Chemiekonjunktur – Südamerikas Chemie in der Rezession
Bis 2011 profitierte die Chemieindustrie vom Wirtschaftsaufschwung in Südamerika, seitdem sank die Nachfrage nach chemischen Pro
Bis zur Weltwirtschaftskrise waren die Länder Südamerikas Hoffnungsträger der Weltwirtschaft. Brasilien, das größte Land der Region, wurde sogar in einem Atemzug mit China, Indien und Russland genannt. Die Wachstumsraten sprachen für sich. Im Durchschnitt wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Region zwischen 2000 und 2008 mit rund 3,4% pro Jahr. Nach der globalen Finanzkrise hat sich die Dynamik deutlich abgeschwächt. Im Zeitraum 2010 bis 2015 lag das Wachstum nur noch bei rund 2,0% pro Jahr. Zuletzt schrumpfte das BIP im Zuge der vielfältigen Krisen sogar – insbesondere auf Grund der starken Rezession in Brasilien. Auch im laufenden Jahr wird die Region erneut einen Rückgang der Wirtschaftsleistung verkraften müssen (Grafik 1). Die hohe Abhängigkeit von Rohstoffexporten in Kombination mit stark gesunkenen Rohstoffpreisen rächt sich nun. Investitionen werden zurückgestellt, ausländische Direktinvestitionen ziehen sich zurück. Hinzu kommen die Abwertung der Währungen und die Angst vor Zinserhöhungen in den USA.
Die südamerikanischen Volkswirtschaften bleiben auch deshalb krisenanfällig, weil der Industriesektor zu klein und zu wenig diversifiziert ist, um stützend zu wirken. So liegt der Industrie- und Bergbauanteil in Brasilien bei nur 12%. In Argentinien und Chile kommen diese beiden Sektoren zwar auf einen Anteil von rund 20%. In Chile steht aber alleine die Kupfergewinnung für rund 8% des BIP.
Es gibt wenig Hoffnung, dass sich der Industrieanteil schnell erhöhen wird. Im Gegenteil: Seit der Krise hat sich das Wachstum der südamerikanischen Industrie deutlich verlangsamt. Seit 2013 ist die Produktion der Region sogar rückläufig (Grafik 2). Es fehlt in Summe an Wettbewerbsfähigkeit und Produkten, die auf dem Weltmarkt gefragt sind.
Hausgemachte Probleme in vielen Ländern
Die Gründe für das schwache Wachstum sind unterschiedlich. So hat in Brasilien die jetzige Regierung das Land durch Sozialprogramme gerechter gemacht. Jedoch wurde auch Brasiliens Abhängigkeit von Rohstoffexporten vertieft und nichts für die internationale Wettbewerbsfähigkeit getan, das heißt Bildung, Sicherheit und Infrastruktur wurden vernachlässigt. Ebenso wurde die Reform des politischen Systems versäumt, das privatwirtschaftliche Wahlkampffinanzierung zulässt – Hauptgrund für die zurzeit zu beobachtende ausufernde Korruption.
Chile leidet – neben einer hohen Rohstoffexportabhängigkeit – unter der Schwäche Chinas. Der asiatische Gigant ist Haupthandelspartner des Landes, gefolgt von den USA und der Europäischen Union. Die niedrigen Rohstoffpreise belasten darüber hinaus die Investitionen. Im Jahr 2015 sanken die Investitionen im Bergbausektor um 20%. Allerdings hat Chile auch ein generelles Problem mit der Wettbewerbsfähigkeit. Die Produktivität des Landes ist in den vergangenen 25 Jahren im Schnitt nur um 0,2% gewachsen. Zu wenig, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Argentinien macht immer noch der zweite Staatsbankrott innerhalb von 13 Jahren zu schaffen. In den letzten Jahren kam das Land kaum vom Fleck. Das Investitionsklima war schlecht, die Abwertung des Pesos belastete den privaten Konsum. Der Regierungswechsel Anfang des Jahres weckt jedoch Hoffnungen bei den Investoren.
Sinkende Chemienachfrage
Bis zum Jahr 2011 konnte die Chemieindustrie vom Wirtschaftsaufschwung in Südamerika profitieren. Der Bedarf an Chemikalien stieg mit durchschnittlich 7,5% pro Jahr sehr dynamisch. Zuletzt schrumpfte – im Zuge der vielfältigen Krisen – die Nachfrage nach chemischen Produkten (Grafik 3).
Bei Chemikalien und Pharmazeutika ist Südamerika ein Nettoimporteur. Das Handelsbilanzdefizit lag im Jahr 2015 bei 53 Mrd. EUR. Die Produktionskapazitäten in der Region reichen in keiner Sparte aus, um die Nachfrage auf dem Kontinent nach Chemikalien zu decken. (Grafik 4). Das wachsende Außenhandelsdefizit im Chemikalienhandel verdeutlicht, dass der Chemiesektor mit für Südamerika typischen Problemen zu kämpfen hat: Die Unternehmen klagen vielerorts über eine schlechte Infrastruktur, Bürokratie und Korruption.
Aufgrund seiner Rohstoffvorkommen produziert Südamerikas Chemieindustrie hauptsächlich Grundstoffe. Der Anteil der Basischemie lag im Jahr 2015 bei rund 50% – Tendenz steigend. Es folgen Fein- und Spezialchemikalien und Pharmazeutika mit einem Anteil von rund 20%. Die Konsumchemikalien mit einem Anteil von 13% repräsentieren die kleinste Sparte.
Deutsche Chemie engagiert sich in Südamerika
Im vergangenen Jahrzehnt konnte Südamerika als Exportmarkt für die deutsche Chemie an Bedeutung gewinnen. Insgesamt gingen im Jahr 2015 rund 3% der gesamt Chemie- und Pharmaexporte nach Südamerika. Dies entspricht Waren im Wert von knapp 5 Mrd. EUR. Bis zum Jahr 2011 sind die Ausfuhren deutscher Chemieunternehmen dynamisch gewachsen. Zuletzt hat sich die Dynamik im Zuge der wirtschaftlichen Turbulenzen in der Region allerdings abgeflacht. 2016 dürften die Exporte der deutschen Unternehmen nach Südamerika in Folge der Wachstumsschwäche der Region leicht zurückgehen (Grafik 5).
Auch als Investitionsziel ist Südamerika von Interesse für die deutsche Chemie. Derzeit steht der Kontinent für rund 3,5% aller getätigten Direktinvestitionen der Branche. Insgesamt waren im Jahr 2014 118 Tochtergesellschaften deutscher Chemieunternehmen in Südamerika aktiv. Sie erwirtschafteten einen Umsatz von rund 14,1 Mrd. EUR und beschäftigten 39.000 Mitarbeiten.
Ausblick: Die langfristigen Wachstumsperspektiven sind gut
Die konjunkturelle Talsohle scheint in Brasilien und Argentinien mittlerweile erreicht worden zu sein. BIP und Industrieproduktion werden in den kommenden Monaten wieder leicht zulegen können. Dies hat stabilisierende Auswirkungen auf die gesamte Region. Langfristig geht der Verband der Chemischen Industrie (VCI) davon aus, dass Südamerika seine vielfältigen strukturellen Probleme überwinden kann. Der Kontinent dürfte so seine Attraktivität als Investitionsstandort und Absatzmarkt in Zukunft noch steigern können. Denn die Voraussetzungen für ein dynamisches Wachstums sind gut: In vielen Ländern Südamerikas wächst die Bevölkerung und eine größer werdende Mittelschicht fördert den Ausbau von konsumnaher Industrieprodukten und Dienstleistungen. Ein steigendes Wohlstandsniveau führt dabei zu einem Ausbau des privaten Konsums. Ebenso besitzen Länder wie Brasilien und Chile große Rohstoffvorkommen, die genutzt werden können, um die Bedeutung als Rohstoffexporteur auszubauen.
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