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Vorwärtsintegration auf der Solarschiene

09.08.2013 -

Vorwärtsintegration auf der Solarschiene – Wacker und Schott bauen ihre Wertschöpfung im Wachstumssegment Photovoltaik weiter aus.

So rasant wie die Solarmärkte an sich, so rasant entwickelt sich auch das junge Gemeinschaftsunternehmen Wacker Schott Solar. Die Vereinbarung zur Gründung des Unternehmens wurde erst Anfang August 2007 von der zum Schott-Konzern gehörenden 100%-igen Tochtergesellschaft Schott Solar und der Wacker Chemie unterzeichnet.

Bereits Ende Oktober wurde in Jena der Grundstein für eine neue Produktion von Siliciumwafern für die Solarindustrie gelegt; nur sechs Monate später konnte mit der Produktion begonnen werden.

Für CHEManager stellten sich die beiden Geschäftsführer Dr. Patrick Markschläger und Axel Schmidt Fragen rund um die Unternehmensstrategie sowie die ersten erreichten und die zukünftigen Ziele. Die Fragen stellte Dr. Birgit Megges.

 


CHEManager: Herr Dr. Markschläger, Herr Schmidt, was war der Antrieb für die Unternehmen Wacker und Schott, das Gemeinschaftsunternehmen zu gründen? Inwieweit spielen die weltweiten Silicium-Engpässe hierbei eine Rolle? Welche Synergien erhoffen Sie sich von dem Joint Venture?

A. Schmidt: Die Nachfrage nach polykristallinem Reinstsilicium hat in den letzten Jahren enorm zugenommen und wird voraussichtlich weiter stark wachsen. Das liegt ganz einfach daran, dass man Polysilicium sowohl für die Herstellung von Computerchips als auch für Solarzellen braucht.

Beide Märkte wachsen derzeit rasant, Solar übrigens deutlich stärker als die Halbleiterbranche. Wacker ist weltweit zweitgrößter Anbieter von Polysilicium.

Auf der Halbleiterseite produziert der Konzern bereits seit vielen Jahren Wafer für die Computerindustrie. Da ist es nur konsequent, dass sich Wacker auch auf der Solarschiene vorwärts integriert.

Wacker hat sich dazu einen starken Partner gesucht und mit Schott Solar einen der Marktführer im Solarbereich für diese Kooperation gewinnen können. Auf diese Weise sind beide Unternehmen in der Lage, ihre Wertschöpfung im Wachstumssegment Photovoltaik weiter auszubauen.

Dr. P. Markschläger: Die gesicherte Versorgung mit dem derzeit weltweit knappen Solarsilicium ist eine wichtige Voraussetzung für die ehrgeizigen Wachstumsziele der Photovoltaik-Aktivitäten von Schott Solar.

Wir glauben, dass das Joint Venture zusammen mit dem zur Zeit laufenden Kapazitätsausbau für Zellen und Module in Alzenau und in der Tschechischen Republik sowie dem geplanten Ausbau in USA wesentlich dazu beitragen wird, die Stellung von Schott Solar als einem der weltweit führenden Hersteller von PVSolarstrom-Komponenten zu stärken und auszubauen.

Die Ansiedlung des Joint Ventures in Jena bedeutet auch für den Standort und für die Region eine enorme Stärkung.

 


Im April dieses Jahres haben Sie das erste gesteckte Ziel mit der Inbetriebnahme eines neuen Werks für Solarwafer in Jena erreicht. Warum haben Sie sich für diesen Standort entschieden?

A. Schmidt: Wir haben uns für Jena entschieden, weil die Rahmenbedingungen hier besonders vielversprechend sind. Erstens verfügt der Standort über eine sehr gute Infrastruktur. Seit drei Jahren zieht Schott in Jena multikristalline Siliciumkristalle, aus denen Solarwafer hergestellt werden.

Zweitens können wir unsere Pläne hier sehr schnell umsetzen. Um ein Beispiel zu nennen: Im Oktober 2007 war die Grundsteinlegung für unser neues Werk 2. Bereits sechs Monate später, im April dieses Jahres, konnten wir die neue Waferfabrik in Betrieb nehmen.

Stadtverwaltung und das Land Thüringen waren hier übrigens sehr kooperativ und haben wesentlich zum schnellen Produktionsstart beigetragen. Und drittens ist Wacker Schott Solar nicht alleiniger Solarhersteller in Thüringen, sondern Teil des gerade entstehenden Solarclusters in Mitteldeutschland.

 


Welche Möglichkeiten bietet das neue Werk?

Dr. P. Markschläger: Wir haben die Bauphase in Rekordzeit zum Abschluss gebracht und fahren nun die Produktion wie geplant hoch. In dem 7.500 m² großen Gebäude sägen wir aus multikristallinen Siliciumblöcken einzelne Waferscheiben, die anschließend zu Solarzellen weiterverarbeitet werden.

Bis zum Herbst soll dort eine Nennkapazität von 50 MW im Jahr erreicht werden. Die jährliche Gesamtkapazität von Wacker Schott Solar wird dann 120 MW betragen. Die Inbetriebnahme der neuen Fertigung ist also ein wichtiger Meilenstein für unseren unternehmerischen Erfolg.

Außerdem steht auf dem Fabrikdach eine der größten Solarstromanlagen Thüringens. Wir wollen damit auch zeigen, was diese Technologie kann. Die installierten Solarmodule stammen natürlich aus eigener Fertigung.

 


In welche Investitionen soll der Rest der geplanten 370 Mio. € fließen?

A. Schmidt: Alles in allem haben wir 50 Mio. € in die Waferfertigung in Jena investiert. Die restlichen 320 Mio. € werden in den weiteren Ausbau der Standorte Jena und Alzenau gehen.

Bis 2012 wollen wir unsere gesamte Fertigungskapazität schrittweise auf rund 1 GW/a erhöhen und damit einer der bedeutendsten Hersteller von Solarwafern weltweit werden.

 


Aus der Solar-Branche allgemein ist laut geworden, dass es sehr schwer ist, qualifizierte Nachwuchskräfte zu finden. Wie sehen Ihre Erfahrungen in dem Bereich aus? Gibt es regionale Unterschiede?

Dr. P. Markschläger: Im Zuge unseres Ausbaus wollen wir in Jena und Alzenau in den nächsten Jahren über 700 neue Arbeitsplätze schaffen. Das ist zunächst einmal eine sehr gute Perspektive für den regionalen Arbeitsmarkt.

Was die Rekrutierung von Fachkräften angeht, sind wir sehr zuversichtlich. Zum einen ist High-Tech seit Jahrzehnten in Jena und Alzenau heimisch. Es gibt hier also jede Menge qualifiziertes Personal. Zum anderen sind wir bei der Suche nach neuen Mitarbeitern nicht nur auf den Arbeitsmarkt angewiesen. Beide Unternehmen, Wacker und Schott, bilden Jahr für Jahr Hunderte von Lehrlingen aus.

Das sind alles qualifizierte und hoch motivierte Menschen. Außerdem kooperieren wir eng mit der örtlichen Universität sowie mit den Berufs- und Fachhochschulen. Ab Herbst wird beispielsweise an der Fachhochschule der Studiengang Photovoltaik angeboten. Dieses Studium wird von uns und von weiteren Solarunternehmen in der Region unterstützt.

 


Innovative Produktionsverfahren und neue Technologien sind für heutige Unternehmen ein Muss. Auf welche Neuigkeiten/ Innovationen kann die Solarindustrie von Ihrer Seite hoffen?

Dr. P. Markschläger: Auf der Produktseite ist die Verbesserung des Wirkungsgrads für uns nach wie vor Thema Nummer eins. Wirkungsgrad heißt: Wie effizient setzt eine Solarzelle die Sonnenenergie in elektrischen Strom um.

Hier haben die Hersteller, allen voran Schott, in den letzten Jahren enorme Fortschritte erzielt. Solarzellen aus hochreinem multikristallinem Silicium erreichen bereits heute Wirkungsgrade von bis zu 16 %.

Solche Systeme arbeiten bereits so effizient, dass sie schon nach maximal zwei Jahren mehr Energie produziert haben, als für die Herstellung benötigt wurde. Und das nicht nur in sonnigen Gegenden wie Kalifornien oder Spanien, sondern auch in Regionen wie Süddeutschland. Auf der Produktionsseite arbeiten wir daran, effizientere und damit kostengünstigere Herstellverfahren zu entwickeln.

Ein Beispiel ist unsere Smart Solar Fab in Alzenau. Dort werden Wafer nach dem von Schott weiterentwickelten EFG-Verfahren hergestellt. Bei der herkömmlichen Fertigung werden die Waferscheiben einzeln aus einem Siliciumblock gesägt.

Das führt dazu, dass ein Teil des Polysiliciums beim Sägen verloren geht. Anders beim EFG-Verfahren: Dort wird das Ausgangsmaterial in Form eines hohlen Oktagons direkt aus der Siliciumschmelze gezogen. Ein Laserstrahl schneidet hieraus die Wafer. Dadurch kommt es zu weniger Verlusten.

 


Zum größten Teil sollen die produzierten Wafer von Schott Solar selbst zu Solarzellen verarbeitet werden. Wie groß ist der Anteil, den Sie an andere Solarzell-Hersteller vermarkten? Wo befinden sich Ihre Abnehmermärkte?

A. Schmidt: Das ist korrekt. Einen wesentlichen Teil unserer Wafer liefern wir an Schott Solar. Wir vermarkten Wafer aber auch an andere Hersteller. Ich kann leider aus Wettbewerbsgründen keine Namen und Mengen nennen.

Entscheidend ist aber, dass wir auf diese Weise zusätzliche Wachstumschancen und damit verbundene Skaleneffekte nutzen können. Wir haben deshalb ein zweites Gemeinschaftsunternehmen gegründet, die Wacker Schott Solar Vertriebs GmbH, die für den Vertrieb der Solarwafer verantwortlich ist.

Hier haben wir bereits mehrere Langfristverträge mit renommierten Herstellern abgeschlossen.

 


Nach eigenen Angaben wollen Sie bis 2012 mit einer Kapazität von etwa 1 GW/a einer der größten Hersteller von Solarwafern sein. Wie wollen Sie dieses Ziel erreichen?

Dr. P. Markschläger: Durch den kontinuierlichen und schrittweisen Ausbau unserer Standorte Jena und Alzenau. Wir haben dafür rund 320 Mio. € vorgesehen und wollen dieses Geld in den nächsten vier Jahren nach und nach in den Ausbau unserer Anlagen und in neue, innovativere Technologien investieren.

 


Wie schätzen Sie die Entwicklung der Solarzellindustrie weltweit in den nächsten Jahren ein? In welchen Ländern erwarten Sie das größte Wachstum? Was werden die Wachstumstreiber sein?

A. Schmidt: Marktexperten gehen davon aus, dass der Bedarf nach PV-Systemen und damit nach Solarwafern weiter stark steigt. Die European Photovoltaik Industry Association (EPIA) prognostiziert beispielsweise eine Zunahme des weltweiten PV-Markts von derzeit 2,2 GW auf 8,7 GW bis Ende 2011.

Es gibt aber auch Experten, die einen Anstieg auf 30 GW für möglich halten. Die Prognosen differieren also erheblich. Aber selbst nach konservativen Schätzungen ist das Wachstumspotential enorm. Deutschland, Spanien, Italien, USA, aber auch Südkorea, Japan und Frankreich gehören regional gesehen zu den größten Wachstumstreibern.

Dr. P. Markschläger: Und es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass auf lange Sicht weitere Länder hinzukommen. Ganz einfach deshalb, weil Rohstoff- und Energiepreise derzeit immer stärker steigen und alternative Energieformen wie Solarstrom dadurch immer wettbewerbsfähiger werden. Ein weiterer Grund für das wachsende Interesse an der Photovoltaik ist natürlich die CO2-Problematik.

Wer mit Solarzellen Strom produziert, emittiert kein klimaschädliches Treibhausgas. Rechnerisch können mit 1 t Solarsilicium während der Lebenszeit einer Solaranlage ca. 800 t Steinkohle und damit rund 3.000 t CO2 eingespart werden. Und weil Solarsysteme immer besser werden, steigt das CO2-Einsparpotential laufend.

Viele Experten wie beispielsweise der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung prognostizieren, dass sich die Photovoltaik in den nächsten Jahrzehnten zu einem immer wichtigeren Energieträger im Bereich der alternativen Energieerzeugung entwickeln wird.

 


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