Chemie & Life Sciences

Von Plaste und Elaste zum Hightech-Kunststoffland

Heute wie gestern – Kunststoffinnovation aus dem Herzen Europas

21.10.2010 -

Die meterhohe Leuchtstoff-Werbung der Chemischen Werke Buna „Plaste und Elaste aus Schkopau" kennt wohl jeder, der die Autobahn Berlin-München befuhr. Heute, im zwanzigsten Jahr der deutschen Einheit blickt die mitteldeutsche Chemie- und Kunststoffbranche auf zwei Jahrzehnte tief greifenden Strukturwandel zurück. Die einstigen veralteten Verfahren und Bauten sind heute modernsten Anlagen und einem Innovationsgeprägtem Standort gewichen. Geblieben ist die lange Tradition in der Kunststoffverarbeitung in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg und die spürbar breite Akzeptanz der Branche in der Bevölkerung.

Die Chemie- und Kunststoffbranche e rweist sich hier als Jobmotor - die Beschäftigtenzahl in der Kunststoffverarbeitung stieg allein in den Jahren 1998-2008 um rd. zwei Drittel von 25.000 auf 42.000 Mitarbeiter.

Erfolgreiche Zusammenarbeit
Kunststoffe wie Polymere, Kautschuk und Naturfaserkomposite sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Steigende Umweltbelastungen und weltweit knapper werdende Rohstoffe einerseits sowie wie die Bestrebungen einer hohen Wertschöpfung und eines hohen Nutzens andererseits führen bei der Herstellung, dem Gebrauch und bei der Entsorgung von Kunststoffen ebenso zu neuen Fragestellungen wie zu steigenden Anforderungen an die Materialeigenschaften. Um Lösungen dieser globalen Herausforderung zu entwickeln, kommt es künftig darauf an, die Kompetenzen von grundlagen- und anwendungsorientierten Forschungseinrichtungen mit der Wirtschaft zu verknüpfen sowie die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Polymerchemie, Verfahrenstechnik und Polymerverarbeitung zu verstärken. „Genau diesen Aufgaben stellt sich das 2003 gegründete Cluster Chemie/Kunststoffe Mitteldeutschland", sagt Clustersprecher und Geschäftsführer a.D. Dow Olefinverbund Dr. Christoph Mühlhaus, In diesem Verbund arbeiten rund die Hälfte der 800 Chemie- und Kunststoffbetriebe in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg zusammen. „Die Kooperation wird durch Workshops, Innovationsforen und Fachkonferenzen in enger Zusammenarbeit mit den Ländern und dem EU-Projekt „Chemclust" gestaltet. Dabei gilt es besonders, die universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen mit einzubeziehen", erläutert Mühlhaus. Dass die Zusammenarbeit mit den Ländern erfolgreich ist, bestätigt auch Frauke-Flenker Manthey, Sprecherin der Investitions- und Marketinggesellschaft Sachsen Anhalt (IMG): „In Sachsen-Anhalt hat die Innovations- und Technologiepolitik einen hohen Stellenwert. Dies wird an den zahlreichen Förderprogrammen und Transferplattformen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft deutlich. Aber auch Ansiedlungen werden durch uns und die Landesbank intensiv gefördert, und das mit Erfolg. So siedelte sich 2008 der weltweit größte Hersteller für Kunststoffmaschinen, Kraussmaffei, in Schkopau an."

Klimaschutz wird groß geschrieben
„Gerade die Herausforderungen des Klimaschutzes erfordern spezifische Entwicklungen. Unter dem Stichwort Green Design werden Innovationen in Leichtbau, Wärmedämmung, Elektromobilität, Windenergienutzung und Solartechnik zusammengefasst - sie sind ohne Kunststoffe nicht machbar", erklärt Mühlhaus weiter im Rahmen einer Gesprächsrunde am Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM in Halle/Saale. Das Institut ist einer der Forschungseinrichtungen im Cluster und beschäftigt sich mit der Charakterisierung, Simulation und Bewertung von Werkstoffen, Bauteilen und Systemen unter dem Einfluss äußerer Kräfte in unterschiedlichen Umgebungen. Hierbei geht es vor allem um Kunststoffe in der Automobilelektronik, der Photovoltaik, Medizintechnik, Flugzeugbau etc.. Zusammen mit dem Solarmodulhersteller Sovello wird z.B. erprobt, die Modulmaterialien von Solarzellen wie Glas und Aluminium durch Kunststoffe zu ersetzen und in einem weiteren Schritt durch die kunststofftypische Spritzguss-Fertigungstechnik eine Solarzelle mit integrierten elektrischen und optischen Funktionen herzustellen. „Somit erhielte man eine Super-Solarzelle, praktisch aus einem Guss gefertigt", begeistert sich Prof. Roland Weidisch, Leiter des Geschäftsfeldes Polymeranwendungen am IWM. „Die Kunststofftechnologie spielt hier durch ihr Ressourcen- und Einsparungspotential im Hinblick auf Materialien und Prozesse und die begleitende Gewichtsreduktion eine wichtige Rolle", so Weidisch.

Gebündelte Kompetenz
Das Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM ist eins von acht Forschungsinstituten, die sich am 134 ha großen und 1994 gegründeten Technologiepark Weinberg Campus in Halle/Saale angesiedelt haben. Er ist damit der zweitgrößte Ostdeutschlands und einer der erfolgreichsten, denn rund 140 Start-Ups fanden hier hervorragende Bedingungen, um gemeinsam mit den universitären Einrichtungen Projekte mit Zukunftstechnologien durchzuführen.
Auch am Kunststoffkompetenzzentrum Halle-Merseburg wird zu speziellen Kunststoffanwendungen z.B. in der Medizin geforscht. So wurden am Lehrstuhl Kunststofftechnik der Universität Halle-Wittenberg makroporöse, offenzellige Schäume aus bioabbaubaren, d.h. im Körper resorbierbaren, Polyhydroxyalkanoaten entwickelt, die als Gerüststrukturen, sog. Scaffolds, bei der Generierung von Zellen Einsatz finden sollen.
Ein weiteres aktuelles Forschungsthema, das unter dem Dach des Kunststoff-Kompetenzzentrums an der Polymer Service Merseburg gemeinsam mit einem Industriepartner bearbeitet wird, befasst sich mit der Entwicklung von speziellen resorbierbaren Trägern für Pharmazeutika. Heute bestehen ca. 45% aller weltweit hergestellten medizintechnischen Produkte aus einem breit gefächerten Spektrum von Kunststoffen, die einen entscheidenden Beitrag leisten zu heilen, Leben zu erhalten oder lebenswerter zu machen.

Energieeffizientes Bauen
In puncto Lebensqualität und Energieeffizienz kennt man sich in Sachsen-Anhalt bei Schüco International aus. Das Unternehmen hat sich mit einem Standort in Weißenfels angesiedelt, weil es hier die idealen Zulieferbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten für ihr Angebot zum energieeffizienten Bauen vorfindet. Aluminium-, Solar-, Stahl- und Kunststoffsysteme für innovative Gebäudehüllen sowie Fenster- und Fassadentechnologie sind ein wichtiger Bestandteil eines verantwortungsvollen Umgangs mit Rohstoffen und sorgen für zukunftsgerechtes Bauen. „Besonders die innovative Kombination von Photovoltaik-Dünnschichttechnologie mit bestehenden Fassadensystemen wird am Standort gefertigt und ständig weiterentwickelt", sagt Helmut Marzahn, Leiter Schüco-Kunststofftechnik am Standort Weißenfels.

Sicherheit mit Kunststoff
Mobilität ist das Leitmotiv von Schuberth in Magdeburg, des weltweit zu den führenden Herstellern von Motorrad-, Formel-1- und Motorsport-Helmen zählt sowie innovative Kopfschutzlösungen in den Bereichen Arbeitsschutz, Feuerwehr, Polizei und Militär liefert. Kunststoffe spielen hierbei natürlich eine wichtige Rolle und somit wird auch hier großen Wert auf die Forschung und Entwicklung gelegt. Zukunftsfähige Produkte von morgen zeichnen sich dadurch aus, dass sie mit den begrenzten Ressourcen dieser Welt sparsam umgehen. Daher wird an Materialien gearbeitet, die leichter, sicherer, sparsamer, komfortabler und zugleich ökologisch verträglich sind - und dies bei globaler Wettbewerbsfähigkeit und großer Wertschöpfung. Insbesondere die Erfahrungen aus der Formel 1 liefern beständig neue Impulse für Produktentwicklungen, die die Referenzklasse für Kopfschutz-Systeme markieren.

Umweltbewusste Verpackungen
Polyolefine, Polystyrol und Polyethylenterephthalat (PET) sind klassische Verpackungswerkstoffe, die auch in Zeiten durchgängiger Recyclingkonzepte ihre überlegenen Eigenschaften dokumentieren. Aber auch Mehrschichtverbunde und abbaubare Biopolymere nehmen in der Bedeutung zu. Dabei muss dies kein Widerspruch sein, sondern spiegelt die Forderung nach wirtschaftlich intelligenten Lösungen wider, die eine gezielte Steuerung aller Einflussparameter möglich macht.
„Das ist der Vorteil von Kunststoffverpackungen: Ein auf die jeweilige Anforderung bestmöglich zugeschnittenes Lösungskonzept, das sich hochwirtschaftlich und maßgeschneidert mit einzigartigen Eigenschaften herstellen lässt", meint Reinhard Händel, Geschäftsführer der Orbita-Film mit Sitz in Weißandt-Gölzau. Das Unternehmen operiert im Verbund der Poli-Film Gruppe. Mit einer Umsatzerwartung von 250 Mio. € für 2010 ist Orbita-Film ein führender deutscher Hersteller von Polyethylen-Folien für die Verpackungs- und Baubranche sowie für Landwirtschaft und Gartenbau. „Im Unternehmen wird zu einem sehr hohen Anteil mit recyceltem Material produziert sowie durch Zukauf und Granulate. Ein besonders wichtiger Aspekt, um für die Zukunft wettbewerbsfähig und umweltbewusst zu produzieren, besteht in der Investition in Forschung und Entwicklung", so Händel und spricht sich positiv für die bisherige Zusammenarbeit mit den Instituten in Merseburg und Leipzig aus. „Außerdem versuchen wir mit unserem Exportanteil von 35-40% nicht über einen Umkreis von 600 km hinaus zu gehen, als Beitrag zu umweltbewusstem und ökonomischem Handel und Handeln".

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