Brasilien – ein Chemiemarkt mit Potenzial
04.11.2010 -
Es tut sich was am Zuckerhut. Brasilien, das fünftgrößte Land der Welt ist mit seinen gewaltigen Agrar-, Bergbau- und Energieressourcen längst eine Exportweltmacht. Dennoch wird das Land oft unterschätzt. Dabei verfügt es inzwischen über einen umfassend entwickelten Industriesektor. Brasilien schickt sich sogar an, zu den führenden Industrienationen aufzuschließen. In einzelnen Bereichen nimmt das Land bereits eine Spitzenposition ein. Bei Hybridmotoren liegt man im Weltranking auf Platz eins, beim Bau von Linienflugzeugen auf Platz drei und bei der Kfz-Fertigung auf Platz sechs. Die Industrieproduktion wuchs in den Jahren vor der Krise durchschnittlich um 6 % pro Jahr. Entsprechend groß war der Hunger nach Chemikalien. Davon profitierten auch deutsche Chemieunternehmen. Die deutschen Chemieexporte nach Brasilien haben sich seit 2005 verdoppelt (Grafik 1). Damit wuchs dieser Auslandsmarkt dynamischer als die Ausfuhren nach China, Indien und die anderen asiatischen Länder. Längst ist Brasilien auch als Produktionsstandort gefragt. Mehr als 1.200 deutsche Industrieunternehmen sind bereits vor Ort - darunter viele Chemieunternehmen.
Brasilien - ein bedeutender Chemiestandort
Die Chemieindustrie ist Brasiliens drittgrößte Industriebranche hinter der Ernährungs- und der Mineralölindustrie. Der Anteil der chemischen Wertschöpfung am Bruttoinlandsprodukt liegt mit 2,5 % sogar höher als beispielsweise in Deutschland. Die Branche beschäftigt insgesamt 370.000 Mitarbeiter. Den größten Teil der über 1.000 Chemiebetriebe findet man im Südosten des Landes in São Paulo, Rio de Janeiro, Minas Gerais und Espiritu Santo. Weitere Schwerpunkte bilden der Süden und der Nordosten.
Rund drei Viertel des gesamten Umsatzes der Branche entfallen auf die Chemiesparten, die Vorprodukte für andere Industriezweige herstellen. Hierzu zählen die anorganischen und organischen Grundstoffe, die Polymere sowie Fein- und Spezialchemikalien. Wegen der guten Versorgung mit fossilen und nachwachsenden Rohstoffen besitzt Brasilien eine starke Petro- und Polymerchemie. Der Anteil von Fein- und Spezialchemikalien ist mit knapp 22 % ebenfalls eine wichtige Säule der brasilianischen Chemieindustrie (Grafik 2). Die konsumnahen Bereiche wie Seifen, Waschmittel und Kosmetika kommen zusammen mit der Pharmaindustrie auf einen Anteil von 27 %.
Brasilien gehört zu den weltweit führenden Chemienationen. Gemessen am Produktionswert der Chemieindustrie belegt das Land hinter Italien aber noch vor Großbritannien, Korea und Indien mittlerweile den siebten Platz im Nationenranking. Mit einem Chemieumsatz von knapp 70 Mrd. € im Jahr 2009 hielt Brasilien einen Weltmarktanteil von 2,7 %. Dennoch reichen die heimischen Produktionskapazitäten nicht aus, um die inländische Nachfrage nach Chemikalien zu decken. Brasilien ist seit vielen Jahren ein Netto-Importeur von chemischen Erzeugnissen. Im Jahr 2009 summierte sich das brasilianische Außenhandelsdefizit bei chemischen Erzeugnissen auf 12,3 Mrd. €.
Krise überwunden
Das Land hat die Folgen der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise nur kurzzeitig zu spüren bekommen. Der Rohstoffreichtum, die anhaltende Konsumfreude, der stabile Bankensektor und nicht zuletzt der bereits vor der Krise begonnene, massive Ausbau der Infrastruktur wirkten sich stabilisierend aus. Zudem braucht die wachsende Bevölkerung Wohnraum, so dass die Bauindustrie trotz Finanzkrise expandierte. Somit war es nicht verwunderlich, dass das brasilianische Bruttoinlandsprodukt im Krisenjahr 2009 lediglich um 0,2 % zurückging.
Deutlichere Spuren hinterließ die Krise jedoch in der Industrie. Zur Jahreswende 2008/2009 sank die brasilianische Industrieproduktion innerhalb weniger Monate um 14 %. Der Nachfrageschock war jedoch nur von kurzer Dauer. Seither ging es steil aufwärts. Die Industrieproduktion liegt inzwischen wieder höher als vor der Krise.
Das gilt auch für die Chemieindustrie. Brasiliens Chemieunternehmen musste im Verlauf der Finanzkrise zwar ihre Produktion kräftig drosseln. Seit dem zweiten Quartal 2009 geht es jedoch wieder kräftig aufwärts (Grafik 3). Im Sommer 2010 konnte die Produktion nicht mehr ganz an das hohe Niveau des Jahresbeginns anknüpfen. Dennoch produziert die Branche wieder deutlich mehr als vor der Krise. Die Kapazitätsauslastung liegt mit 83 % wieder im Normalbereich. Der Aufwärtstrend ist intakt, die Krise überwunden.
Gute Perspektiven
Die brasilianische Chemieindustrie freut auch in den kommenden Monaten auf gute Geschäfte. Die Vorzeichen für eine erfolgreiche Zukunft sind gut. Die Experten gehen davon aus, das Brasilien nach der Präsidentenwahl seinen Wachstumskurs fortsetzt. Nach der rasanten Aufholjagd der letzten Quartale werden sich die Zuwächse jedoch schon bald wieder normalisieren. Das gesamtwirtschaftliche Wachstum wird sich nach einem Plus von über 7 % im Jahr 2010 im kommenden Jahr leicht abschwächen. Insbesondere für das verarbeitende Gewerbe und die Bauindustrie prognostizieren die Wirtschaftsforscher weiterhin hohe Wachstumsraten. Mittelfristig dürfte sich die bevorstehenden Großereignisse - Fußballweltmeisterschaft 2014 und die Olympischen Spiele 2016 - positiv auf die Infrastrukturinvestitionen auswirken und somit den Aufwärtstrend verstetigen. Für das brasilianische Chemiegeschäft bleiben damit die Perspektiven gut. Im kommenden Jahr rechnet der Verband der Chemischen Industrie (VCI) mit einer Ausdehnung der brasilianischen Chemieproduktion um 1,5 % (Grafik 4). Die Nachfrage nach Chemikalien dürfte sogar stärker steigen. Gute Nachrichten auch für die deutsche Chemie, die in Brasilien einen Marktanteil von rund 8 % aufweist.
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