregeln, wie Sie bereits erläuterten. Wie ist Ihr internationales Geschäft aufgebaut? Welche Ziele verfolgen Sie?
Dr. Martina Flöel: Wir haben eine sehr starke Plattform in Europa mit Standorten in Oberhausen und Marl und eine starke Präsenz in Nordamerika mit den Standorten Bay City und Bishop. Und wir exportieren Produkte in Emerging Markets wie Asien oder Latein- und Südamerika. Grob geschätzt entfallen ca. 55% unserer Umsätze auf Europa, 35% auf Nordamerika und 10% auf die restliche Welt. Und hieraus ergibt sich auch unsere Wachstumsstrategie: In Europa und Nordamerika wollen wir entlang der Wertschöpfungskette wachsen, d.h. mit neuen Produkten und indem wir das Portfolio unserer Derivate ausbauen oder Aktivitäten dazu kaufen, die gut in unser aktuelle Portfolio passen. Zudem wollen wir in den Wachstumsmärkten mit eigenen Produktionen Fuß fassen.
Denken Sie auch über einen Aufbau von Produktionen in diesen Regionen nach?
Dr. Martina Flöel: Ja, wir planen z.B. die Gründung eines Joint Ventures mit einem chinesischen Partner mit dem Ziel, gemeinsam eine Anlage zur Herstellung von Aminen sowie weiteren Produkten im Changzhou Yangtze River Chemical Industrial Park zu bauen. Unsere Amine werden hauptsächlich in der Agrarindustrie aber auch bei der Produktion von Pharmazeutika, Farben und als Polymer-Additive verwendet. Des Weiteren beabsichtigen wir ein Joint Venture in dieser Region für Carbonsäuren.
Zurück nach Deutschland, zu Ihrem größten Produktionsstandort in Oberhausen. Ein Standort mit langer Tradition.
Dr. Martina Flöel: Ganz genau. Das Werk Ruhrchemie hat eine lange Geschichte und ist schon durch sehr viele Höhen und Tiefen gegangen. Vor zwei Jahren haben wir das 80-jährige Standortjubiläum gefeiert. Heute arbeiten hier rund 1300 Mitarbeiter, davon etwa 1000 für Oxea. Weitere Unternehmen im Werk Ruhrchemie sind Johnson Matthey, Air Liquide, Clariant, Ticona, Polimeri Europa und Topas. Wir sind hier auch der Standortbetreiber und verfügen über eine eigene Infrastruktur, die maßgeschneidert für uns und unsere Partner ist. Das steigert unsere Wettbewerbsfähigkeit. Heute, wo die Geschäfte der neuen Oxea laufen und wir einen starken Investor im Rücken haben, der es uns auch erlaubt zu wachsen, können wir auch über neue Wege nachdenken, wie beispielsweise den Ausbau des Standorts. Als wir noch Nicht-Kerngeschäft eines US-Unternehmens waren, wurden solche Möglichkeiten nicht unterstützt.
Welches Potential bietet der Standort?
Dr. Martina Flöel: Da der Standort nicht am Wasser liegt, haben wir ein gut ausgebautes Netz an Pipelines, dazu gehört z.B. eine große Produkt-Pipeline zum Duisburger Binnenhafen. Demnächst geht auch die neue Propylen-Pipeline von Duisburg nach Marl über Moers, Oberhausen und Gelsenkirchen in Betrieb, an der wir zusammen mit drei anderen Chemieunternehmen beteiligt sind. Unser Standort hat freie Flächen und wir sind sehr daran interessiert, dass wir mittel- bis langfristig weitere Standortpartner finden können. Als Mitglied der Chemsite-Initiative setzen wir uns heute konzeptionell viel stärker mit dem Thema auseinander: Was können wir aus dem Standort machen?
Sehr wichtig ist uns auch die Kommunikation mit unseren direkten Nachbarn. Wir laden die Nachbarschaftsvertreter regelmäßig ins Werk ein, kommunizieren offen über aktuelle und zukünftige Entwicklungen und Projekte, warten also nicht erst darauf, dass wir angesprochen werden. Ich glaube, dass wir gerade heute, wo Sie täglich schlechte Nachrichten zur Konjunktur in der Presse lesen können, durch offene Kommunikation sehr viel Unruhe vermeiden können – auch innerhalb des Unternehmens bei den Mitarbeitern.
Mitarbeiterbindung und auch die Gewinnung neuer Mitarbeiter ist ein Thema, das in Krisenzeiten gerne vernachlässigt wird. Wie sieht die Nachwuchssituation in Ihrer Region aus?
Dr. Martina Flöel: Sehr gut. Einen Großteil der frei werdenden Stellen können wir heute mit eigenen Auszubildenden besetzen. Wir investieren viel in die Ausbildung. Zu unseren rund 70 Auszubildenden zählen nicht nur Chemikanten oder Chemielaboranten, sondern auch Industriemechaniker, Elektroniker und Industriekaufleute. Ein Teil der Ausbildungsgänge können bei uns sogar mit einem Studium kombiniert werden. Darüber hinaus wird der Weiterbildungsbedarf unserer Mitarbeiter systematisch ermittelt und passende Programme umgesetzt. Das ist eine unserer Möglichkeiten, dem demografischen Wandel in Deutschland Rechnung zu tragen und die Zukunft des Standorts zu sichern.