Logistik & Supply Chain

Wie Nachhaltigkeit vergleichbar wird

Eigene Benchmarks führen zu mehr Vergleichbarkeit in der Logistik

16.10.2024 - Nachhaltigkeit gewinnt nicht nur in der Chemie- und Pharmabranche an Bedeutung, sondern auch in der zugehörigen Logistikbranche. Eine Vielzahl an neuen Regularien verschiebt das Thema von einem „Kann“ zu einem „Muss“:

Durch die kürzliche Einführung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes auf deutscher (LkSG) und europäischer Ebene (CS3D) werden Unternehmen für soziale und Umweltrechte entlang ihrer Wertschöpfungskette stärker zur Verantwortung gezogen. Zudem verpflichtet die EU-Richtlinie „Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)“ Unternehmen dazu, eine detaillierte Berichterstattung über ihre Nachhaltigkeit abzugeben, in ähnlichem Umfang wie bei der finanziellen Berichterstattung. Die neu geschaffene Transparenz soll dazu dienen, Geschäftspraktiken langfristig nachhaltiger zu gestalten und die Umweltstandards auszubauen – auch in der Logistik.

Trotz all dieser gesetzlichen Maßnahmen sind viele Angaben von Logistikanbietern schwer vergleichbar und somit anfällig für Greenwashing, insbesondere im Ausschreibungsverfahren. Unternehmen müssen eigene Kompetenzen für Nachhaltigkeitsbenchmarking in Ausschreibungen entwickeln, um die Nachhaltigkeit von Transportlogistiklösungen richtig und untereinander vergleichbar bewerten zu können. Mit einem eigenen Benchmarking-Modell und einem funktionsübergreifenden Team können sie Daten so abbilden, dass sie sinnvoll zu nutzen und vergleichbar sind, um wirklich nachhaltige Entscheidungen basierend auf relevanten Kriterien zu treffen. Jetzt ist der Zeitpunkt, um mit dem Aufbau eigener Kompetenzen für einen Nachhaltigkeitsvergleich im Rahmen von Logistikdienstleistungen zu beginnen.
Maßnahmen zur Senkung von Emissionen liegen in der Hand der Dienstleister
Entlang der Wertschöpfungskette in der Logistik gibt es diverse Treiber von Emissionen und ebenso Maßnahmen, um diese zu reduzieren. So können beim Lkw-Transport auf der Straße alternative, biobasierte Kraftstoffe zum Einsatz kommen. Aber auch Routen und die Fahrzeugauslastung lassen sich durch Software optimieren, um, auch im Sinne der Wirtschaftlichkeit, Leerfahrten und Teilauslastungen zu minimieren. Diese Maßnahmen sind jedoch je nach Logistikkette unterschiedlich effizient.

 

„Entlang der Wertschöpfungskette in der Logistik gibt es diverse Treiber von Emissionen und ebenso Maßnahmen, um diese zu reduzieren.“

 

Bereits beim Design der Verpackung und beim Palettisieren sind Platzoptimierungen auf der Palette möglich. Darüber hinaus kann durch doppelte Palettenbeladung pro Lkw (zwei Ladeböden) und durch Stapeln im Lager der verfügbare Platz optimal ausgenutzt werden. Auch der Einsatz von recycelten und recyclingfähigen Packmaterialien senkt die CO2-Äquivalent-Emissionen schon beim Packen.

Erste Logistikdienstleiter steigen bereits auf Elektro-Lkw um. Dies könnte ein weiterer Hebel in der Zukunft werden. Der Wechsel von Luft- auf Seefracht oder auf den intermodularen Verkehr mit Fokus auf die Schiene gehört aktuell zu den effektivsten Maßnahmen, um Emissionen effizient zu senken. Die Nutzung von erneuerbaren Ener­gien wie Wind, Solar und Wasser für den Bedarf in Lagerhäusern und Distributionszentren hilft dabei, die CO2-Emissionen in diesem Bereich zu senken.

Meist liegen diese Maßnahmen aber nicht in der Hand der Auftraggeber, sondern in der Hand der Logistikdienstleister. Daher ist es umso wichtiger, dass Auftraggeber bei der Ausschreibung und Auswahl ihrer Logistikdienstleister Nachhaltigkeit berücksichtigen und dies entsprechend steuern. Ist dies nicht der Fall, so kaufen sie sich hohe „Scope 3“-Emissionen und intransparente Nachhaltigkeitsrisiken ein, welche von der Finanzbranche und Kunden kritisch betrachtet werden.

Eigenes Nachhaltigkeitsbenchmarking ­sichert Vergleichbarkeit

Bereits bei der Auswahl der Logistikdienstleister sollten Kriterien zu Nachhaltigkeit mit einbezogen werden. Allerdings sind die Angaben der Logistikdienstleister oft nicht vergleichbar. Der Trend in der Branche geht sichtbar in Richtung Nachhaltigkeit und die großen Bemühungen für eine nachhaltige Wende sind sehr positiv zu vermerken. Inwiefern sich jeder einzelne Dienstleister daran beteiligt, bleibt jedoch oft intransparent. Es ergeben sich zwei Probleme: Erstens basiert die Berechnung des Umweltfußabdrucks je Logistikanbieter auf unterschiedlichen Modellierungen, bspw. für die Treibhausgasemissionen. Zweitens haben die Logistikdienstleister natürlicherweise nur Angaben über ihre gesamten ökonomischen Aktivitäten vorliegen, jedoch nicht für die spezifischen angefragten Services, insbesondere die ausgeschriebenen Routen.

Unternehmen und auch Prüfungsdienstleister, die auf Ökobilanzen (Life Cycle Assessments) spezialisiert sind, verwenden unterschiedliche Annahmen und Faktoren, um den ökologischen Fußabdruck zu modellieren, z.B. die Treibhausgas­emissionen einer bestimmten Logistikdienstleistung. Keines dieser Modelle ist per se falsch, aber es fehlt ihnen an Vergleichbarkeit. Die Logistikdienstleister können bei der Auswahl der Berechnungsmethodik auf verschiedene Protokolle und Systemgrenzen zurückgreifen. Diese Darstellungen basieren wieder auf eigenen Modellen, Referenzzeiträumen/-Jahren und Bilanzierungen, welche wiederum nicht mit dem Bericht eines anderen Anbieters vergleichbar sind. Zwar gibt es hier Bilanzierungs- und Vorgehensnormen und -standards wie das GHG Protocol, den ISO 14064 Standard oder die europäische Norm EN 16258 für Güter- und Personenverkehr. Aber selbst bei Anwendung dieser Standards wird oft auf unterschiedliche Emissionsfaktoren zurückgegriffen, welche wiederum aus unterschiedlichen Quellen kommen können und oft nur schwer vergleichbar sind.

 

„Die Auswahl von Logistikdienstleistern sollte unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien erfolgen.“

 

Vergleicht man die Daten zu Treibhausgasemissionen für Lkw-Transporte vom niederländischen Ministry of Economic Affairs and Climate (EZK) und vom deutschen Umweltbundesamt (Grafik unten), fällt Folgendes auf: Die Emissionsfaktoren aus beiden Quellen sind in den gleichen Größenordnungen, allerdings unterscheiden sie die Schnitte der Aktivitäten und die Zuordnung. Das führt in der Berechnung zu Unterschieden. Daher sind dann alle darauf basierenden Angaben von Logistikdienstleistern in sich vollkommen valide, allerdings eben nicht zu 100 % vergleichbar. So mangelt es den präsentierten Informationen an Vergleichbarkeit und das Unternehmen, welches die Logistikdienstleistung einkauft, ist besonders anfällig für fehlende Vergleichbarkeit oder gar Greenwashing, d.h. für die Nutzung der auf den ersten Blick am besten klingenden Zahlen.

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Typische Maßnahmen zur Reduzierung von CO2-Emissionen in der Logistik
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Nachhaltigkeitsberichte von Logistikdienstleistern zeigen übergreifend den ökologischen Fußabdruck ihrer gesamten ökonomischen Aktivitäten auf. Es findet sich darin keine direkte Aussage über den verursachten Umweltfußabdruck der konkreten, angebotenen logistischen Dienstleistung. Diese Informationen zur genauen Spezifizierung des Fußabdrucks müssen im Rahmen einer Ausschreibung gesondert abgefragt werden. Sie beziehen sich auf spezifische Routen (Lanes), Volumina, das Gewicht/Volumengewicht der Fracht, auf Transportmittel sowie auf Auslastungs- und Leerfahrtenanteile.

Logistikdienstleister sind vermehrt bereit, diese Informationen über ihren ökologischen Fußabdruck und über ihre Aktivitäten zur Verringerung der Umweltauswirkungen bereitzustellen. Um diese Informationen verschiedener Logistikdienstleister im Hinblick auf Nachhaltigkeit tatsächlich vergleichen zu können, müssen die auftraggebenden Unternehmen eigene Kompetenzen aufbauen. Der Weg dorthin könnte über die folgenden drei Schritte führen:

  • Abfrage der erforderlichen Daten bei Logistikdienstleistern
  • Modellierung eines eigenen Nachhaltigkeitsbenchmarks, um vergleichbare Ergebnisse zu erhalten
  • Verwendung des Nachhaltigkeitsbenchmarks in der Bewertung, um sich für einen Anbieter zu entscheiden, neben anderen wichtigen Faktoren wie Dienstleistungsniveau, Kosten usw.

 

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Daten zu Treibhausgasemissionen für Lkw-Transporte vom niederländischen Ministry of Economic Affairs and Climate (EZK) und dem deutschen Umweltbundesamt
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Die Fähigkeit, eigene Nachhaltigkeitsbenchmarks zu erstellen, lässt sich innerhalb eines Unternehmens durch ein spezielles funktionsübergreifendes Team, bestehend aus ESG- und Logistik-Mitarbeitern mit technischem Hintergrund, aufbauen. Die Lösung kann in einem Tool implementiert werden, das von einer einfachen Tabelle bis hin zu anspruchsvollen eigenen Softwareentwicklungen reicht. In ähnlicher Weise gibt es bereits Software Tools auf dem Markt: Entweder als Browser oder als dedizierte Anwendungen. Um sie zu nutzen, muss jedoch zuvor ein klares Verständnis innerhalb der Organisation aufgebaut werden.

Ansonsten bleibt die Modellierung eine Blackbox. Daher sollten Unternehmen jetzt damit beginnen, die Fähigkeit für vergleichbare Nachhaltigkeitsbenchmarks aufzubauen.

 

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Eigene Nachhaltigkeitsbenchmarks ermöglichen eine klare Vergleichbarkeit von Anbietern
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Zusammenfassung

Die Auswahl von Logistikdienstleistern sollte unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien erfolgen. Oftmals sind die Angaben der Dienstleister jedoch nicht direkt vergleichbar, was die Gefahr von Greenwashing erhöht. Daher ist es für Unternehmen unerlässlich, eigene Kompetenzen zu entwickeln, um die Nachhaltigkeit der verschiedenen Logistiklösungen effektiv vergleichen zu können. Dies kann durch die Abfrage spezifischer Daten, die Modellierung eines eigenen Nachhaltigkeitsbenchmarks und die Verwendung dieses Benchmarks bei der Entscheidungsfindung erreicht werden. Der Aufbau dieser Fähigkeit sollte funktionsübergreifend erfolgen und kann durch einfache Tools wie Excel oder spezialisierte Software unterstützt werden.

Autoren: Lucas Bolten, Logistics Strategy Expert, und Sören Hörnicke, Sustainable Operations Expert, Camelot Management Consultants AG, Köln

 

Zur Person

Sören Hörnicke hat sich auf die Chemie- und Pharmabranche mit Schwerpunkt Supply Chain Management spezialisiert. Der Verfahrenstechniker bearbeitet Themen wie strategisches Supply Chain Design, Prozesstransformationen und ganzheitliche Betriebsmodelle. Bei Camelot Management Consultants treibt er zusätzlich das Thema Nachhaltigkeit entlang der Lieferketten voran und entwickelt mit Kunden zukunftsorientierte Lösungen.

Zur Person

Lucas Bolten studierte Betriebswirtschaft mit dem Schwerpunkt Logistik und E-Business. Als Berater bei Camelot Management Consultants bearbeitet er hauptsächlich Projekte im Bereich der Pharma- und Chemiebranche mit den Schwerpunkten Logistik-Strategie, Netzwerkdesign und Prozessmanagement.

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