Wie geht es weiter mit Europa?
Die Chemiedistribution und die Europäische Schuldenkrise – Gedanken von Carl Hugo Erbslöh
C. H .Erbslöh ist ein international tätiger Distributeur für Spezialchemikalien und Industriemineralien. 1876 gegründet vertritt das Krefelder Familienunternehmen namhafte Unternehmen der chemischen Industrie auf den europäischen Märkten. Der Mittelständler erwirtschaftete 2013? mit rund 13 Tochterunternehmen einen Umsatz von 71 Mio. EUR. C. H. Erbslöh ist Mitglied der LEL European Distributor Alliance und an einigen Partnern dieser Gruppe beteiligt. Der Umsatz der LEL-Gruppe betrug 2014? 300 Mio. EUR Carl Hugo Erbslöh leitet das Distributionsunternehmen in vierter Generation. Im BGA (Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen) ist Carl Hugo Erbslöh Vizepräsident und Vorsitzender des Europaausschusses. Zuletzt bekleidete er zudem das Amt des Präsidenten des europäischen Handelsdachverbandes EuroCommerce. Auf der Jahrestagung des VCH (Verband Chemiehandel) Mitte Mai in Hamburg machte er sich Gedanken über Europa.
Eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass das Griechenland-Problem, die Überschuldung des Landes, inzwischen längst gemeinsam gelöst sein würde. Aber leider ist das immer noch nicht der Fall. Aufgrund der Krise leidet die übrige Wirtschaft ganz erheblich. Die Warenlieferungen von Deutschland nach Griechenland sind seit 2008 um 41% auf 4,7 Mrd. EUR gesunken. Auch die Lieferungen der Griechen nach Deutschland sind mit 5 Mrd. EUR zwar auf das Niveau von 2001 zurückgegangen. Trotzdem machen sie mit Deutschland einen kleinen Überschuss.
Viel interessanter wäre es natürlich, wenn man einmal die EU-Zahlen, d.h. den Single Market von 28 Ländern veröffentlichen würde. Darüber berichtet aber leider keine Zeitung. Wir brauchen allerdings diese Zahlen, um die EU „zu verkaufen“. Nicht wir sind Export-Weltmeister, die EU ist es.
„Die EU ist das exportstärkste Wirtschaftssystem.“
Anfang Mai konnte man wieder lesen, dass die deutsche Wirtschaft im April einen großen Zuwachs im Export erhalten hat. Die Industrieproduktion sei aber um 1% in Deutschland gegenüber dem Vorjahr gesunken. Diese Zahlen, die man hier veröffentlicht, beinhalten auch die Lieferungen, die wir in den Single Market machen. Das ist aber kein Export - oder ich kann nicht von einem Single Market reden. Die Politiker müssen sich endlich daran gewöhnen, dass sie den Single Market positiv darstellen müssen und dass die EU das exportstärkste Wirtschaftssystem mit über 1,7 Bio. EUR auf dieser Welt darstellt. Als zweite Nation kommt China mit 1,6 Bio. EUR und abgeschlagen als Dritter kommt dann die USA. Die USA importieren aber weitaus mehr als sie exportieren. Sie haben ein Defizit und das ist etwas, was weder die EU noch China hat.
Auch in Amerika gibt es Regionen, die finanzielle Probleme haben. Das trifft auf Länder genauso gut zu wie auf Städte. Detroit – die große Autostadt – hat 2013 Konkurs angemeldet, hat letztes Jahr dieses Problem überwunden und arbeitet jetzt ganz normal weiter. Das ist etwas, was in der EU nicht droht und wir sollten uns auch von den Amerikanern nicht zu so etwas verleiten lassen.
Die EU hat noch eine Verschuldung von 90% des Bruttosozialproduktes, Amerika aber von 120% und sie steigt von Jahr zu Jahr an. Wenn Amerika so weiter macht, wird dieses System eines Tages zusammenbrechen. Wir hingegen entwickeln uns im Grunde sehr positiv, nur verkaufen tun wir das nicht. Die EU redet nicht darüber und genau das ist unser Problem.
„Wir müssen innerhalb der EU andere Länder finanziell unterstützen.“
Die EU hat natürlich das Problem, dass sie Regionen, wie Griechenland oder Portugal, mit wenig Industrie haben. Diese Länder werden auch nie viel Industrie haben, weil sie Randgebiete einer Wirtschaftsnation sind. Wenn ich eine Produktion in Europa haben will, dann setze ich sie aus Kostengründen doch eher in die regionale Mitte. Insofern müssen wir auch innerhalb der EU andere Länder finanziell unterstützen. Vergleichbar wird das auch in Deutschland so gemacht. Wir sagen doch auch nicht einfach zu Bremen: „Euer Defizit ist zu groß. Ihr bekommt jetzt die D-Mark zurück und dann schmeißen wir Euch aus Deutschland raus!“ So kann man die Probleme nicht lösen; aber so diskutieren wir über die Probleme in der EU.
Brüssel muss sich für das Geld, das sie in den verschiedenen Ländern ausgeben, um die Wirtschaft anzukurbeln, bessere Objekte ausdenken. Es hat keinen Zweck, eine Autobahn auf der Hauptinsel der Azoren zu bauen, damit die Einheimischen nicht mehr eine, sondern eine halbe Stunde bis ans andere Ende der Insel brauchen. Das bringt kein Wirtschaftswachstum. Das Gleiche gilt für Häfen in Portugal: Wir werden sicher nicht unsere Waren in Portugal ausladen und dann über die Autobahnen hierher oder weiter in den Osten transportieren. Das macht keinen Sinn.
„Wir sind eine Gemeinschaft - also bitte auch bei den Schulden.“
In der Politik spielt natürlich die EZB (Europäische Zentralbank) mit Mario Draghi auch eine große Rolle. In einem Punkt stimme ich ihm völlig zu. Ich würde auch Eurobonds einführen, damit die Diskussion endet, ob einer der Mitgliedsstaaten die Schulden bezahlen kann oder nicht. Wir sind eine Gemeinschaft – also bitte auch bei den Schulden.
Der Euro – die Gemeinschaftswährung, an der leider nicht alle teilhaben – spielt eine wichtige Rolle. Und hier kann ich die Politik von Draghi nicht verstehen. Er wollte, dass der Euro abgewertet wird. Auf einmal sank er von 1,40 auf 1,08 gegen den Dollar. Das ist eine Abwertung von 30%. Europa ist abhängig von Rohstoffen, die aus Drittländern bezogen werden. Öl und Gas spielen dabei eine wichtige Rolle. Alle diese Produkte steigen um 30%. Beim Erdöl hatten wir Glück, dass gleichzeitig der Preis für das Barrel Öl in den Keller gegangen ist. Es hatte sich zum Höchstkurs mehr als halbiert. Dadurch sanken bei uns die Preise für Benzin oder Heizöl. Da der Ölpreis nun wieder steigt, wird das Benzin täglich teurer. Wenn er auf den Höchststand steigt, bezahlen wir nachher für den Diesel 3 EUR. Was bedeutet das? Das bedeutet für den Konsumenten, dass ihm viel Geld verloren geht. Die Auswirkung wird sein, dass die Umsätze im Einzelhandel einbrechen werden und das ist nicht gut für die Wirtschaft. Natürlich ist es richtig, dass kurzfristig der Export steigt, weil wir die Rohstoffe noch zu günstigen Preisen einkaufen konnten. Aber das ist nur vorübergehend so.
Ich bin nicht sicher, wo uns das hinführen wird, wenn die Zinsen quasi bei Null sind. In Japan hat man viel früher als die USA und Europa diese Politik eingeführt, um die eigene Wirtschaft anzukurbeln. Aber hat das genützt? Eigentlich kaum. Aber eins ist sicher: Japan ist es nicht gelungen, wieder eine höhere Zinspolitik zu machen. Wir werden sehen, was letztendlich hier in Europa passiert.
„Die EU bleibt.“
Die Engländer haben gewählt und völlig überraschend haben die Tories die Wahlen mit David Cameron klar gewonnen. Sie haben die absolute Mehrheit im Parlament. Aber nach der Wahl wiederholte Cameron sofort sein Wahlversprechen, dass er 2017 ein Referendum über Europa machen wird. Was will er? Er will bessere Bedingungen für Großbritannien in Brüssel herausholen und der Rest der EU-Mitglieder muss die Rechnung bezahlen. Er will das Kunststück – das, was die Eiserne Lady einmal vorgeführt hat – wiederholen. Eigentlich dürften wir darauf nicht eingehen. Die Nationale Partei Schottlands hat bis auf zwei Sitze alle gewonnen und ist klarer Anhänger der EU. Sie werden für Europa abstimmen. Ob die Tories alle folgen werden, das ist sehr fraglich. Ich will hier keine Prognose machen. Das ist abhängig von der Brüsseler Politik bis 2017, die ich hier noch nicht beurteilen kann. Die meisten Engländer denken meiner Meinung nach wie Winston Churchill, der einmal sagte: „Wir haben unseren eigenen Traum. Wir stehen zu Europa, gehören aber nicht dazu“.
Diese Negativ-Schlagzeilen, die diese Diskussionen wieder auslösen, EU ja oder nein, sind nicht gut für unsere Finanzen in der EU und auch nicht für die Wirtschaft. Unternehmen investieren dann am meisten und am liebsten, wenn sie das klare, positive Signal haben, dass alles positiv weiter läuft. Erst dann geht es mit der Wirtschaft aufwärts.
Aber bei allen Diskussionen hin und her: Die EU bleibt und wird sich finden. Selbst wenn die Engländer die EU verlassen würden, bin ich davon überzeugt, dass wir – die übrigen Länder – die Probleme lösen. Und dies auch, wenn Griechenland keine andere Währung bekommt.
In Spanien und Portugal wächst die Wirtschaft wieder und in Irland soll es bereits einen Boom geben. Es geht also aufwärts mit der EU. Folglich werden wir das Griechenland-Problem wohl auch noch lösen.
Kontakt
C. H. Erbslöh
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