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Kunststück Innovation

Vorsprung schaffen – Vorteile sichern

01.11.2010 -

Marktfähige Innovationen sind zweifelsohne Voraussetzung für Erfolg und Wachstum. Damit stellen diese Investitionen in die Zukunft die Weichen im wissensbasierten Wettbewerb der Unternehmen. Mit Professor Dr. Hans-Jörg Bullinger, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, sprach Dr. Margareta Dellert-Ritter über Innovationen als wichtige Zukunftsinvestitionen für Unternehmen.

CHEManager: Herr Professor Bullinger, welche Bedeutung schreiben Sie Innovationen für wirtschaftlichen Erfolg und Wachstum zu?

H.-J. Bullinger: Vorsprung durch Innovation ist der einzige Weg, um am Standort Deutschland Arbeit und Wohlstand zu sichern. Eine Exportnation wie Deutschland muss Produkte und Dienstleistungen anbieten, die auf den Weltmärkten konkurrenzfähig sind. Wenn wir in Deutschland einen höheren Lebensstandard haben wollen als andere Länder, dann müssen wir auch etwas herstellen oder etwas leisten, was diese nicht können - innovative, einzigartige Produkte und Dienstleistungen, Leistungen, die den Kunden einen Mehrwert bieten, die sich hinsichtlich Qualität, Nutzen und Leistungsfähigkeit von den Konkurrenzprodukten differenzieren.

Nur so kann es uns dauerhaft gelingen, auf den Weltmärkten unsere Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Aufgrund der steigenden Rohstoffpreise und der aufstrebenden Volkswirtschaften in Asien wird die Bedeutung von Innovation für unsere eigene Wirtschaft in Zukunft sogar noch weiter zunehmen.

Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die Förderung neuer Technologien und damit auch die Forschungspolitik?

H.-J. Bullinger: Neue Technologien spielen bei der Entwicklung neuer Produkte und damit auch bei der Sicherung unserer Wettbewerbsfähigkeit eine zentrale Rolle. Dies ist auch der Grund, warum die Bundesregierung eine ressortübergreifende Initiative, die High Tech Strategie, ins Leben gerufen hat. Ziel dieser Initiative ist insbesondere die Stärkung der technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands. Die Bundesregierung möchte die Umsetzung von Ideen in Produkte und Dienstleistungen vorantreiben. Sie investiert deshalb zusätzlich 6 Mrd. € in Forschung, Entwicklung und Innovation. Insgesamt werden bis 2009 fast 15 Mrd. € für Spitzentechnologien bereitgestellt. Das Geld soll für die Verbreitung neuer Technologien in siebzehn Zukunftsfeldern eingesetzt werden. Eine wesentliche Intention ist es, Forschung und Wirtschaft besser zu vernetzen, damit aus den guten Ideen auch erfolgreiche Produkte und Dienstleistungen entstehen.

In welchen Zukunftstechnologien wird es mittel- und langfristig die meisten Innovationen geben?

H.-J. Bullinger: In Zukunft werden vor allem die Technologien gewinnen, die unser Leben verbessern und die anstehenden Fragen der Zukunft am besten meistern helfen. Dies umfasst beispielsweise sämtliche Technologien aus den Bereichen Medizin und Gesundheit oder auch Umwelt und Energieversorgung:
Gesundheit ist unser kostbarstes Gut. Obwohl die Medizin in den vergangenen Jahrzehnten große Fortschritte gemacht hat, sind viele Krankheiten noch nicht heilbar. Neue Möglichkeiten zur Diagnose und Therapie werden mithilfe der Gentechnik und Biotechnologie erforscht und entwickelt. Moderne Informations- und Kommunikationstechnik macht das Gesundheitssystem zudem effizienter. Benötigt wird höhere Qualität zu geringeren Kosten. Fraunhofer-Forscher entwickeln dazu beispielsweise Verfahren, die dem Chirurgen die präoperative Planung und präzise Durchführung des Eingriffs erleichtern. Molekularbiologische Methoden und neue Testsysteme helfen die Wirksamkeit und Toxizität von neu erforschten Arzneien früh zu erkennen.

Eine ausgetüftelte medizinische Versorgung ist aber nur ein Teil. Natürliche Ressourcen wie Luft, Wasser und Boden sind der Grundstock für unser Leben. Um unsere Zukunft zu sichern, sind Umweltschutz, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft unabdingbar. Es geht darum, die Schadstoffbelastung der Luft zu reduzieren, fossile und erneuerbare Energien deutlich effizienter zu nutzen und Emissionen zu senken, die den Treibhauseffekt verstärken. Gefragt sind aber auch Verfahren, die helfen, Schadstoffe in belasteten Böden oder Gewässern abzubauen. Fraunhofer-Kollegen entwickeln dazu beispielsweise Technologien für Umwelt-Monitoring, um kontinuierlich und aktuell Messdaten und Grenzwerte ermitteln zu können. Oder sie setzen biotechnologische Verfahren ein, um mithilfe von Mikroorganismen Klärschlamm aufzubereiten. Mit Umwelt-Engineering tragen sie zu einer umweltgerechteren Produktion bei.

Wie lassen sich die Investitionen in Innovationen überhaupt steuern?

H.-J. Bullinger: Aus Unternehmenssicht ist eine Investition in Innovationen prinzipiell genauso zu betrachten wie jede andere Investition auch, das heißt sie unterliegt den gleichen Regeln der Rentabilität und der Wirtschaftlichkeit. Zur langfristigen Sicherung der Existenz eines Unternehmens ist es jedoch notwendig, dass das Unternehmen ein ausgeglichenes Portfolio an etablierten Produkten und zukunftsfähigen Ideen besitzt. Das Unternehmen benötigt erfolgreich am Markt platzierte Produkte, die sozusagen die Pipeline an neuen zukunftsfähigen Produkten, die sich noch im Entwicklungsstadium befinden, mitfinanzieren. Forschung macht aus Geld Wissen. Innovation aus Wissen Geld. Ein Unternehmen steht nun vor der Herausforderung, ständig einen Nachwuchs an neuen Ideen zu generieren und diese Ideen erfolgreich in neue zukunftsfähige Produkte zu überführen. Jedoch mangelt es bereits vielen Unternehmen daran, die Innovationspipeline ständig mit neuem Kraftstoff, mit neuen Ideen zu versorgen. Fast noch schwieriger ist es, aus den Ideen am Markt erfolgreiche Produkte zu entwickeln.

Wie können dabei die so genannte InnovationCard und das TechnologieRadar helfen?

H.-J. Bullinger: Diese beiden von Fraunhofer-Experten entwickelten Konzepte unterstützen Unternehmen bei der Bewältigung der skizzierten Herausforderungen. Das TechnologieRadar hilft beispielsweise dabei, die Innovationspipeline mit neuen Ideen, konkret mit neuen Technologien zu füllen. Unternehmen wissen oftmals gar nicht, welche neuen, oftmals alternativen Technologien bereits bestehen und welche Anwendungspotentiale diese auch für das eigene Unternehmen mit sich bringen. Es fehlt der Zugang zu aktuellen Forschungsergebnissen, zu den Experten in der Wissenschaft. Ziel des TechnologieRadars ist es, aktuelle Forschungsinhalte, die in das Bedarfsprofil des Unternehmens passen, für diese unmittelbar nutzbar zu machen und darauf aufbauend gemeinsam mit den Experten neue Ideen für Innovationen zu entwickeln. Die InnovationCard unterstützt den Innovationsprozess beziehungsweise die Innovationsfähigkeit des Unternehmens auf einer anderen Ebene. Sie ist ein Analyse- und Steuerungsinstrument und verfolgt das Ziel der Steigerung der Innovationsfähigkeit. Mit der InnovationCard gelingt es, Transparenz in das eigene Innovationsgeschehen zu bringen und gezielt Maßnahmen abzuleiten, um die identifizierten Schwächen zu beheben.

Wie kommt man (noch) schneller zu Innovationen?

H.-J. Bullinger: In einer Studie haben wir untersucht, welche so genannten Zeittreiber dafür verantwortlich sind, dass geplante Zeitvorgaben in Entwicklungsprojekten nicht eingehalten werden. Immerhin haben fast zwei Drittel aller von uns befragten Unternehmen angegeben, dass sie mehr Zeit für die Entwicklung neuer Produkte benötigt haben als ursprünglich geplant. Am häufigsten genannt wurden die Zeittreiber „unklare Ziele bei Projektbeginn", „Produktspezifikationen unklar bzw. ändernd" sowie „Projektleitungs- und Planungsdefizite". „Unklare Ziele bei Projektbeginn" beinhalten zudem ein Einsparungspotential aus Sicht der befragten Unternehmen von ca. 20%. Ausgehend von unseren Untersuchungen haben wir insgesamt 40 dieser Zeittreiber identifiziert. Die Kenntnis der eigenen Zeittreiber im eigenen Unternehmen und damit auch die Analyse deren Ursachen sind der erste Schritt in Richtung einer systematischen Beschleunigung der Entwicklungsaktivitäten. Die Maßnahmen, die im Anschluss an die Analyse der Zeittreiber definiert werden, müssen natürlich mit aller Konsequenz umgesetzt werden.

Forschung findet traditionell an Universitäten, Instituten und in der Großindustrie statt. Welche Rolle spielt heute der Mittelstand als Impuls- und Ideengeber für Innovationen?

H.-J. Bullinger: Die Bedeutung des Mittelstandes für unsere Volkswirtschaft ist unbestritten. Es ist aber auch klar die Tendenz erkennbar, dass kleinere Unternehmen weniger in Forschung und Entwicklung investieren. Daher zielen zahlreiche Fördermaßnahmen darauf ab, die Innovationsfähigkeit gerade auch des Mittelstandes zu erhöhen. Ein Beispiel hierfür ist das von uns mitentwickelte Selbstbewertungsinstrument zur Analyse der eigenen Innovationsfähigkeit. Mit dem online-Werkzeug „innoscore" (www.innoscore.de) erhalten kleinere und mittlere Unternehmen Auskunft über die eigenen Innovationspotenziale und sie können sich mit ähnlichen Unternehmen beispielsweise der gleichen Branche vergleichen. Es sind aber oftmals vor allem die kreativen, innovativen Unternehmen des Mittelstandes, die das Rückgrat unserer Wirtschaft bilden. Nicht nur die so genannten Hidden Champions, die Weltmarktführer unter den mittelständischen Unternehmen, sondern auch die zahllosen Unternehmen, die mit innovativen Ideen neue Produkte hervorbringen, Komponenten, Module und Zulieferteile, Produkte auf deren Basis die großen Unternehmen des Landes Autos, Flugzeuge, ganze Anlagen bauen, sorgen dafür, dass Deutschland zum wiederholten Male Exportweltmeister geworden ist.

Wie sieht Ihrer Meinung nach das Labor der Zukunft aus?

H.-J. Bullinger: In dem Verbundforschungsprojekt „Lab 2020" sowie im sog. „Lab Innovation Center" erforschen Fraunhofer Institute in Stuttgart Laborarbeit der Zukunft, in Verbindung mit innovativen Laborwelten im Bereich der Life Sciences. Die Arbeitsumgebung Labor ist die Basis von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der Life Sciences und entscheidende Plattform für den Innovationserfolg der Forscher und Techniker. Die Vielschichtigkeit der Anforderungen an dieses Arbeitssystem wächst dabei ständig: So beeinflusst u.a. der zunehmende Technikeinsatz, das Arbeiten im Team sowie die zunehmende Interaktion mit weiteren wissenschaftlichen Disziplinen die Arbeit im Labor nachhaltig. Darüber hinaus haben insbesondere Forschungslabore der Chemie und Life Sciences sowie wirtschaftlichen und technischen Anforderungen Rechnung zu tragen. Der gezielte Einsatz neuer Technologien in der Laborumgebung kann helfen, den vielfältigen Herausforderungen gerecht zu werden. Insbesondere für Forschungslabore sei hier als Beispiel der Umgang mit Wissen genannt. Ein strukturiertes Wissensmanagement mit den Methoden und Ergebnissen von Forschungsprozessen findet häufig noch unzureichend statt. Im Zusammenspiel bspw. mit Virtualisierungs- und Simulationstechnologien kann so zudem eine weitere und deutliche Aufwandsreduktion und Nutzensteigerung für die Anwender zukünftig erzielt werden. In Bezug auf die zunehmende - auch internationale - Zusammenarbeit von Laboren bzw. Forschungsgruppen wird auch die Vernetzung zwischen Laboren immer bedeutender. Das „globale" Labor scheint nicht mehr weit weg zu sein. In Bezug auf die Laboreinrichtung an den Arbeitsplätzen können zügig adaptierbare Lösungen bspw. bei hoher Projektparallelität, raschen Projektwechseln oder eigener Methodenentwicklung helfen Technologien synergetisch zu nutzen und an die individuellen Präferenzen von Forschern oder Forschergruppen im Labor anzupassen. Eine zunehmende Vernetzung von Laboren, nicht nur in sondern auch zwischen Laboren, ermöglicht immer mehr auch ein Arbeiten an unterschiedlichen Standorten.

Welche Entwicklungsperspektiven räumen Sie dem Standort Deutschland ein?

H.-J. Bullinger: Wie bereits eingangs angedeutet besitzen wir am Standort Deutschland alle notwendigen Voraussetzungen, um auch in Zukunft im internationalen Wettbewerb erfolgreich bestehen zu können. Wir besitzen die institutionellen und infrastrukurellen Voraussetzungen, wir haben hervorragende Forschungs- und Entwicklungsmöglichkeiten, motivierte Menschen. Nicht umsonst sind wir in der Patentstatistik immer auf den vordersten Plätzen zu finden. Wir dürfen uns aber auf dem Bestehenden nicht ausruhen, sondern wir müssen konsequent unsere Hausaufgaben machen. Wenn wir uns nicht permanent weiterentwickeln, werden uns andere Volkswirtschaften überholen, mit der Gefahr, dass wir unseren Lebensstandard dann nicht mehr halten können. Wie ein Unternehmen auch, muss Deutschland dafür sorgen, dass die Innovationspipeline ständig gefüllt wird, das heißt wir müssen Bildung, Forschung und Entwicklung weiterentwickeln und ausbauen. Es ist schon jetzt offensichtlich, dass in vielen Bereichen der Wirtschaft gut ausgebildete Ingenieure fehlen. Wir müssen aber auch lernen, die Innovationspipeline, die Ideen und Forschungsergebnisse in erfolgreiche Produkte zu überführen. Dies ist insbesondere eine Aufgabe des Technologietransfers und der Technologieadaption. Technologieanbieter, wie die zahlreichen wissenschaftlichen Einrichtungen, und Technologienachfrager müssen gezielt zusammengeführt werden.

Was ist dabei für den Wissenschaftler von heute aus Ihrer Sicht wichtig?

H.-J. Bullinger: Dem Wissenschaftler von heute kommt in dieser Situation eine zentrale Bedeutung zu, zumal die Anforderungen an ihn generell stetig zunehmen. Nicht nur, dass sich das Wissen exponetiell entwickelt, und ein guter Wissenschaftler hier den Überblick behalten muss. Die verschiedenen fachlichen Disziplinen wachsen vielmehr auch zusammen. Gerade an den Grenzflächen zu und zwischen den fachlichen Disziplinen entstehen nie da gewesene Chancen, disruptive Innovationen, die völlig neue Lösungsprinzipien mit sich bringen. Beispiele für ein derartiges Verschmelzen von Disziplinen sind die Optolektronik und die Polymerelektronik. Ein Wissenschaftler gerade bei uns in der Fraunhofer-Gesellschaft muss aber auch den Spagat zwischen wissenschaftlichem Neuland und anwendungsorientierter Umsetzung schaffen, er muss neueste Forschungsergebnisse in unternehmensnahe Lösungen überführen. So gelingt es uns aber auch die oben skizzierte Herausforderung nach Technologietransfer und Technologieadaption aktiv aufzugreifen und dies sogar als Chance zu verstehen.

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