Studie: Geistiges Eigentum weltweit auf dem Vormarsch
Global Intellectual Property Index (GIPI) von Taylor Wessing untersucht Rechtslage und Praxis bei Schutzrechten
Immer mehr aufstrebende Industrienationen entdecken die Bedeutung von Patenten und den Schutz des geistigen Eigentums. Das ist das Ergebnis des neuen Global Intellectual Property Index (GIPI) von Taylor Wessing. Für die Studie wurden u. a. mehr als 14.000 Einschätzungen und Erfahrungen von IP-Praktikern aus Unternehmen und Kanzleien weltweit ausgewertet. In mehr als 60 % der Antworten wiesen die Teilnehmer darauf hin, dass sie oder ihre Unternehmen in den vergangenen drei Jahren spürbar mehr Zeit für die Anmeldung, Durchsetzung oder Verteidigung von gewerblichen Schutzrechten aufwenden. Nur 6 % bestätigen das genaue Gegenteil. Trotz der Wirtschaftskrise waren Unternehmen in der Vergangenheit also verstärkt dazu bereit, in den Schutz ihres geistigen Eigentums zu investieren. Allerdings zeigt die Studie auch, dass hierbei die Kosten eine erhebliche Rolle spielen. Staaten, in denen das Verhältnis zwischen effektivem Rechtsschutz und Kosten stimmt, belegen die Spitzenpositionen im Ranking.
Insbesondere beim Patentschutz hat sich die Rechtslage international weiter vereinheitlicht. Die Spanne zwischen den am besten und am schlechtesten bewerteten Ländern fällt hier so gering aus wie noch nie seit der erstmaligen Datenerhebung im Jahr 2008. Es wurde von den Teilnehmern als positiv bewertet, dass die Verfahren zum Patentschutz in den betreffenden Staaten effektiv gestaltet sind, dass sich Patente kostengünstig und schnell angreifen, anmelden und verteidigen lassen oder dass spezialisierte Gerichte mit fachkundigen und international anerkannten Richtern über Patentstreitsachen kompetent entscheiden. Besonders bei den teilweise komplexen Patenten aus der Pharma- und Chemiebranche spielt die Fachkompetenz der Patentprüfer und Richter eine entscheidende Rolle.
Der chinesische Drache erwacht
China holt im Patentrecht weiter auf. Das Land gewinnt bei Patentanmeldungen und Patentlizenzen immer mehr an Bedeutung. Die Zahl internationaler Patentanmeldungen aus China ist im Jahr 2010 um 56 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Auch die Zahl nationaler Patentanmeldungen in China steigt im gleichen Zeitraum um 28 %. Viele international tätige chinesische Unternehmen sichern ihre Technologien mit Patenten im eigenen Land ab und setzen ihre Patente dann in Rechtsstreitigkeiten wie Handelsware ein. Im Falle rechtlicher Auseinandersetzungen bieten die chinesischen Unternehmen ihren Gegnern oftmals an, sich die jeweils patentgeschützte Technologie gegenseitig zu lizenzieren.
Für ausländische Unternehmen bleibt es schwierig, ihre Patente in China effektiv durchzusetzen. Teilnehmer der Studie beklagen eine Bevorzugung inländischer Unternehmen gegenüber ausländischen Unternehmen bei der Rechtsdurchsetzung vor chinesischen Gerichten.
USA kämpfen mit Patentstau
Wie wichtig Patente für Industrienationen sind, zeigen die USA. Barack Obama machte bereits 2009 die desolate Lage des US-amerikanischen Patentamts (USPTO) zu einem der Themen seines Wahlkampfes um das Präsidentenamt.
In den USA müssen Firmen immer länger warten, bis ihre Patentanmeldungen geprüft werden. Im Durchschnitt dauert es drei Jahre von der Anmeldung bis zur Erteilung. Mittlerweile haben sich über 700.000 noch nicht geprüfte Anmeldungen im USPTO angestaut. Der Druck, unter dem die US-Patentprüfer stehen, bleibt nicht ohne Folgen. Teilnehmer der Studie kritisieren, dass die Qualität der Prüfung in den letzten Jahren nachgelassen hat und dass zahlreiche Fehler der Gutachter das Prüfungsverfahren weiter verlängern. Diese Schwächen lassen die USA in der Rangliste der Studie auf den vierten Platz hinter Australien rutschen. Eine Reform des US-Patentrechts ist aber bereits angestoßen. Der Gesetzesentwurf muss allerdings noch das Repräsentantenhaus passieren.
Deutschland weltweit führend
Deutschland erhielt von den Teilnehmern der Studie die besten Noten weltweit. Insbesondere das Kosten-Nutzen-Verhältnis bei der Durchsetzung von Patenten wird als positiv bewertet. In Deutschland werden europaweit mit Abstand die meisten Verletzungsverfahren ausgefochten (2010 etwa 800 Verletzungsverfahren; zum Vergleich in Großbritannien etwa 50 Verfahren). In erster Linie ist dieser Zuspruch auf die Kompetenz und die Schnelligkeit der mit diesen Verfahren regelmäßig befassten Gerichte zurückzuführen. Diese genießen teilweise internationalen Ruf, obwohl sie nur über Verletzungshandlungen innerhalb Deutschlands entscheiden dürfen. Außerdem sind die Rechtsverfolgungskosten in Deutschland vergleichsweise moderat.
Das 2009 modernisierte Nichtigkeitsverfahren in Deutschland erlaubt es den Unternehmen nun auch, deutlich schneller als bisher Patente ihrer Wettbewerber zu vernichten. Das Nichtigkeitsverfahren, dessen Dauer zuletzt als eine Schwachstelle im deutschen Patentsystem angesehen wurde, kann nun durch eine frühzeitige Stellungnahme des Bundespatentgerichts auf den wesentlichen Streitstoff eingegrenzt werden. Auch die Nichtigkeitsberufungsverfahren werden sich künftig nach aller Voraussicht dadurch verkürzen, dass die Parteien nicht mehr - wie bisher - in zweiter Instanz unbeschränkt neue Tatsachen vortragen dürfen und das Berufungsgericht im Regelfall kein Sachverständigengutachten mehr einholt.
Angleichung in der EU
Im Hinblick auf die Angleichung der Rechtslage in der EU zeichnet die Studie ein positives Bild. Die Spanne zwischen den am besten und den am schlechtesten bewerteten Mitgliedsstaaten der Europäischen Union hat sich mehr als halbiert. Spanien und Polen gehören zu den größten Gewinnern. Nach der Aussage einiger Teilnehmer hat sich in Polen die Qualität der Prüfer und Richter in Patentsachen verbessert, während in Spanien die nationalen Patentanmeldegebühren reduziert wurden. Das Europäische Patentamt, hätte es am offiziellen Ranking teilgenommen, wäre im Hinblick auf die Anmeldung und die Vernichtung von Patenten gut platziert gewesen. Allerdings lässt das Kosten-Nutzen-Verhältnis aufgrund der vielfach zu leistenden Jahresgebühren und der immer noch immensen Übersetzungskosten zu wünschen übrig.
Nachdem der Vorschlag eines einheitlichen europaweiten Gerichtssystems für das aufseiten der Industrie vielfach befürwortete EU-Patent durch den Europäischen Gerichtshof gerade erst gekippt wurde, liegen bereits neue Verordnungsvorschläge der EU-Kommission hinsichtlich einer verstärkten Zusammenarbeit von 25 EU-Mitgliedsstaaten - ohne Spanien und Italien - zur Einführung des EU-Patents vor. Das EU-Patent soll in den beteiligten EU-Mitgliedsstaaten einheitlichen Schutz verleihen und nur in Englisch, Französisch oder Deutsch erteilt werden, sodass keine weiteren Übersetzungen mehr erforderlich sind. Hierdurch würden die Kosten reduziert. Darüber hinaus will die EU-Kommission demnächst auch einen neuen Vorschlag zu einem obersten europäischen Patentgericht machen, um Entscheidungen zum EU-Patent zu vereinheitlichen. Denn ohne ein einheitliches Gerichtssystem erscheint es derzeit zweifelhaft, ob das EU-Patent in der Industrie auf breite Akzeptanz stoßen wird.
Ausblick
Die erste Verbesserung Chinas in der Rangliste seit 2008 und die gleichzeitigen Bemühungen der chinesischen Regierung, dem gewerblichen Rechtsschutz einen höheren Stellenwert zuzumessen, geben verstärkt Anlass dazu, Investitionen in China mehr als Chance denn als Risiko zu betrachten. Unternehmen in Wachstumsbranchen sollten ihre Technologie auch durch gewerbliche Schutzrechte in China sichern, um den dortigen Markt effektiv erschließen zu können.
Die Studie zeigt aber auch, dass gewerbliche Schutzrechte in Europa und den USA weiterhin mit hoher Zuverlässigkeit als strategisches Mittel im Wettbewerb eingesetzt werden können. Patentinhaber können sich in den EU-Staaten und insbesondere in Deutschland darauf verlassen, dass ihre gewerblichen Schutzrechte erfolgreich durchgesetzt werden können; sei es vor einem Verletzungsgericht, sei es im Wege der Grenzbeschlagnahme durch den Zoll. Dadurch erhöht sich der Wert von gewerblichen Schutzrechten insgesamt. Denn das Schutzrecht ist für ein Unternehmen immer nur so viel wert wie seine rechtliche Durchsetzbarkeit.
Kontakt
Taylor Wessing
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